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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

auch zu leblosen Wesen in eine Art von Anhänglichkeitsverhältniß treten können, denn man hörte aus den Erläuterungen des Obermaschinenmeisters heraus, daß das leblose Räder- und Walzenwerk, dessen einförmige Bewegungen tagtäglich an seine Aufmerksamkeit und an die seiner fünf Gehülfen dieselben Anforderungen machen, einen Theil seines Wesens ausfüllen, daß er mit Leib und Seele seiner Thätigkeit obliegt. Mit liebenswürdiger Bereitwilligkeit und Selbstzufriedenheit zeigte er mir seine Drehbank und Werkzeuge, vermittelst welcher er kleine Reparaturen an den Maschinen vornimmt; führte mich in den Raum neben dem großen Maschinensaale, in welchem zwei Dampfmaschinen, eine liegende und eine stehende, abwechselnd den Dienst versehen, um die sämmtlichen Maschinen des Gebäudes, zu denen auch mehrere in dem „Kleinen Maschinensaal“ befindliche Accidenz-Druckmaschinen gehören, im Gang zu halten; ließ mich einen flüchtigen Blick in die Räumlichkeit thun, in welcher noch mit sieben Handpressen aus „guter alter Zeit“ kleinere Drucksachen hergestellt werden, und theilte mir schließlich mit, daß die Kölnische Zeitung noch zwei neue große Maschinen anfertigen ließe, und zwar nach einer von ihm, dem Obermaschinenmeister, selbst erfundenen Construction, welche den Ansprüchen an Schnelligkeit, die durch das stete Wachsen der Auflage des Blattes mehr und mehr bedingt wird, bei Weitem besser entsprechen würde. Ob die großen Leipziger und Berliner Buchdruckereien an Umfang der Leistungen die Druckerei der Kölnischen Zeitung noch übertreffen, vermag ich nicht zu entscheiden, da ich dieselben nicht specieller kenne.

Vergegenwärtigen wir uns nun, nach Beendigung unseres Rundgangs, noch einmal alle die größeren und kleineren Manipulationen, welche tagtäglich zwei Mal zur Fertigstellung des Ersten und Zweiten Blattes, oft sogar, wenn drei Blätter erscheinen, drei Mal mit der Pünktlichkeit eines Riesenuhrwerks vor sich gehen, und erwägen wir alsdann, daß nur etwas mehr als zwei Stunden dazu erforderlich sind, bis der kaum geborene Gedanke flügge geworden ist und seinen Flug in alle Welt nimmt: so bleiben wir, trotz der genauen Kenntnißnahme der Ursachen dieser Erscheinung, dennoch in einem Staunen befangen über die gegenwärtige Leistungsfähigkeit der Presse. Wäre es dem menschlichen Geiste gegeben, bei dem, was ihm imponirend entgegentritt, sich all’ die einzelnen Factoren sofort zu vergegenwärtigen, deren es bedurfte, um im langen Laufe der Zeit aus rohen Anfängen das zu schaffen, was uns nur deshalb staunenerregend entgegentritt, weil wir es abgesondert von seinen einzelnen Stadien der Entwicklung wie eine reife Frucht vor uns liegen sehen, so würde natürlich keine, auch noch so gewaltige Erscheinung etwas Imponirendes für uns haben; aber eine gewisse Lässigkeit unserer Natur läßt die Meisten genügsam bei der äußeren Erscheinung verweilen, während es doch gerade bei Leistungen, wie die eben geschilderten, nahe liegt, auch diejenigen historischen Vorgänge einmal in’s Auge zu fassen, welche dieselben allmählich nicht nur möglich machten, sondern zur Nothwendigkeit reifen ließen. Eine eingehende Behandlung dieses Gegenstandes hieße jedoch eine Geschichte der Kölnischen Zeitung schreiben, und, da die Presse überhaupt im weitesten Sinne die hohe, freilich oft genug verkannte Aufgabe verfolgt, welche Hamlet für den Schauspieler in Anspruch nimmt: „dem Jahrhundert und Körper der Zeit den Abdruck seiner Gestalt zu zeigen, der Tugend ihre eigenen Züge, der Schmach ihr eigenes Bild vorzuhalten,“ mithin der treueste Spiegel der Zeitereignisse ist, mit deren Schwankungen ihre Existenz auf’s Innigste zusammenhängt: so müßten zum Wenigsten alle wichtigeren historischen Ereignisse und Zustände mit in den Kreis unserer Betrachtungen gezogen werden, eine Ausgabe, welche in unserem Falle, da die Entstehung der Kölnischen Zeitung in das Jahr 1763 fällt, fast gleichbedeutend mit einer Geschichte der letzten hundert Jahre sein würde. So interessant und verlockend diese Aufgabe aber auch für den Eingeweihteren sein mag und so ersprießlich ihre Lösung für den Journalismus insbesondere werden könnte – wir müssen uns hier auf die folgenden, uns freundlichst gemachten kurzen Mittheilungen beschränken.

Als Vorfahr der „Kölnischen Zeitung“ ist die „Kaiserliche Reichsoberpostamts-Zeitung“ anzusehen, deren erste Nummer am 1. Januar 1763 „mit Seiner Römisch-Kaiserlichen Majestät allergnädigstem Privilegio“ in Köln herauskam. Diese Zeitung wurde von der Thurn und Taxis’schen Zeitungs-Expedition verlegt und in der Schauberg’schen, etwa seit 1720 in Köln bestehenden Buchdruckerei gedruckt. Es war mir interessant, einen Blick auf die vergilbten Blätter eines der Jahrgänge jener Zeitschrift zu thun, welche in gebundenen Exemplaren den langen Reigen der folgenden, wie der Schatten am Abend immer größer und größer werdenden Bände eröffnen und in einem der Correctorenzimmer aufgestellt sind. Der mir vorgelegte Band in klein Octav nimmt sich allerdings komisch genug aus, mit einem der letzten Jahrgange verglichen, und legt ein Zeugniß ab von den bescheidenen Ansprüchen, welche man vor hundert Jahren an den Journalismus machte. Freilich standen demselben damals noch nicht alle die großartigen Mittel zu Gebote, über welche er heutzutage verfügen kann: das Eisenbahn- und Telegraphenwesen lag noch „weit in nebelgrauer Ferne“; die Verbindung zwischen den nächsten Nachbarländern, ja, zwischen den Nachbarstädten war eine durchaus langsame, vielfach mangelhafte, und man mußte es als eine besondere Gunst des Glückes betrachten, wenn die wichtigsten Tagesbegebenheiten mit einer gewissen Regelmäßigkeit in die größere Oeffentlichkeit gelangten. In Betreff des Schneckenganges der Posten führe ich beispielsweise nur an, daß im Jahre 1771 ein aus Berlin vom 25. December 1770 datirter Brief erst am 1. Januar den Lesern der Kaiserlichen Reichsoberpostamts-Zeitung zu Gesicht kam; unter demselben Datum erschienen Briefe aus Hamburg, datirt vom 24., aus Turin vom 12. December und aus Constantinopel sogar vom 17. November. Einen seltsamen Begriff vom damaligen Handel und Wandel liefert der Umstand, daß in der bezeichneten Nummer der wöchentlich vier Mal erscheinenden Zeitung nur eine einzige kleine Anzeige enthalten ist.

Die Existenz der Reichs-Ober-Post-Amts-Zeitung dauerte nur bis 1791, in welchem Jahre die Franzosen sich des linken Rheinufers bemächtigten und, unbekümmert um das Privilegium des deutschen Kaisers Maximilian, eine französische Post errichteten. An die Stelle jenes Blattes mit dem langathmigen Titel trat nun eine von mehreren Thurn und Taxis’schen Postbeamten für eigene Rechnung verlegte, zuletzt von Franz Köntgen bei Schauberg’s Erben gedruckte „Kölnische Zeitung“, welche jedoch schon in dem „Beobachter“, dem „Verkündiger“, dem „Welt- und Staats-Boten“ und in dem „Journal général de politique, de littérature et de commerce“ vier in Köln bestehende Concurrenten hatte.

Im Jahre 1802 wurde diese „Kölnische Zeitung“, die nur einige Mal wöchentlich ausgegeben wurde, Eigenthum der Erben Schauberg und des Hrn. Nicolaus Du-Mont. Charakteristisch sind die Bedingungen des betreffenden Uebergangs-Vertrages. Köntgen, ein damals schon nicht mehr junger Mann, hatte auf Lebenslang zwei Kronenthaler monatlich zu erhalten; sollte die Zahl der Abonnenten auf 400 steigen, so wurde ihm ein halber Kronenthaler für den Monat mehr zugesichert, In demselben Jahre übertrug Nicolaus Du-Mont seinen Antheil an die Erben Schauberg, und 1805 ging für die Summe von 1400 kölnischen Reichsthalern das Eigenthum der Schauberg’schen Druckerei und der Zeitung an Marcus Du-Mont und dessen Gattin Katharina Schauberg über und nahm bald einen bedeutenden Aufschwung, ward aber 1809 von Napoleon unterdrückt, da der Gewalthaber in jedem Departement nur Eine Zeitung, und zwar eine Regierungs-Zeitung, dulden wollte. Allein so kräftig wußte Marcus Du-Mont, gestützt auf seine Rechtskenntnisse, seine Eigenthumsrechte zu vertheidigen, daß der Kaiser sie selbst anerkannte, ihm zum Ersatz ein Jahrgeld von viertausend Franken auswarf und ihm außerdem gestattete, ein Anzeigeblatt nebst dem „Mercure de la Roër“ (Ruhr) herauszugeben.

Kaum aber hatte die schmähliche Fremdherrschaft ihr Ende erreicht, als Tags darauf, nachdem die Franzosen aus Köln abgezogen, am 16. Februar 1814, der echt deutsch gesinnte Marcus Du-Mont freudenvoll seine Kölnische Zeitung wieder herausgab. Er wandte derselben seine ganze Thätigkeit zu und erwarb ihr besonders durch das literarische Beiblatt einen geachteten Namen.

Marcus Du-Mont starb gegen Ende des Jahres 1831. Wenige Wochen nach dessen Tode übernahm sein Sohn Joseph, erst zwanzig Jahre alt, die Leitung der Kölnischen Zeitung. Strebsam und verständig, wie er war, wandte er alle Sorge darauf, dieselbe nach allen Richtungen zu erweitern. Seit dem 1. April 1829 war sie sechs Mal wöchentlich erschienen und nahm bald darauf ihren ersten größeren Aufschwung, als die Juli-Revolution 1830 dem Blatte Gelegenheit bot, die Ereignisse in Frankreich dem Osten zuerst zu verkündigen, während das politische

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 755. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_755.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2020)