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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Uebrigens können unter Umständen Malzextracte nicht nur nicht nützen, sondern sogar schaden. So ist z. B. bei Magenleiden das Trinken kalten Extractes (Bieres) insofern von Nachtheil, als die Kälte auf die krankhafte Veränderung der Magenschleimhaut und auf deren Heilungsproceß störend einwirkt. Eben solchen nachtheiligen Einfluß übt bisweilen auch noch die fixe Luft (Kohlensäure) des Malzextractes auf ein Magenübel aus, und deshalb ist Magenkranken anzurathen, das Malzextrakt (Bier) verschlagen und abgestanden zu genießen. Auch Brustkranken mit Heiserkeit ist dieser Rath nützlich. – Für Kinder und leicht erregbare Personen, besonders für Frauen, ist nicht selten der, wenn auch nur geringe, Spiritusgehalt eines Malzextraktes doch nicht zusagend und häufig sogar unangenehme Beschwerden (Herzklopfen, Hitze, beschleunigtes Athmen) verursachend.

Von allen Malzextrakten ist, wenn sich ein Geschwächter denn durchaus mit Hülfe von Bierstoffen und nicht durch Milch, Ei und Fleisch stärken will oder kann, das Trommer’sche concentrirte Malzextrakt (welches vom Brauereibesitzer Heinrich in Greifswalde bereitet und verkauft wird) das am meisten nahrhafte und, weil es ganz rein und frei von Weingeist und Kohlensäure ist, auch das unschädlichste. Es ist deshalb dem kohlensäurereichen, spiritushaltigen und mit Kräutern versetzten Hoff’schen Malzextrakte (was vielleicht Biertrinkern besser munden wird, als das Trommer’sche) weit vorzuziehen. Auch hat das Trommer’sche Extrakt, dem übrigens auch eine entsprechende Quantität des reinen bittern Extraktivstoffes des Hopfens zugesetzt ist, den Vortheil, daß es sehr haltbar und deshalb auf Reisen verwendbar ist, daß es mit jeder beliebigen Flüssigkeit, sogar mit kalter und heißer Milch, gemischt und nach Belieben verdünnt werden kann. Die große Wohlfeilheit des Trommer’schen Extractes gestattet ferner auch, daß dasselbe auf längere Zeit als diätetisches Mittel selbst von Unbemittelten gebraucht werden kann, was von dem bei weitem weniger nahrhaften Hoff’schen Malzextracte, von welchem ein kleines Fläschchen 71/2 Ngr. kostet, obschon es kaum 2 Ngr. werth ist, nicht gesagt werden kann. Außer dem Trommer’schen Malzextracte sind noch die Braunschweiger Mumme, das Bitterbier und der Porter zu empfehlen, nur enthalten diese Biere viel Kohlensäure und etwas Spiritus.

Das Hoff’sche Malzextract, welches nach der von Hoff selbst bekannt gemachten Analyse des Prof. v. Kletzinsky in Wien nur als ein einfaches Braunbier bezeichnet werden kann, dem wahrscheinlich noch eine Abkochung einiger unschuldiger Kräuter (von Faulbaumrinde, meinen einige Chemiker) beigegeben ist, wird von Hrn. Hoff leider als ein Geheimmittel (dessen Zusammensetzung- und vegetabilische Zuthat auf geheimer Wissenschaft beruhen sollen.) für einen unverhältnißmäßig hohen Preis verkauft und in den Zeitungen auf eine ganz widerwärtige Weise als eine Universalmedicin, „von welcher der Prinz von Dänemark erst kürzlich eine größere Nachbestellung telegraphirte“, ausposaunt. Es soll besonders bei Brust. und Unterleibsbeschwerden, sowie bei Körperschwäche und Nervenleiden Wunder thun, und „erst vor wenigen Wochen nahm Seine Durchlaucht der Prinz von Bentheim die innern Räume der Hoff’schen Brauerei persönlich in Augenschein, um die Fabrikationsquelle des ihm so wohlthuenden Gesundheitsbieres kennen zu lernen; auch sprach sich Seine Durchlaucht sehr belobigend über die zweckmäßige und geschmackvolle Einrichtung aus-“ Der Werth des angeblich wohlschmeckenden Hoff’schen Malzextract-Gesundheitsbieres, „was einzig und allein in Berlin bereitet wird, weil seine Fabrikation ein Geheimniß in sich birgt“, und was nach dem Ausspruche des Dr. Raudnitz in Wien „eine neue Aera im medicinischen Kreise hervorrufen wird“, soll sich übrigens, wie ein Lobhudler dieses Bieres in der Volkszeitung schreibt, in überzeugendster Weise aus dem Range der Kundschaft des Hrn. Hoff beweisen lassen, denn im östlichen Theile Europa’s sind es der Kaiser von Oesterreich und der König von Griechenland, in der entgegengesetzten Seite dieses Welttheils die Könige von Belgien, Holland, Dänemark und Hannover, sowie der Kaiser von Frankreich, welche Hrn. Hoff Anerkennung zollten. Telegraphisch nach Wien berufen, wurde Hr. Hoff zu einer Audienz vor den Kaiser befohlen; ebenso huldvoll wurde er in den Tuilerien empfangen, und erst neuerdings hat der König der Belgier demselben „ein ungemein schmeichelhaftes Schreiben zugesandt“.

Wären bei der Hoff’schen Malzextractwirthschaft diese widerlichen und sich immer und immer wiederholenden Reklamen und Lobhudeleien, der übermäßige Preis und die Ansprüche dieses Extractes auf ein Geheim- und Universalheilmittel nicht, so könnte sich das Herz eines mittelscheuen Heilkünstlers wirklich über den abergläubischen Gebrauch dieses Braunbieres freuen, denn lieber als Arznei ist’s dem Verfasser bei allen den Krankheiten, wo es heilsam sein soll, aber niemals ist, in jedem Fall, und daß es verlantschten aristokratischen, sowie überhaupt verquacksalberten Mägen wohler als nippernäppische Päppelein und Mixturen thut, steht auch fest. So wie die Sachen aber jetzt stehen, muß man die Hoff’sche Malzextracterei in den Grund hinein hassen, obschon die so und so oft abgedruckten Atteste von angeblich Geheilten durch dieses Braunbier sicherlich ganz echt und wohlgemeint sind. Daß übrigens auf die vereinzelten Glücklichen, denen das Malzextract angeblich geholfen haben soll, viele Tausende kommen, denen es nichts genützt, ja vielleicht sogar geschadet hat, ist in der Ordnung und kommt bei allen fanatisch und käuflich gelobhudelten Modemitteln vor. Und nun schließlich noch Hoff’schen Malzextractomaniacis den Rath: „Man wolle sich zur Garantie der Echtheit dieses Extractes stets vom Vorhandensein des Hoff’schen Etiquetts und Siegels überzeugen“, denn man bedenke, „daß sich an den Namen, Hoff’scher Malzextract, bereits eine Geschichte knüpft, die in den medicinischen Annalen mit unvergänglichem Ruhme bei der spätern Nachwelt glänzen wird“, und daß, „als Seine Majestät, der jetzt regierende König von Preußen, noch als Prinz, sein Dienstjubiläum feierten und die Stadt Breslau demselben eine Deputation zusandte, das Deputations-Mitglied Hr. Hoff hervortrat und dem Prinzen einen Pokal mit Malzextract überreichte, der dem hohen Jubilar so lieblich schmeckte, daß er ihm die schmeichelhaftesten Lobeserhebungen deswegen machte.“ Kurz, es steht das Hoff'sche Malzextract als ein „Unicum da, welches als solches noch die größten Erfolge erzielen wird.“ Nun, Leser, hast Du hoffentlich genug von dieser Braunbierlobhudelei!

Bock.




Erinnerungen.

Von Franz Wallner.
Nr. 3. Originale aus Alt-Wien
Saphir – Bäuerle - Castelli – Graf Schandor – Raimund und sein „Thal der guten Leute“.

Wer jetzt die Kaiserstadt besucht, wird es kaum für denkbar halten, wenn man ihm erzählt, daß Wien vor kaum zwanzig Jahren die billigste Hauptstadt Europas gewesen. Die fröhlichste, die vergnügungssüchtigste und gastfreundlichste ist sie noch immer, nur übersteigen die Preise, welche der Wiener jetzt für seine Vergnügen zu zahlen hat, die der Pariser und Berliner Amüsements um das Doppelte. Die Volksfeste in der Brigittenau, im Augarten sind verschwunden, der „Wurstlprater“ hat seine originelle Physiognomie verloren, und mit diesen Herrlichkeiten ist einer der pikantesten Reize der Hauptstadt für den Fremden verschwunden, nämlich die Beobachtung des Volkes in seiner ungebundensten Fröhlichkeit. Der Wiener Pöbel ist von einer Gemüthlichkeit, von einer Harmlosigkeit, die man nie im Norden, am allerwenigsten aber in Berlin findet. Das sogenannte „Volk“ in Wien verhält sich zu dem in Berlin, wie Milch zu Blausäure. Bei dem tollsten Uebermuth wird man beim Oesterreicher selten eine Rohheit, ein Ausarten gegen den Gebildeteren treffen, während der „richtige“ Berliner ohne „Keilerei“ kein Zusammensein der Massen denken kann. Die neueste Zeit hat traurige Beispiele für meine Behauptung geliefert, und zwar bei Gelegenheiten, welche ihrer Natur nach zu nichts weniger als zu Ausbrüchen der Gemeinheit Veranlassung gaben. Ich erinnere an die Säcularfeier der Universität, an das Leichenbegängniß Humboldt’s, an das Schillerfest, an die Einzugsfeierlichkeiten bei der Krönung etc.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_297.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)