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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

seinen berühmten Landsmann nur mit Blicken des Mitleids, und der Leibarzt äußerte unumwunden: „Lieber Borri, die Stellung des Kaisers hat Ihre Feinde nur vermehrt. Wer hier den Haß der Priester sich zugezogen, ist als verloren anzusehen. Sie werden Ihr Schicksal in Rom vollendet sehen.“

„Meinen Geist,“ entgegnete Borri, „schlägt keine Verfolgung nieder.“[1]

Es dürfte kaum glaublich erscheinen, daß Leopold in der That seinen Lebensretter der Gewalt des Offciums in Rom auslieferte, wären nicht leider in der Geschichte ähnliche Beispiele genug vorhanden.

Am 14. Juni 1670 verabschiedete der vollständig geheilte Leopold seinen Arzt Borri. Er dankte ihm innig und mit Thränen in den Augen, und bedauerte (!), daß er nicht jene Erkenntlichkeit zeigen könne, die er dem Arzte nach der Empfindung seines Herzens schuldig sei. Borri habe sich aber im Punkte der Religion so weit „verstiegen, daß es nothwendig sei, ihn von seinem Irrthume zu heilen.“ Der Papst werde eine Commission niedersetzen. „Doch habe ich,“ fuhr der Kaiser fort, einen Revers durch den päpstlichen Nuntius ausstellen lassen, daß Euch in keinem Falle an Leib und Leben Etwas geschehe. Mein Gesandter in Rom wird Euch das in Gegenwart der päpstlichen Commission eröffnen. So lange Ihr lebt, wird Euch von mir oder meinen Erben jährlich die Summe von 200 Ducaten gezahlt werden, als Merkmal, was Ihr an mir gethan. Kommt Ihr in Sachen der Religion zu besserer Ueberzengung, so werde ich sehen, was zu thun ist. Gott nehme Euch in seinen Schutz – dies ist mein Wunsch. – Lebet wohl!“ – –

Er reichte dem Arzte die Hand zum Kusse, die Borri mit seinen Thränen benetzte, Thränen der Rührung und – des Bedauerns. Am folgenden Tage ward der Gelehrte unter Bedeckung nach Rom geführt. – Der Procurator war und blieb verschwunden. Die schwarze That aber ward verschleiert, und nach wie vor herrschten die Finsterlinge und ihr Einfluß. Und Borri?

Er ward zu Rom in der Engelsburg in lebenslänglicher Haft gehalten. Anfangs durfte er die Burg nie verlassen. Endlich aber erhielt er so viel Freiheit, daß er ungehindert aus- und eingehen, auch ärztliche Curen verrichten durfte. Dies verdankte er dem energischen Auftreten des französischen Marschalls d’Estrées, den er zu Rom von schwerer Krankheit heilte. Er vollendete nun später noch viele namhafte Curen und starb im Jahre 1681. Der Jesuiten-General Pater Gonzalez besuchte ihn oft in der Engelsburg und wendete Alles an, um von ihm das Arcanum zu erlangen, wodurch er die Gifte aus dem menschlichen Körper trieb. Gonzalez legte ihm sogar ein Formular seines Unschuldszeugnisses vor und versicherte ihn der vollkommenen Freilassung. Borri schlug aber die Entdeckung des Geheimmittels, immer ruhig lächelnd, mit den Worten ab: „Diese Wissenschaft verträgt sich nicht mit den Regeln des heiligen Ignatius von Loyola.“ [2] – In Wien ward die Sache bald vergessen. Die Hinrichtungen der ungarischen Rebellen verlöschten das Entsetzen, welches die düstre Begebenheit erregt hatte.

Am wahrscheinlichsten ist es wohl, daß die That auf Antrieb der französischen Partei gegen Leopold gewagt wurde. Aus welchen Gründen, ist oben angeführt. Der sogleich bei Seite geschaffte Pater-Procurator mag irgendwo eine Entschädigung erhalten haben,[3] und nach den Sätzen des Ordens war man nicht für die schlechte That eines Einzelnen verantwortlich. Am 20. September 1713 schreibt aber Prinz Eugen an Sinzendorf aus Philippsburg: „Mit der Auswahl Bentenrieder’s als politischen Adjutanten bin ich zufrieden und werde Sorge für die Gesundheit dieses vortrefflichen Mannes tragen, daß ihn keine Besorgniß selbst wegen der Aqua tofana anwandelt. Man muß über Manches einen Schleier werfen, wie es Kaiser Leopold that, als er von dem unglücklichen Borri überzeugt wurde, daß sein eingesogenes Gift von den auf seinem Tische gebrannten Wachskerzen herrühre.“ [4]




Die geschichtlichen Helden deutscher Dichter.

Nr. 2. Wallenstein.
Von K. G. Helbig.
(Mit Abbildung.)

Neben Gustav Adolph ist keine Persönlichkeit des dreißigjährigen Krieges populärer geworden, als Wallenstein. Wenn ihm auch schon die Art, wie er endete, vorzugsweise Theilnahme verschaffte, so kam ihm doch ganz besonders die poetische Verherrlichung durch Schiller zu Gute, und wie Viele mag es jetzt noch geben, die sich den Helden so denken, wie ihn der geniale Dichter dargestellt hat. In einem weit ungünstigeren Lichte erscheint er in der Geschichte, und schon Schiller wußte dies recht wohl, wenn er auch von später zu entdeckenden Quellen eine vortheilhaftere Beleuchtung seines Charakters hoffte. Diese Quellen wurden nach Schiller’s Tode in reicher Fülle aufgefunden, aber im Gegensatz zu der Erwartung des Dichters ist „das früher in der Geschichte schwankende Bild“ des Helden zu seinen Ungunsten fixirt worden. Es ist hier nicht blos sein Verhältniß zum Kaiser Ferdinand, was in Betracht kommt, nicht blos die Frage, ob er den Kaiser habe verrathen wollen, obschon auch diese Frage jetzt zum Nachtheil Wallenstein’s erledigt ist. Wohl könnte auch ein solcher Verräther der Theilnahme werth sein, wenn er mit hohem Sinn und kühnem Wagniß auf diese Weise eine große Aufgabe verfolgt hätte, deren Lösung die Vorsehung für höhere Zwecke öfters auf solchem Wege begabten Menschen zuläßt. Davon ist aber im Leben und Charakter Wallenstein’s nichts zu bemerken. Er war von keiner höhern Idee beseelt, ohne alles Wohlwollen, zweideutig und falsch, immer nur auf seinen Vortheil bedacht, und ermangelte trotz mannigfacher Begabung, welche ihn unter günstigen Verhältnissen emportrieb, doch des festen Sinns und der energischen Kühnheit, womit die großen Egoisten der Geschichte, zunächst für sich, aber, ohne es zu wollen, auch für die Menschheit mehr oder weniger geschaffen haben.

Albrecht von Waldstein – schon von den Zeitgenossen Wallenstein genannt – der Sohn eines wenig begüterten böhmischen Edelmanns, geboren 1583 zu Hermanitz an der Oberelbe, ward nach dem frühzeitigen Tode seines protestantischen Vaters im Jesuitenseminar zu Olmütz erzogen, wo er durch den Pater Pachta, der sich seiner sehr liebevoll annahm, katholisch gemacht wurde. Darauf bildete er sich auf Reisen im Ausland und zum Kriegsdienst in Ungarn gegen die Türken.[5] Der Tod seiner ersten Frau, einer alten reichen Wittwe, verschaffte ihm nach einer sechsjährigen Ehe 1614 die Mittel, dem Erzherzoge Ferdinand, dem spätern Kaiser, im venetianischen Kriege als Oberster erhebliche Dienste zu leisten, und damit hatte er die Bahn betreten, die ihn nach dem Ausbruch des dreißigjährigen Krieges zu hohen Ehren bringen mußte. Denn nach der Niederlage der böhmischen Rebellen, die er energisch bekämpft hatte, brachte er, zum Theil auf unredliche Weise, in Böhmen einen großen Länderbesitz zusammen, der, nach dem Schlosse Friedland genannt, später zum Herzogthum erhoben und mit besondern Privilegien ausgestattet wurde.

Durch eine zweite Verbindung mit der jungen und liebenswürdigen Isabella von Harrach 1623 gewann er noch mehr Gunst bei Hofe und nützliche Verbindungen mit den angesehensten österreichischen Familien. Doch mit der Stellung eines reichen und stattlich lebenden böhmischen Herrn konnte sich der ehrgeizige Mann nicht lange begnügen. Bald bot ihm der Ausbruch des dänischen Kriegs, in welchem Ferdinand nicht länger von der katholischen Liga abhängen wollte, die günstigste Gelegenheit, der Oberfeldhauptmann eines Heeres zu werden, das er ohne Beschwerde des Kaisers aus eigenen Vorschüssen und Contributionen zu organisiren versprach. Bewunderungswürdig war das Geschick, mit dem er nicht etwa 25,000


  1. Bericht des Cardinals Passionei.
  2. Bericht des Cardinals Passionei.
  3. Bericht des Cardinals Passionei.
  4. Politische Schriften des Prinzen Eugen      Band 7. S. 45.
  5. Wallenstein hat nicht in Altorf studirt und ist nicht in Burgau katholisch geworden, das sind von Schiller benutzte Sagen, wie sie in der Geschichte jedes bedeutenden Mannes vorkommen.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 358. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_358.jpg&oldid=- (Version vom 15.7.2023)