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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Vertheidigt nun auch Dr. Siemens gegen Dr. Mohr die Isolationsfähigkeit der Gutta-Percha unter hohem Druck, belehrt er uns, daß schon seit mehreren Jahren die zu Tiefsee-Kabeln bestimmten isolirten weiter vor ihrer Einfügung in das Kabel unter einem hydraulischen Drucke von mindestens zweihundert Atmosphären geprüft werden, und beweist er aus der Erfahrung, daß der Leitungswiderstand der Gutta-Percha (von der er gegen Dr. Mohr behauptet, daß sie ein elastischer und nicht poröser Körper sei) sich mit zunehmendem Drucke sogar wesentlich vergrößert, daß also das Kabel, wenn es, gesund auf dem wenn auch noch so tiefen Meeresgrunde angekommen, dort ruhig und sicher läge, auch seinen Dienst verrichten müßte: – so giebt doch selbst diese Autorität in der unterseeischen Telegrapbie Zweierlei zu: 1) die Gefahr, welcher die Haltbarkeit des Kabels durch den großen Zug beim Verlassen der letzten Rolle, der natürlich mit der Tiefe zunimmt, ausgesetzt ist, und 2) die Gefahr, welche die unbekannten Bodenverhältnisse für das Kabel herbeiführen können.

I. Bauer’s Kabelstation im Durchschnitt und an der Oberfläche der See.

Diese beiden Gefahren, von denen, wenn auch die erste durch die Mittel der Technik gemildert würde, die zweite, nach Werner Siemens’ entschiedenem Ausspruch, das Kabel kurze Zeit nach der Legung wieder vernichten kann, sie waren der Anziehungspunkt für Wilhelm Bauer zur Telegraphie, sie regten ihn an, sich mit allen Theilen der großen Erfindung gründlich bekannt zu machen und unter den Mitteln seiner unterseeischen Schifffahrt und Schiffhebung die zur möglichsten Sicherung des Kabels vor beiden Gefahren geeigneten für dieselbe verwendbar zu machen.

Wilhelm Bauer entwirft ein sehr lebhaftes Bild von dem großen, die Continente trennenden Feind des Kabels mit seinem Wogen und Branden, seinem tief verborgenen Schatz von Feuerbergen, seinen vulcanischen Eruptionen, elektrischen Zuckungen, wandelnden Geröllen und Sandwüsten, seinen Pflanzen von edelster bis zu phantastischer Gestalt, seinen Thieren von unüberwindlicher Kraft bis zu den unbehülflichsten Polypen. Und zwischen diesem Allen liegt in oft ungemessener Tiefe das Kabel. Welchen Gefahren ist es preisgegeben! Es kann von Sand verdeckt, tief darin begraben, es kann von Felsrutschungen überschüttet, an Stellen zerquetscht, von heißen Quellen des isolirenden Gutta-Perchas beraubt werden, aber noch verderblicher können lebende Wesen und Pflanzen für dasselbe sein. Man kennt Seekrebse und Seespinnen von oft zwei bis drei Fuß Größe, die mit ihren Scheeren nicht blos den Saft aus den Pflanzen pressen, sondern auch mächtige Barrikaden, die der Richtung ihres Laufs entgegenstehen, durchschneiden und denen es nicht schwer fallen kann, ihre Preß-, Saug-, Schneid-, Aetz- und anderen Instrumente auch an einem Kabelstrang zu üben. Aus 16,000 Fuß Tiefe ist bei Lothungen unweit Island ein lebender Seestern gezogen worden; und sollte wirklich der Riesenpolyp des Capitän Roß ein Verwandter der verlachten Seeschlange sein? Noch heute ist die Schilderung von Schiller’s Taucher von den Ungeheuern des Meeres nicht widerlegt, und der Mensch soll sein wichtigstes Werk für Förderung des Verkehrs, des Völkerwohlstands, der Humanität und Freiheit nicht in Tiefen versenken, wohin er nicht selbst vordringen, wo er es nicht überwachen und beschützen kann.

Von Wilhelm Bauer’s Erfindungen würden für das Seekabel zunächst drei in Anwendung kommen: seine Taucherkammer, seine Ballons und sein selbstschreibendes Loth. Das Kabel soll nicht tiefer als etwa zweihundert Fuß versenkt werden. In dieser Tiefe wird es getragen von einer Reihe Metallballons, die alle Vorrichtungen der Gutta-Percha und Segelleinwand-Ballons haben, mit welchen Bauer das baierische Postdampfschiff Ludwig aus dem Bodensee hob. Bei jener Schiffhebung wurden, nachdem das Schiff aus der Verschlammung des Bodens losgerissen war, während der Weiterhebung jeden Abend die Ballons, welche die siebentausend Centnerschwere desselben trugen, durch Entlassen von Luft so tief versenkt, als Bauer für nöthig hielt, um Ballons und Schiff gegen den Wogenschlag etwaiger Stürme der Nacht zu schützen: am Morgen wurden die Ballons mittelst der Luftpumpe wieder gefüllt und hoben sich dadurch wieder auf ihre vorige Stellung. Die Sicherheit in der Behandlung solcher Ballons ist also erwiesen. Das Legen des Kabels würde allerdings zeitraubender sein, als das bisherige Hinabrollenlassen in die unbekannten Tiefen und – Schicksale; da in Tiefen von zweihundert Fuß kein Helmtaucher mehr anzuwenden ist, weil keine Menschenlunge den Druck einer solchen Wassersäule erträgt, so würde der Taucherkammer

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 668. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_668.jpg&oldid=- (Version vom 28.10.2022)