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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

ist, daß unser Vaterland vom Joche der Fremdherrschaft und von der Gefahr, zu einer französischen Provinz herabzusinken, erlöst wurde! Diese drei Fälle waren:

Erstens die Schlacht von Malojaroslawecz am 24. Oct. 1812, wo sich Eugen dem gesammten Heer Napoleon’s entgegenwarf, als dasselbe auf der bequemen und hülfsmittelreichen südlichen Straße über Kaluga von dem eingeäscherten Moskau her sich zurückzuziehen beabsichtigte. Der hartnäckige, trotz Kutusow’s Gegenbefehlen und feigem Rückzug fortgesetzte Widerstand Eugen’s veranlaßte allein Napoleon, die nördliche, geplünderte und dem harten Winter ausgesetztere Straße über Smolensk zu wählen, auf welcher dann sein ganzes Heer zu Grunde ging. (Vergl. außer der Helldorf’schen Schrift auch den Bericht des General Wilson, englischen Bevollmächtigten bei der russischen Armee, über den Feldzug von 1812.)

Zweitens die Gefechte bei Pirna, Gießhübel und Culm, vom 26. bis 29. August 1813, wo Prinz Eugen ganz allein, wieder zum Theil entgegen den confusen, widerwilligen und störenden Befehlen des russischen Obercommando’s, die Armee der Verbündeten vor gänzlicher Zersprengung und Vernichtung gerettet hat. Er hielt den General Vandamme, welcher heranzog, um die Höhen zu besetzen, auf denen die Verbündeten sich zurückziehen mußten, Schritt für Schritt auf und ermöglichte so, daß die gesammten russischen Garden und ein Theil des übrigen Heeres durchschlüpfen und sich schlagfertig im Thal bei Teplitz ansammeln konnten. Er allein setzte es dann durch (siehe Aster’s Werk), daß die Verbündeten bei Culm wirklich gegen Vandamme’s Nachdrängen Stand hielten und der Kaiser von Rußland zu diesem Behufe (und um die noch in den Gebirgen steckenden Truppen zu retten) seine Garde opferte, deren Heldenmuth wir nicht herabsetzen wollen. Nur so ward es möglich, Vandamme erst aufzuhalten, dann zu umzingeln und endlich dem glücklich auf Vandamme’s Rückzugslinie anlangenden General Kleist (von Nollendorf) entgegen zu werfen.

Drittens endlich in der Schlacht bei Leipzig, wo nur Prinz Eugen es war, welcher die von Napoleon durch seinen großartigen Artillerie- und Cavallerieangriff bei Wachau beabsichtigte (und sogar als ausgeführt mittels Siegesfests gefeierte) Durchbrechung des Centrums der verbündeten Armee vereitelt und seine Bataillone in den Fluthen jener Reitermassen, wie kleine Felsen in den Brandungen des Oceans, feststehend und schlagfertig gehalten hat.

Wo jemals von den damaligen Befreiern Deutschlands die Rede ist, da muß der Prinz Eugen von Würtemberg in erster Linie genannt werden. Und dies um so mehr, da die deutschen Geschichtsschreiber an ihm eine doppelt schwere Schuld zu sühnen haben. Einmal ihre eigene; denn über keinen der deutschen Freiheitskämpfer hat man bis jetzt so mager berichtet (vielleicht in einer gewissen Mißstimmung darüber, daß dieser General bis in’s hohe Alter in russischen Diensten geblieben ist). Andererseits müssen wir Deutsche die wahrhaft empörende Art, wie alle russischen Militairberichte und Geschichtsschreiber die Leistungen des Prinzen Eugen von Württemberg herabgesetzt, verschwiegen oder lügnerischerweise auf andere Personen (z. B. auf den verrückten Tolstoy) übergetragen haben, immer und immer wieder (nach den treuen Berichten von Aster, Helldorf und Wilson) an’s Tageslicht ziehen und dafür sorgen, daß die Wahrheit nicht nur bei uns, sondern auch bei den Geschichtsschreibern anderer Völker zur Anerkennung komme.

So werden wir ihm wenigstens noch seine Grabstätte mit Ehrenkränzen zieren, nachdem merkwürdiger Weise die deutsche Presse sogar den Sterbetag dieses Helden fast stillschweigend hat vorübergehen lasten.

E. Burckhardt.



Aus dem Malkasten zu Düsseldorf.
Von Wolfgang Müller von Königswinter.

Alte Leute in Düsseldorf erzählen, daß Napoleon der Erste, als er die Stadt besucht habe, in die höchst denkwürdigen Worte ausgebrochen sei: „Düsseldorf ist ein klein Paris!“ Diese Leute sind nun meistentheils nicht in Paris gewesen, sonst würden sie wahrscheinlich den Ausspruch, wenn der corsische Imperator ihn wirklich gethan hat, für einen Scherz halten, was indeß keineswegs der Fall ist, denn unsere Philister bleiben dabei und wiederholen mit dem behaglichsten Ausdruck und den zufriedensten Blicken: „Düsseldorf ist ein klein Paris.“ Habeant sibi! Wir wollen ihnen den Spaß nicht verderben und sie auch auf die übrigen rheinischen Nachbarorte von oben herabschauen lassen; denn ihre Heimath war ja einst Hauptstadt von Jülich, Cleve und Berg, sie ist der Ort, wo Jakobe von Baden erdrosselt wurde, sie besaß einst eine wunderschöne Gallerie, sie besitzt noch die Reiterstatue des Kurfüsten Johann Wilhelm, sie ist der Geburtsort der beiden Jakoby, des Varnhagen von Ense, des Heinrich Heine, des Peter von Cornelius, der Brüder Heß und einer Menge von Malern, deren Ruhm erst künftig in den Sternen geschrieben steht. Hier siedelt ferner eine berühmte Malerschule, hier entwickelte sich das Theater Immermann’s. In der That Grund genug zu einem gewissen Stolz, den die Bürger auch an den Tag zu legen nicht verfehlen.

Und im wunderschönen Monat Mai ist Düsseldorf auch in der That ein allerliebster Ort. In die weiten Straßen und offenen Plätze schaut überall der liebe Frühling mit seinen frischbelaubten Bäumen herein. Buntgekleidete Damen – es befinden sich sehr hübsche darunter – und Herren gehen dort auf und ab. Der Menschenstrom ergießt sich hinaus. Wir folgen. Da öffnet sich vor den Blicken ein Kranz von anmuthigen Anlagen. Das ist der Hofgarten, der die Stadt fast allerwärts umschließt. Frisches Grün erquickt das Auge, hundert Blütenbäume ragen empor, die schmetternden Lieder der Vögel haben nicht End und Ziel, die Nachtigallen singen überall aus den Sträuchen, die Teiche blitzen im Sonnenstrahl, weiße Schwäne ziehen ihre stillen Kreise auf dem Wasser. Ja, das ist Alles fröhlich, lustig, berauschend. Wir wandern und bleiben stehen, wir betrachten und lauschen, wir athmen Mailuft und Blüthenduft in vollen Zügen.

Endlich sind wir am Ende des Parks nach dem Dorfe Pempelfort gelangt. Im Angesicht der großen Ulmenallee erhebt sich der Jägerhof, die Residenz des edeln Fürsten Anton von Hohenzollern-Sigmaringen. Links an dieselbe schließen sich Fabrikgebäude, die jüngst vom Fiscus angekauft wurden und nun bald verschwinden sollen. Sie bildeten einst eine Fabrik, welche der Familie Jakoby gehörte. Hinter derselben erstreckt sich ein Park, in den wir eintreten.

Wir stehen hier auf echt classischem Boden. Wer sich einigermaßen in den Lebensbeschreibungen, Reiseberichten und Briefen der Schriftsteller des vorigen Jahrhunderts umgesehen hat, der ist vielfach mit diesen Oertlichkeiten bekannt gemacht worden. Vor unsern Blicken dehnt sich nämlich der Jakoby’sche Garten, der vor etwa achtzig Jahren eine berühmte deutsche Culturstätte war. Das weite Besitzthum gehörte dem Philosophen Friedrich Jakoby, dessen Bruder Georg neben Goethe als einer der besten deutschen Lyriker geschätzt wurde. Die bedeutenden Mittel des Eigenthümers gestatteten eine ausgedehnte und glänzende Gastfreundschaft zu üben, zu welcher nicht minder die menschenfreundliche und herzliche Gemüthsart Jakoby’s aufforderte. So bildete sich denn hier der Sammelort für die geistigen Vertreter der Nation. Wie anmuthig schildert Goethe in „Wahrheit und Dichtung“ diesen reizenden Aufenthalt, den er in jungen Jahren besuchte! Auch nach dem unglücklichen Feldzug in die Champagne ruhte er hier einige Tage aus. Wilhelm Heinse, der Verfasser des Ardinghello, wohnte damals in Düsseldorf und war alle Tage in Pempelfort, das nach und nach Jung-Stilling, die Grafen Stolberg, Georg Forster, die Fürstin Gallitzin mit ihren westfälischen Freunden und Hemsterhuys, so wie Hamann, den Magus des Nordens, bewirthete. Pempelfort war vor Weimar die bedeutendste literarische Station des Vaterlandes. Dieses reiche bewegte Leben endete mit dem Einbruch der Franzosen in Deutschland. Jakoby verließ die geliebte Heimathstätte. Der Garten kam in die Hände des Arztes Brinkmann, dessen Tochter aber wieder einen Sohn Jakoby’s heirathete, so daß das Gut nun zum zweiten Male an die Familie gelangte.

Sobald man das Thor im Rücken hat, gewahrt man links im Hintergrunde ein langgedehntes Haus, das aus Unterhaus und erstem Stock besteht. Für die heutigen Verhältnisse ist es gerade nicht groß, in der Zeit, wo es entstand, galt es jedenfalls als eine stattliche bürgerliche Wohnung. Die Gebäulichkeiten sind namentlich nicht hoch, aber sie strecken sich in die Breite und besitzen sehr viele, darunter manche ansehnliche Räume. Es ist noch heute erkennbar, daß man sich für die Gastfreundschaft einrichtete. Denkt man aber

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 585. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_585.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)