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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

betrifft, so dürften die folgenden kurzen Notizen nicht ohne Interesse sein, da das Leben des Künstlers sich häufig in seinen Schöpfungen widerspiegelt.

Leopold Rudolph Siemering wurde im Jahre 1835 in Königsberg geboren, wo er bis zu seinem siebzehnten Jahre die dortige höhere Bürgerschule besuchte. Hierauf trat er bei einem Tischler in die Lehre, nebenbei zeichnete er fleißig; auch modellirte er ohne jede Anleitung nach der Natur. Die Liebe zur Kunst war aber so mächtig in ihm, daß er nach drei Jahren sein Handwerk aufgab und die Akademie der Künste in seiner Vaterstadt unter Director Rosenfelder

Begas’ Modell zu einem Standbilde Schiller’s für Berlin.

besuchte. Nachdem er es hier bis zur Malclasse gebracht und fleißig nach der Antike gezeichnet, ging er zu seiner ferneren Ausbildung nach Berlin, indem er, selbst mittellos, eine Unterstützung von dem Königsberger Verein für Wissenschaft und Kunst erhielt, an dessen Spitze der vor Kurzem erst verstorbene Geschichtsschreiber Prof. Voigt stand.

Hier arbeitete Siemering mehrere Jahre unter Anleitung des berühmten Bildhauers Bläser, dem er bei seinem großen Relief für die Dirschauer Brücke half. Außerdem besuchte er den Aktsaal der Berliner Akademie und fing eine eigene Arbeit, die „Statue der Penelope“ an, welche auf die Ausstellung kam und trotz mancher Fehler als eine Erstlingsarbeit wohlverdienten Beifall fand. Der Auftrag einer Kirche in Ostpreußen, für dieselbe die Kolossalstatue des Bischofs Adalbert, des berühmten Heidenbekehrers, zu arbeiten, brachte in ihm den längst gefaßten Entschluß zur Reife, sich selbstständig zu machen. In seinem eigenen Atelier schuf Siemering eine Reihe von interessanten Büsten, darunter die charakteristischen Köpfe des Geschichtsschreibers Johannes Voigt, des Präsidenten Simson, des bekannten Philologen Lobeck u. s. w. Zugleich bewarb er sich schon damals um den Preis für eine Schillerstatue, welchen die Stadt Hamburg ausgeschrieben hatte; er erhielt auch den zweiten Preis, während der erste seinem glücklicheren Nebenbuhler zufiel. Unterdeß fehlte es ihm nicht an Bestellungen und Aufträgen, da sein Name in verhältnismäßig kurzer Zeit bekannt geworden war. Für die neuerbaute Universität in Königsberg wurden ihm zehn Reliefbilder berühmter Lehrer anvertraut. Hauptsächlich aber beschäftigte ihn der Entwurf des Schillerdenkmals für die Stadt Berlin und die Königsstatue für die neue Börse, die ihm zur Ausführung übertragen wurde. Durch Fleiß und unablässiges Studium hat sich der junge, bescheidene Künstler aus beschränkten Verhältnissen und unter manchen Schwierigkeiten heraufgearbeitet und eine ehrenvolle Stellung erworben.

Weit mehr vom Glück begünstigt und durch geniale Anlagen ausgezeichnet ist sein Concurrent, Professor Begas, der im Jahre 1831 in Berlin geboren wurde. Frühzeitig erkannte sein Vater, der berühmte Geschichts- und Porträtmaler Begas, das Talent des Knaben und sorgte für dessen Ausbildung, indem er ihn den großen Meistern Rauch und Wichmann als Zögling übergab. Unter ihrer Anleitung arbeitete der junge Künstler bis zum Jahre 1858, wo er nach Italien reiste, um die großen Vorbilder des Alterthums durch eigene Anschauung kennen zu lernen und zu studiren. Nach seiner Rückkehr bildete er die Gruppe „Pan und Psyche“, welche bereits ein glänzendes Zeugniß für seinen Beruf ablegte und die höchste Anerkennung fand. Sein Werk wurde bei der Ausstellung in Paris mit der goldenen Medaille belohnt, desgleichen in Berlin, und später in Brüssel für das dortige Museum angekauft.

In der Zwischenzeit arbeitete er an mehreren Büsten für die Berliner Universität. Im Jahre 1860 vollendete er den „Faun mit seiner Familie“, eine geniale Conception, die durch ihre Kühnheit allgemeine Bewunderung erregte. In Folge seines steigenden Rufes wurde er 1861 nach Weimar als Professor an die dortige Akademie berufen. Hier beschäftigte er sich besonders mit Skizzen für verschiedene Concurrenzarbeiten, so mit dem Entwurf einer Statue des berühmten „Oecolampadius“ für Basel, des Arndt-Denkmals für Bonn und des Standbildes Friedrich Wilhelms III. in Köln. Für letztere Arbeit wurde ihm auch der erste Preis, eine Summe von 3000 Thalern, zu Theil. Ermuntert durch die ihm zu Theil gewordene Auszeichnung, concurrirte er ebenfalls bei dem Schillerdenkmal, für das er zwei Modelle angefertigt hat. Außerdem arbeitete er an einer großen Sandsteingruppe für die Berliner Börse, welche er im Frühjahr zu vollenden hofft. Gegenwärtig verweilt der hoch begabte Künstler in Rom, theils um von seinen großen Arbeiten auszuruhen, theils um neue schöpferische Eindrücke in sich aufzunehmen.

Wenden wir uns von den Künstlern ihren Werken zu, so zeigt uns die Skizze von Siemering ein sechseckiges Postament, auf dem die Statue Schiller’s steht, umgeben von den Musen der Geschichte, der Philosophie und Poesie. Der Dichter erscheint im

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 796. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_796.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2019)