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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

ultramontanen Blätter behaupten, die ganze Geschichte sei erlogen. Das wäre freilich eine sehr gescheidte Ausrede gewesen, wenn sie nur nicht zu spät gekommen wäre.

Die Ultramontanen in Deutschland hätten besser von Anfang an ganz davon geschwiegen, denn, veranlaßt durch ihre Invectiven, gab eine rheinische Buchhandlung die Verhandlungen des Processes in einer Broschüre heraus („Der Jesuiten-Proceß in Brüssel, Verhandlungen vor dem Assisenhof in Brabant vom 13. –16. Mai 1864, Preis 5 Sgr.), die in Monatsfrist vier Auflagen erlebte und besser noch als der Sue’sche Roman zur Aufklärung über das Treiben der Gesellschaft Jesu beitragen wird.




Beitrag zu Schiller’s Charakteristik. Es ist bekannt, daß der Herzog Karl von Würtemberg kurz nach dem Erscheinen der „Räuber“ Schillern verbot, etwas Anderes als medicinische Fachschriften drucken zu lassen, und daß es hauptsächlich diese Beschränkung war, welche die Flucht des Dichters nach Mannheim hervorrief. Die Veranlassung zu diesem Verbot war eine an den Herzog gerichtete Reklamation der Graubündner Regierung, in welcher man sich über eine in den Räubern vorkommende Beschimpfung dieser Republik beschwerte. Es lauteten nämlich in der zweiten Scene des ersten Actes die Worte des Libertiner Schwarz, in welchen er nach dem heutigen Texte Karl Moor auffordert, „mit in die böhmischen Wälder zu kommen und dort eine Räuberbande zu sammeln“, im Originale folgendermaßen: „Komm mit uns nach Graubünden, dem Athen der Räuber und Diebe.“

Kaum waren nun 1781 die Räuber im Drucke erschienen und, getragen von der allgemeinen Aufmerksamkeit, auch nach Graubünden gedrungen, als daselbst einige müßige Patrioten an dieser Stelle Anstoß nahmen und eine großartige Petition veranstalteten, in welcher die Regierung gebeten wurde, Einsprache gegen diese Unbilde zu erheben. Dieser Bitte wurde dann auch sofort entsprochen, und die Folge für Schiller war das oben erwähnte Verbot, seine belletristischen Producte drucken zu lassen, und der Befehl, jene Stelle abzuändern. Noch existirt in dem Staatsarchiv zu Chur die diesfällige Relation der Regierung an die „Ehrsamen Räthe und Gemeinden der Republik alt-fry Rhätien“: sie beginnt charakteristisch folgendermaßen: „Getreue, liebe Bundesgenossen! Ein gewißer wirtenbergischer Militär-Artzt, Namens Schieler, hat sich erfrecht, in einem Comödiantenstück unsere Republik als Athen (d. h. etwa sonderlich günstiges Land) der Räuber und Diebe zu qualificiren. Die Häupter der Republik haben daher“ etc. etc. – Es hätte vielleicht diese Notiz für einen weitern Leserkreis wenig Interesse, wenn sie nicht einen eigenthümlichen Beitrag zur Charakteristik Schiller’s liefern und einen neuen Zug in seinem Wesen hervorheben würde, dessen, irren wir nicht, bisher noch nirgends Erwähnung geschah. Wenn wir nämlich fragen, wie Schiller dazu kommen mochte, gerade das Graubündnerland mit dem schmeichelhaften Attribut eines „Athens der Räuber und Diebe“ zu belegen, so finden wir dafür durchaus keinen Grund, indem gerade im Gegentheil jene Gegenden sich von jeher der tiefsten Ruhe und Sicherheit erfreuten. Auch ein Zufall ist hier kaum denkbar, und so scheint uns denn am plausibelsten eine Ansicht zu sein, die unter der höhern Graubündner Gesellschaft gang und gäbe ist und derzufolge Schiller jene Stelle geschrieben haben soll, um sich für einige durch bündnerische Landeskinder ihm zugefügte Unbilden zu rächen. Es waren nämlich zugleich mit Schiller zwei junge adlige Graubündner, Herr von Salis und Herr von Pestalozzi, auf der hohen Carlsschule gewesen und hatten den etwas unbeholfenen und linkischen, weil immer in den Sphären der Poesie weilenden, jungen Mann derart mit Neckereien jeder Gattung verfolgt, daß Schiller ihnen Rache geschworen und dieselbe nach Dichterart nicht mit dem Degen, sondern mit der wirksamern Feder vollführt habe. Eine Bestätigung dieser Annahme finde ich in einer Stelle aus „Wallenstein“, wo in der zweiten Scene des fünften Actes Buttler zu den zögernden Hauptleuten Devereux und Macdonald sagt:

„Nun denn, so geht und schickt mir Pestalutzen.
Wenn Ihr’s verschmäht, es finden sich genug!“

und einige Zeilen weiter unten, wo von der Ermordung des Terzky und Illo die Rede ist:

 – – – – – – „dort wird man sie
bei Tafel überfallen, niederstoßen;
Der Pestalutz, der Leßly sind dabei.“

Pestalutz, wie der Name von Schiller’s Quälgeist in der schweizerischen Depravation lautet, ist auch hier gewiß nicht ohne Absicht gesetzt, und es ist charakteristisch, daß der Dichter noch zur Zeit der Abfassung des Wallenstein, also viele Jahre nach dem Austritt aus der hohen Karlsschule, sich so drastisch an die dort erlittenen Neckereien erinnerte, wenn wir auch daraus weniger auf Unversöhnlichkeit, als auf eine gewisse Schalkhaftigkeit schließen.




Up ewig ungedeelt! Es war eine wahre, heilige Herzenssache, für das ganze Deutschland, die Sache unserer schmählich geknechteten Brüder, und sie wird es auch, will’s Gott, im noch nicht beendeten Kampfe mit der Diplomatie bleiben. Die dunkle und doch von Opferfreudigkeit sonder Gleichen auch wieder hell durchleuchtete Zeit sechzehnjährigen Leidens, Hoffens und Kämpfens fest zu halten in Wort und Schrift zur Nacheiferung für die Enkel, erachten wir als eine Ehrenaufgabe des Schriftstellers und begrüßen darum mit Freude ein solches Werk, das, da es die Form eines Romans auf strenggeschichtlichem Boden festhält, zu einem wahren Volksbuch werden kann. Es ist das bereits in den ersten Theilen vorliegende und schnell seiner Vollendung in vier Bänden entgegengehende: „Up ewig ungedeelt“. Schleswig-Holstein 1848–1864. Roman aus der jüngsten Geschichte der Herzogthümer von Stanislaus Grafen Grabowski. – In frischer Darstellungsweise giebt der Verfasser die geschichtlichen Ereignisse in den Herzogthümern, anknüpfend an die ersten Befreiungskriege und mit Benutzung der besten Quellen. Wen das Schicksal selbst auf die Blut- und Siegesfelder geführt, der wird vielleicht auf diesem Schilderungsterrain die eigenen Fußstapfen wiederfinden, und wer fern davon jeder Kunde von dort mit warmer Theilnahme lauschte, sich lebhaft in die Scenerie hineinversetzt fühlen. So liegt das Buch – ein Stück unvergeßlichen Völkerlebens – vor uns, und was der Preis des Kampfes war und wie er errungen, dolmetscht die kostbare große künstlerisch ausgeführte Photographie, die der Verleger, Th. Lemke in Berlin, dem Werke – das übrigens einer solchen Zugabe nicht bedurft hätte, um einer guten Aufnahme sicher zu sein – beigegeben, das allegorische Kunstblatt: „Die Befreiung der gefesselten Herzogthümer.




Erklärung. In meinem Artikel „Mecklenburg in Thüringen“ (Gartenlaube Nr. 36) erzählte ich Seite 572 Spalte 2, daß ein mecklenburgischer Schulmeister auf einer Art von Kunstreise Fritz Reuter’sche Dichtungen öffentlich vorgelesen habe, und führte dabei wörtlich an: „In einer Residenz – ich glaube, in Schwerin war’s – wurden ihm sogar die Vorlesungen von Polizeiwegen verboten, weil dieselben dem Besuche des Theaters Abbruch thaten.“

Gegen diese letztere Aeußerung hat der Herr Bürgermeister A. Möller zu Schwerin in einer Zuschrift an die Redaction der Gartenlaube Verwahrung eingelegt. Er sagt in derselben:

„Es ist mir, der ich die Polizei in Schwerin verwalte, nicht gleichgültig, wenn in Ihrem weitverbreiteten Blatte der hiesigen Polizei ein solches höchst seltsames Verbot zur Last gelegt wird und eine solche Nachricht die Runde durch die Welt macht. Gestatten Sie mir deshalb die Versicherung, daß der referirte Vorfall hier in Schwerin überall nicht passirt ist etc.“ –

Die Redaction der Gartenlaube hat mir diese Zuschrift des Herrn Bürgermeister Möller zur Rückäußerung zugesandt.

Ich erkläre hiermit, daß ich unmittelbar nach dem Erscheinen meines Artikels, noch bevor das Schreiben des Herrn Bürgermeisters eingegangen war, von wohlunterrichteter kompetenter Seite darauf aufmerksam gemacht worden bin, daß jener von mir angeführte Vorfall thatsächlich vollkommen richtig, nur daß der Vorleser kein Schullehrer, sondern ein Musiklehrer, Namens Kräplin, aus Neustrelitz gewesen sei und die Geschichte nicht, wie ich glaubte, in Schwerin, sondern in Rostock, wo die Polizei vom Senator Blank(!!) verwaltet wird, sich zugetragen habe.

Auch ohne den Protest des Herrn Bürgermeister Möller würde ich daher Veranlassung genommen haben, zu berichtigen, daß der Vorgang, den ich, wenn auch nicht mit Sicherheit, nach Schwerin verlegt hatte, in Rostock stattgefunden habe. Jener Protest macht es mir jedoch zu einer Ehrenpflicht dem Herrn Bürgermeister Möller zu Schwerin öffentlich hiermit mein Bedauern auszudrücken, daß durch eine beiläufige Aeußerung in meinem Artikel seine Polizeiverwaltung einem so ungerechtfertigten Verdachte ausgesetzt worden.

Aber auch der Herr Bürgermeister Möller dürfte mir das Zugeständniß machen, daß ich mit der Mittheilung jenes Polizeiverbotes, das er selbst in seinem Schreiben als ein „höchst seltsames“ bezeichnet hat, nicht leichtsinniger Weise etwas Unglaubliches veröffentlicht habe. Die Mittheilung ist verbürgte Thatsache. Könnte man doch aus Mecklenburg noch weit unglaublichere Dinge erzählen, die dennoch leider den vollsten Glauben verdienen! –

Gotha, September 1864.

Ludwig Walesrode. 

Bei Ernst Keil in Leipzig ist erschienen:

Vögele der Maggid.


Eine Geschichte
aus dem
Leben einer kleinen jüdischen Gemeinde.
Von
A. Bernstein.
Preis in engl. Cartonnage 271/2 Ngr.

Zum ersten Male wird diese reizende Erzählung aus dem an poetischen Momenten so reichen jüdischen Leben, nach Composition und Abrundung ein wahres Kunstwerk, in einer vom Autor selbst besorgten neuen (dritten) Bearbeitung, gewissermaßen Uebertragung, auch dem großen deutschen Lesepublicum zugänglich gemacht. Es darf daher die sichere Hoffnung ausgesprochen werden, daß diese jüngste Schöpfung des berühmten Verfassers der Leitartikel in der Berliner „Volkszeitung“ nicht blos von israelitischen, sondern von den weitesten Kreisen unserer Lesewelt als eine hochwillkommene Gabe begrüßt werden wird.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 688. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_688.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)