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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

niederzuducken, wobei sie einen Ton ähnlich dem eines knurrenden Hundes vernehmen läßt, der wohl beißen möchte, aber durch irgend etwas daran verhindert wird.

In dieser Lage wird sie von ihrer Nebenbuhlerin gerupft und in das unbeschützte Haupt oft blutig gebissen, allein was will sie dagegen beginnen? Sie trägt nun die Folgen ihrer Thorheit und kann nur durch Ausdauer die Feindin ermüden und sie durch Langeweile zum Rückzuge veranlassen, um sie ihrerseits allernächstens in dieselbe Lage zu bringen.

Meine Hennen werden bei solchen Gelegenheiten von mir miterzogen. Nachdem ich der Ruhestörerin ein Ei gezeigt und dasselbe vor ihren Augen in ein leeres Nest gelegt, ergreife ich sie bei den Flügeln und setze sie auf jenes Nest, indem ich ihr ungefähr in folgenden Worten meine Meinung sage: „Mußt Du augenblicklich auch schon Deine Pflicht als meine Eierlieferantin erfüllen, so hast Du nun bequeme Gelegenheit dazu. Ist dies noch nicht der Fall, so schier Dich zum Stalle hinaus und verhalte Dich ruhig.“

Peter als galanter Ehemann.

Und der Leser kann sich überzeugt halten, so gut wie ich, daß meine Hennen mich verstehen, wenn auch nicht wörtlich, was ich ja allerdings nicht behaupten kann, so doch dem Sinne nach, denn in den meisten Fällen folgen sie meinem Befehle auf das Gehorsamste. Oftmals aber ist ihre Wuth auch so groß, daß ich dieselbe nicht anders zu beschwichtigen und abzukühlen weiß, als durch Aussperrung und Schließen des Stalles. Ueberhaupt will ich hier gleich erwähnen, daß alle meine Mittheilungen über das Hühnergeschlecht auf eigenen Erfahrungen und Beobachtungen beruhen und daß ich allerdings meinem liebevollen, aber doch auch zugleich, wenn es nöthig ist, mit Strenge geübten Einflusse manche Resultate des trefflichen Gedeihens und der guten Sitte meiner Hühner zuschreiben darf. Allein wem ist es verwehrt, dieselben Resultate zu erzielen?

Schon vom Ei an beschäftige ich mich mit dem kleinen Geschöpf, das sich einst daraus entwickeln soll. Frisch, von väterlicher wie mütterlicher Seite, eine erwünschte Race versprechend, wähle ich sie mit Sorgfalt, wenn ich einer Henne, die sich dazu bereit zeigt, das Glück und die Mühe der Bebrütung anvertrauen will, und nicht erlaube ich ihr, wie dies oftmals aus Treue, zuweilen auch aus Leichtsinn geschieht, unregelmäßig das Rest zu verlassen oder durch zu langes Ausbleiben die Eier zu erkälten. Nein, täglich einmal, zur bestimmten Stunde hebe ich selbst sie davon ab, nachdem ich ihr reichliches und besonders nahrhaftes Futter bereit gesetzt. Die Eier bedecke ich so lange mit Heu oder Wolle, und nach etwa zehn Minuten halte ich die Glucke dazu an, sich, nachdem ich jene Decke wieder abgenommen, wieder zu setzen.

Auf diese Weise sehe ich zu der bestimmten Zeit aus allen befruchteten Eiern gesunde und kräftige Küchlein zum Vorschein kommen, um deren erste Pflege ich mich, wie schon erwähnt, mit demselben Interesse bemühe, und die mich dann durch ihr schnelles und gutes Gedeihen, die jungen Hennen auch noch durch frühzeitiges und fleißiges Eierlegen, auch in materieller Hinsicht reichlich dafür belohnen.

Vor Jahren stolzirte dort ein Prachtexemplar von Haushahn umher, der durch folgenden Umstand den Namen Peter erhalten hatte. Meine kleine Pflegetochter, die für namenlose Geschöpfe durchaus kein Interesse hatte, studirte die französische Sprache in der „Geschichte Peter’s des Großen“ von Voltaire, als wir uns über einen Namen für das einzige zum Leben begnadigte Hähnchen beriethen, das von einer großen Küchleinschaar übrig geblieben.

Und, ein so kleiner Knirps er noch war und so arm und gering, Peter der Große nahm doch die Pathenstelle bei ihm an, und nicht lange währte es, so hatte er sich deren wahrlich nicht zu schämen, denn aus unserm Peterchen entfaltete sich ein großer schöner Peter, der alle Tugenden besaß, die ich seinem Geschlecht im Allgemeinen nachrühmte, und eigentlich nur einen Fehler.

Peter's Aeußeres zu beschreiben, würde viel Zeit und Raum erfordern, ich erspare es mir und dem Leser, der sich selbst ein Prachtexemplar der echt deutschen Race vorstellen mag. Peter’s Stimme war nicht brüllend und heiser wie die der jetzigen Modehähne, sondern hell und rein wie die einer silbernen Trompete, sein Auftreten und Benehmen voll Mäßigung und Würde.

Leider zeigte er sich nur zu nachsichtsvoll und verblendet gegen eine seiner Hennen, die den zarten Namen Lilly auf ähnliche Weise wie Peter den seinigen empfangen hatte, den sie bei völliger Entwickelung, unserer Ansicht nach, aber so wenig verdiente, wie Peter’s Gunst. Sie war klein und unansehnlich, eine träge und unordentliche Eierlegerin, als Gattin kokett und arrogant, im geselligen Umgange mit den anderen Hennen besonders streitsüchtig. Alle diese übeln Eigenschaften schien aber Peter gar nicht zu bemerken, vielmehr durch Lilly’s schnippisches, kaltherziges und launenhaftes Wesen seine Zuneigung für sie nur gesteigert zu werden.

Zu jener Zeit bewohnten meine Hühner für die Nacht und die Legezeit einen von dem Boden einer Scheuer abgetheilten Raum, auf welchem zu ihrer Bequemlichkeit und zur Erhaltung der Ordnung eine Hühnersteige, mehrere Nester in Gestalt umgestülpter Bienenkörbe und eine Klappe sich befand, durch die das Ausnehmen der Eier bewerkstelligt und eine Oberaufsicht menschlicherseits ermöglicht ward. Von außen führte dicht neben der Scheuerthüre eine leichte Leiter zu diesem Raum hin, in der Thüre befand sich unten ein Loch, gerade groß genug, um den Katzen zu jeder Zeit freie Passage zu gewähren, neben der Thüre im Innern der Scheuer eine Treppe, die zu dem allgemeinen Boden führte, von welchem aus man sich durch die mit einem kleinen Fenster versehene Klappe eine Uebersicht des Hühnerbodens verschaffen konnte. Der untere Raum der Scheuer war mit Brennmaterial, mit Heu und Stroh u. dgl. angefüllt.

Diese Lokalitäten zu beschreiben war nothwendig, wie die Leser sich bald überzeugen werden, denn eines Tages sah ich Lilly, die ich längst in Verdacht hatte, daß sie ihre Eier treulos verschleppe, sich überall vorsichtig umschauend, mich glücklicherweise nicht wahrnehmend, durch das Katzenloch in der Scheuer verschwinden und Peter den freilich mißlingenden Versuch machen, sich ihr auch dorthin nachzuzwängen.

Obgleich ich nun überzeugt war, für den Augenblick durch meine Dazwischenkunft Lilly's unpflichtmäßiges Vorhaben zu verhindern und mithin den Ort ihres geheimen Eiermagazines nicht zu entdecken, öffnete ich nichts destoweniger aus Gründen, die der Leser alsbald, errathen wird, die Thüre und sah Lilly mit ausgerecktem Halse vor einem großen Strohhaufen stehen. Natürlich

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 796. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_796.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2022)