Hamlet/Dritter Aufzug

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Zur Navigation springen Zur Suche springen
« Zweiter Aufzug Hamlet Vierter Aufzug »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Erste Scene.

[430]

Ein Zimmer in dem Schlosse. (Der König, die Königin, Polonius, Ophelia, Rosenkranz und Güldenstern.)
König. Und lockt ihm keine Wendung des Gesprächs
Heraus, warum er die Verwirrung anlegt,
Die seiner Tage Ruh so wild zerreißt
Mit stürmischer, gefährlicher Verrücktheit?

Rosenkranz. Er gibt es zu, er fühle sich verstört;
Allein wodurch, will er durchaus nicht sagen.

Güldenstern. Noch bot er sich der Prüfung willig dar,
Hielt sich vielmehr mit schlauem Wahnwitz fern,
Wenn wir ihn zum Geständnis bringen wollten
Von seinem wahren Zustand.

Königin. Und wie empfing er euch?

Rosenkranz.  Ganz wie ein Weltmann.

Güldenstern. Doch that er seiner Fassung viel Gewalt.

Rosenkranz. Mit Fragen karg, allein auf unsre Fragen
Freigebig mit der Antwort.

Königin.  Ludet ihr
Zu irgend einem Zeitvertreib ihn ein?

Rosenkranz. Es traf sich grade, gnäd’ge Frau, daß wir
Schauspieler unterweges eingeholt.
Wir sagten ihm von diesen, und es schien,
Er hörte das mit einer Art von Freude.
Sie halten hier am Hof herum sich auf,
Und haben, wie ich glaube, schon Befehl,
Zu Nacht vor ihm zu spielen.

Polonius.  Ja, so ist’s,
Und mich ersucht’ er, Eure Majestäten
Zum Hören und zum Sehn des Dings zu laden.

König. Von ganzem Herzen, und es freut mich sehr,
Daß er sich dahin neigt.
Ihr lieben Herrn, schärft seine Lust noch ferner,
Und treibt ihn zu Ergötzlichkeiten an.

Rosenkranz. Wir wollen’s, gnäd’ger Herr.
     (Rosenkranz und Güldenstern ab.)

König. Verlaß uns, liebe Gertrud, ebenfalls.
Wir haben Hamlet heimlich herbestellt,
Damit er hier Ophelien wie durch Zufall
Begegnen mag. Ihr Vater und ich selbst,
Wir wollen so uns stellen, daß wir sehend,
Doch ungesehn, von der Zusammenkunft
Gewiß urteilen und erraten können,
Ob’s seiner Liebe Kummer ist, ob nicht,
Was so ihn quält.

Königin. Ich werde euch gehorchen.
Was euch betrifft, Ophelia, wünsch’ ich nur,
Daß eure Schönheit der beglückte Grund
Von Hamlets Wildheit sei: dann darf ich hoffen,
Daß eure Tugenden zurück ihn bringen
Auf den gewohnten Weg, zu beider Ehre.

Ophelia. Ich wünsch’ es, gnäd’ge Frau. (Königin ab.)

Polonius. Geht hier umher, Ophelia. – Gnädigster,
Laßt Platz uns nehmen. – (Zu Ophelia.) Lest in diesem Buch,
Daß solcher Uebung Schein die Einsamkeit
Bemäntle. – Wir sind oft hierin zu tadeln –
– Gar viel erlebt man’s – mit der Andacht Mienen
Und frommem Wesen überzuckern wir
Den Teufel selbst.

König. (beiseite.) O allzuwahr! wie trifft
Dies Wort mit scharfer Geißel mein Gewissen!
Der Metze Wange, schön durch falsche Kunst,
Ist häßlicher bei dem nicht, was ihr hilft,
Als meine That bei meinem glattsten Wort.
O schwere Last!

Polonius. Ich hör’ ihn kommen; zieh’n wir uns zurück.
     (König und Polonius ab. Hamlet tritt auf.)

Hamlet. Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage:
Ob’s edler im Gemüt, die Pfeil’ und Schleudern
Des wütenden Geschicks erdulden, oder
Sich waffnend gegen eine See von Plagen,
Durch Widerstand sie enden. Sterben – schlafen –
Nichts weiter! – und zu wissen, daß ein Schlaf
Das Herzweh und die tausend Stöße endet,
Die unsers Fleisches Erbteil – ’s ist ein Ziel
Aufs innigste zu wünschen. Sterben – schlafen –

[431]
Schlafen! Vielleicht auch träumen! – Ja, da liegt’s:

Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen,
Wenn wir den Drang des Ird’schen abgeschüttelt,
Das zwingt uns still zu stehn. Das ist die Rücksicht,
Die Elend läßt zu hohen Jahren kommen.
Denn wer ertrüg’ der Zeiten Spott und Geißel,
Des Mächt’gen Druck, des Stolzen Mißhandlungen,
Verschmähter Liebe Pein, des Rechtes Aufschub,
Den Uebermut der Aemter, und die Schmach,
Die Unwert schweigendem Verdienst erweist,
Wenn er sich selbst in Ruhstand setzen könnte
Mit einer Nadel bloß? Wer trüge Lasten,
Und stöhnt’ und schwitzte unter Lebensmüh’?
Nur daß die Furcht vor etwas nach dem Tod –
Das unentdeckte Land, von dess’ Bezirk
Kein Wandrer wiederkehrt – den Willen irrt,
Daß wir die Uebel, die wir haben, lieber
Ertragen, als zu unbekannten fliehn.
So macht Gewissen Feige aus uns allen;
Der angebornen Farbe der Entschließung
Wird des Gedankens Blässe angekränkelt;
Und Unternehmungen voll Mark und Nachdruck
Durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt,
Verlieren so der Handlung Namen. – Still!
Die reizende Ophelia. – Nymphe, schließ
In dein Gebet all meine Sünden ein.

Ophelia. Mein Prinz, wie geht es euch seit so viel Tagen?

Hamlet. Ich dank’ euch unterthänig; wohl.

Ophelia. Mein Prinz, ich hab von euch noch Angedenken,
Die ich schon längst begehrt zurückzugeben.
Ich bitt’ euch, nehmt sie jetzo.

Hamlet.  Nein, ich nicht;
Ich gab euch niemals was.

Ophelia. Mein teurer Prinz, ihr wißt gar wohl, Ihr thatet’s,
Und Worte süßen Hauchs dabei, die reicher
Die Dinge machten. Da ihr Duft dahin,
Nehmt dies zurück: dem edleren Gemüte
Verarmt die Gabe mit des Gebers Güte.
Hier, gnäd’ger Herr.

Hamlet. Ha, ha! Seid ihr tugendhaft?

Ophelia. Gnädiger Herr?

Hamlet. Seid ihr schön?

Ophelia. Was meint Eure Hoheit?

Hamlet. Daß, wenn ihr tugendhaft und schön seid, eure Tugend keinen Verkehr mit eurer Schönheit pflegen muß.

Ophelia. Könnte Schönheit wohl bessern Umgang haben als mit der Tugend?

Hamlet. Ja freilich: denn die Macht der Schönheit wird eher die Tugend in eine Kupplerin verwandeln, als die Kraft der Tugend die Schönheit sich ähnlich machen kann. Dies war ehedem paradox, aber nun bestätigt es die Zeit. Ich liebte euch einst.

Ophelia. In der That, mein Prinz, ihr machtet mich’s glauben.

Hamlet. Ihr hättet mir nicht glauben sollen: denn Tugend kann sich unserm alten Stamm nicht so einimpfen, daß wir nicht einen Geschmack von ihm behalten sollten. Ich liebte euch nicht.

Ophelia. Um so mehr wurde ich betrogen.

Hamlet. Geh in ein Kloster. Warum wolltest du Sünder zur Welt bringen? Ich bin selbst leidlich tugendhaft; dennoch könnt’ ich mich solcher Dinge anklagen, daß es besser wäre, meine Mutter hätte mich nicht geboren. Ich bin sehr stolz, rachsüchtig, ehrgeizig; ich habe mehr Vergehungen auf dem Rücken, als ich Gedanken habe sie zu hegen, Einbildungskraft ihnen Gestalt zu geben, oder Zeit sie auszuführen. Wozu sollen solche Gesellen wie ich zwischen Himmel und Erde herumkriechen? Wir sind ausgemachte Schurken, alle: trau keinem von uns! Geh deines Wegs zum Kloster! Wo ist euer Vater?

Ophelia. Zu Hause, gnädiger Herr.

Hamlet. Laßt die Thür hinter ihm abschließen, damit er den Narren nirgends anders spielt als in seinem eignen Hause. Leb wohl.

Ophelia. O hilf ihm, güt’ger Himmel!

Hamlet. Wenn du heiratest, so gebe ich dir diesen Fluch zur Aussteuer: sei so keusch wie Eis, so rein wie Schnee, du wirst der Verleumdung nicht entgehn. Geh in ein Kloster! leb wohl! Oder willst du durchaus heiraten, nimm einen Narren; denn gescheite Männer wissen allzu gut, was ihr für Ungeheuer aus ihnen macht. In ein Kloster! geh! und das schleunig. Leb wohl.

Ophelia. Himmlische Mächte, stellt ihn wieder her!

Hamlet. Ich weiß auch von euren Malereien Bescheid, recht gut. Gott hat euch ein Gesicht gegeben, und ihr macht euch ein andres; ihr schlendert, ihr trippelt, und ihr lispelt, und gebt Gottes Kreaturen verhunzte Namen, und stellt euch aus Leichtfertigkeit unwissend. Geht mir! nichts weiter davon! es hat mich toll gemacht. Ich sage, wir wollen nichts mehr von Heiraten wissen: wer schon verheiratet ist, alle außer einem, soll das Leben behalten; die übrigen sollen bleiben, wie sie sind. In ein Kloster! geh!
     (Hamlet ab.)

Ophelia. O, welch ein edler Geist ist hier zerstört!
Des Hofmanns Auge, des Gelehrten Zunge,
Des Kriegers Arm, des Staates Blum’ und Hoffnung,
Der Sitte Spiegel und der Bildung Muster,
Das Merkziel der Betrachter: ganz, ganz hin!
Und ich, der Fraun elendeste und ärmste,
Die seiner Schwüre Honig sog, ich sehe
Die edle, hochgebietende Vernunft
Mißtönend wie verstimmte Glocken jetzt;
Dies hohe Bild, die Züge blüh’nder Jugend,
Durch Schwärmerei zerrüttet: weh mir, wehe!
Daß ich sah, was ich sah, und sehe, was ich sehe.
     (Der König und Polonius treten wieder vor.)

König. Aus Liebe? Nein, sein Hang geht dahin nicht,
Und was er sprach, obwohl ein wenig wüst,
War nicht wie Wahnsinn. Ihm ist was im Gemüt,
Worüber seine Schwermut brütend sitzt;
Und wie ich sorge, wird die Ausgeburt
Gefährlich sein. Um dem zuvorzukommen,
Hab’ ich’s mit schleuniger Entschließung so
Mir abgefaßt. Er soll in Eil nach England,
Den Rückstand des Tributes einzufordern.
Vielleicht vertreibt die See, die neuen Länder,
Samt wandelbaren Gegenständen ihm
Dies Etwas, das in seinem Herzen steckt,
Worauf sein Kopf beständig hinarbeitend,
Ihn so sich selbst entzieht. Was dünket euch?

Polonius. Es wird ihm wohl thun; aber dennoch glaub’ ich,
Der Ursprung und Beginn von seinem Gram
Sei unerhörte Liebe. – Nun, Ophelia?
Ihr braucht uns nicht zu melden, was der Prinz
Gesagt; wir hörten alles. – Gnäd’ger Herr,
Thut nach Gefallen; aber dünkt’s euch gut.
So laßt doch seine königliche Mutter
Ihn nach dem Schauspiel ganz allein ersuchen,
Sein Leid ihr kund zu thun! sie gehe rund
Mit ihm heraus: ich will, wenn’s euch beliebt,
Mich ins Gehör der Unterredung stellen.
Wenn sie es nicht herausbringt, schickt ihn dann

[432]
Nach England, oder schließt ihn irgendwo

Nach eurer Weisheit ein.

König.  Es soll geschehn;
Wahnsinn bei Großen darf nicht ohne Wache gehn.
     (Alle ab.)

Zweite Scene.

Ein Saal im Schlosse. (Hamlet und einige unkostümirte Schauspieler treten auf.)
Hamlet. Seid so gut und haltet die Rede, wie ich sie euch vorsagte, leicht von der Zunge weg; aber wenn ihr den Mund so voll nehmt, wie viele unsrer Schauspieler, so möchte ich meine Verse eben so gern von dem Ausrufer hören. Sägt auch nicht zu viel mit den Händen durch die Luft, so – sondern behandelt alles gelinde. Denn mitten in dem Strom, Sturm und, wie ich sagen mag, Wirbelwind eurer Leidenschaft müßt ihr euch eine Mäßigung zu eigen machen, die ihr Geschmeidigkeit gibt. O, es ärgert mich in der Seele, wenn solch ein handfester haarbuschiger Geselle eine Leidenschaft in Fetzen, in rechte Lumpen zerreißt, um den Gründlingen im Parterre in die Ohren zu donnern, die meistens von nichts wissen, als verworrnen stummen Pantomimen und Lärm. Ich möchte solch einen Kerl für sein Bramarbasiren prügeln lassen: es übertyrannt den Tyrannen. Ich bitte euch, vermeidet das.

Erster Schauspieler. Eure Hoheit kann sich darauf verlassen.

Hamlet. Seid auch nicht allzu zahm, sondern laßt euer eignes Urteil euren Meister sein: paßt die Geberde dem Wort, das Wort der Geberde an; wobei ihr sonderlich darauf achten müßt, niemals die Bescheidenheit der Natur zu überschreiten. Denn alles, was so übertrieben wird, ist dem Vorhaben des Schauspiels entgegen, dessen Zweck sowohl anfangs als jetzt war und ist, der Natur gleichsam den Spiegel vorzuhalten; der Tugend ihre eignen Züge, der Schmach ihr eignes Bild, und dem Jahrhundert und Körper der Zeit den Abdruck seiner Gestalt zu zeigen. Wird dies nun übertrieben oder schwach vorgestellt, so kann es zwar den Unwissenden zum Lachen bringen, aber den Einsichtsvollen muß es verdrießen; und der Tadel von einem solchen muß in eurer Schätzung ein ganzes Schauspielhaus voll von andern überwiegen. O, es gibt Schauspieler, die ich habe spielen sehen und von andern preisen hören, und das höchlich, die, gelinde zu sprechen, weder den Ton noch den Gang von Christen, Heiden oder Menschen hatten, und so stolzirten und blökten, daß ich glaubte, irgend ein Handlanger der Natur hätte Menschen gemacht, und sie wären ihm nicht geraten; so abscheulich ahmten sie die Menschheit nach.

Erster Schauspieler. Ich hoffe, wir haben das bei uns so ziemlich abgestellt.

Hamlet. O, stellt es ganz und gar ab! Und die bei euch die Narren spielen, laßt sie nicht mehr sagen, als in ihrer Rolle steht: denn es gibt ihrer, die selbst lachen, um einen Haufen alberne Zuschauer zum Lachen zu bringen, wenn auch zu derselben Zeit irgend ein notwendiger Punkt des Stückes zu erwägen ist. Das ist schändlich und beweist einen jämmerlichen Ehrgeiz an dem Narren, der es thut. Geht, macht euch fertig. (Schauspieler ab.)
     (Polonius, Rosenkranz und Güldenstern kommen.)
Nun, Herr, will der König dies Stück Arbeit anhören?

Polonius. Ja, die Königin auch, und das sogleich.

Hamlet. Heißt die Schauspieler sich eilen. (Polonius ab.)
Wollt ihr beide sie treiben helfen?

Rosenkranz. und Güldenstern. Ja, gnäd’ger Herr.
     (Beide ab.)

Hamlet. He! Horatio! (Horatio kommt.)

Horatio Hier, lieber Prinz, zu eurem Dienst.

Hamlet. Du bist grad ein so wackrer Mann, Horatio,
Als je mein Umgang einem mich verbrüdert.

Horatio. Mein bester Prinz –

Hamlet.  Nein, glaub nicht, daß ich schmeichle.
Was für Befördrung hofft’ ich wohl von dir,
Der keine Rent’ als seinen muntern Geist
Um sich zu nähren und zu kleiden hat?
Weswegen doch dem Armen schmeicheln? Nein,
Die Honigzunge lecke dumme Pracht,
Es beuge sich des Knies gelenke Angel,
Wo Kriecherei Gewinn bringt. Hör mich an.
Seit meine teure Seele Herrin war
Von ihrer Wahl, und Menschen unterschied,
Hat sie dich auserkoren. Denn du warst,
Als littst du nichts, indem du alles littest;
Ein Mann, der Stöß’ und Gaben vom Geschick
Mit gleichem Dank genommen: und gesegnet,
Wess’ Blut und Urteil sich so gut vermischt,
Daß er zur Pfeife nicht Fortunen dient,
Den Ton zu spielen, den ihr Finger greift.
Gebt mir den Mann, den seine Leidenschaft
Nicht macht zum Sklaven, und ich will ihn hegen
Im Herzensgrund, ja in des Herzens Herzen,
Wie ich dich hege. – Schon zu viel hievon.
Es gibt zu Nacht ein Schauspiel vor dem König;
Ein Auftritt kommt darin dem Umstand nah,
Den ich von meines Vaters Tod dir sagte.
Ich bitt’ dich, wenn du das im Gange siehst,
So achte mit der ganzen Kraft der Seele
Auf meinen Oheim: wenn die verborgne Schuld
Bei einer Rede nicht zum Vorschein kommt,
So ist’s ein höll’scher Geist, den wir gesehn,
Und meine Einbildungen sind so schwarz
Wie Schmiedezeug Vulkans. Bemerk ihn recht,
Ich will an sein Gesicht mein Auge klammern,
Und wir vereinen unser Urteil dann
Zur Prüfung seines Aussehns.

Horatio.  Gut, mein Prinz;
Wenn er was stiehlt, indes das Spiel gespielt wird,
Und schlüpfet durch, so zahl’ ich für den Diebstahl.

Hamlet. Man kommt zum Schauspiel, ich muß müßig sein.
Wählt einen Platz. (Ein dänischer Marsch. Trompetenstoß.)
(Der König, die Königin, Polonius, Ophelia, Rosenkranz, Güldenstern und andere.)

König. Wie lebt unser Vetter Hamlet?

Hamlet. Vortrefflich, mein Treu: von dem Chamäleonsgericht. Ich esse Luft, ich werde mit Versprechungen gestopft: so kann man Kapaunen nicht besser mästen.

König. Ich habe nichts mit dieser Antwort zu schaffen, Hamlet; dies sind meine Worte nicht.

Hamlet. Meine auch nicht mehr. (Zu Polonius.) Ihr spieltet einmal auf der Universität, Herr? Sagtet ihr nicht so?

Polonius. Das that ich, gnädiger Herr, und wurde für einen guten Schauspieler gehalten.

Hamlet. Und was stelltet ihr vor?

Polonius. Ich stellte den Julius Cäsar vor: ich ward auf dem Kapitol umgebracht; Brutus brachte mich um.

Hamlet. Es war brutal von ihm, ein so kapitales Kalb umzubringen. – Sind die Schauspieler fertig?

Rosenkranz. Ja, gnädiger Herr, sie erwarten euren Befehl.

Königin. Komm hieher, lieber Hamlet, setz dich zu mir.

Hamlet. Nein, gute Mutter, hier ist ein stärkerer Magnet.

Polonius. (zum Könige.) Oho, hört ihr das wohl?

[433]
Hamlet. Fräulein, soll ich in eurem Schoße liegen?

(Setzt sich zu Opheliens Füßen.)

Ophelia. Nein, mein Prinz.

Hamlet. Ich meine den Kopf auf euren Schoß gelehnt.

Ophelia. Ja, mein Prinz.

Hamlet. Denkt ihr, ich hätte erbauliche Dinge im Sinne?

Ophelia. Ich denke nichts.

Hamlet. Ein schöner Gedanke, zwischen den Beinen eines Mädchens zu liegen.

Ophelia. Was ist, mein Prinz?

Hamlet. Nichts.

Ophelia. Ihr seid aufgeräumt.

Hamlet. Wer? ich?

Ophelia. Ja, mein Prinz.

Hamlet. O, ich reiße Possen wie kein andrer. Was kann ein Mensch Besseres thun, als lustig sein? Denn seht nur, wie fröhlich meine Mutter aussieht, und doch starb mein Vater vor noch nicht zwei Stunden.

Ophelia. Nein, vor zweimal zwei Monaten, mein Prinz.

Hamlet. So lange schon? Ei, so mag der Teufel schwarz gehen: ich will einen Zobelpelz tragen. O Himmel! Vor zwei Monaten gestorben und noch nicht vergessen! So ist Hoffnung da, daß das Andenken eines großen Mannes sein Leben ein halbes Jahr überleben kann. Aber, bei unsrer lieben Frauen! Kirchen muß er stiften, sonst denkt man nicht an ihn, es geht ihm wie dem Steckenpferde, dessen Grabschrift ist:
 „Denn o! denn o!
 Vergessen ist das Steckenpferd.“
(Trompeten, hierauf die Pantomime.) – (Ein König und eine Königin treten auf, sehr zärtlich: die Königin umarmt ihn, und er sie. Sie kniet und macht gegen ihn die Geberden der Beteuerung. Er hebt sie auf, und lehnt den Kopf an ihre Brust; er legt sich auf ein Blumenbett nieder, sie verläßt ihn, da sie ihn eingeschlafen sieht. Gleich darauf kommt ein Kerl herein, nimmt ihm die Krone ab küßt sie, gießt Gift in die Ohren des Königs und geht ab. Die Königin kommt zurück, findet den König tot, und macht leidenschaftliche Geberden. Der Vergifter kommt mit zwei oder drei Stummen zurück, und scheint mit ihr zu wehklagen. Die Leiche wird weggebracht. Der Vergifter wirbt mit Geschenken um die Königin; sie scheint anfangs unwillig und abgeneigt, nimmt aber zuletzt seine Liebe an. Sie gehen ab.)

Ophelia. Was bedeutet dies, mein Prinz?

Hamlet. Ei, es ist spitzbübische Munkelei; es bedeutet Unheil.

Ophelia. Vielleicht, daß diese Vorstellung den Inhalt des Stücks anzeigt.
     (Der Prolog tritt auf.)

Hamlet. Wir werden es von diesem Gesellen erfahren: Die Schauspieler können nichts geheim halten, sie werden alles ausplaudern.

Ophelia. Wird er uns sagen, was diese Vorstellung bedeutet?

Hamlet. Ja, oder irgend eine Vorstellung, die ihr ihm vorstellen wollt. Schämt euch nur nicht, ihm vorzustellen, so wird er sich nicht schämen, euch zu sagen, was es bedeutet.

Ophelia. Ihr seid schlimm, ihr seid schlimm; ich will das Stück anhören.

Prolog.
 Für uns und unsre Vorstellung
 Mit unterthän’ger Huldigung
 Ersuchen wir Genehmigung.

Hamlet. Ist dies ein Prolog oder ein Denkspruch auf einem Ringe?

Ophelia. Es ist kurz, mein Prinz.

Hamlet. Wie Frauenliebe.
     (Ein König und eine Königin treten auf.)

König. (im Schauspiel.) Schon dreißigmal hat den Apoll sein Wagen
Um Nereus Flut und Tellus Rund getragen,
Und zwölfmal dreißig Mond’ in fremdem Glanz
Vollbrachten um den Erdball ihren Tanz,
Seit unsre Herzen Liebe treu durchdrungen,
Und Hymens Bande Hand in Hand geschlungen.

Königin. (im Schauspiel.) Mag Sonn’ und Mond so manche Reise doch,
Eh’ Liebe stirbt, uns zählen lassen noch.
Doch leider seid ihr jetzt so matt von Herzen,
So fern von vor’ger Munterkeit und Scherzen,
Daß ihr mich ängstet: aber zag’ ich gleich,
Doch, mein Gemahl, nicht ängsten darf es euch.
Denn Weiberfurcht hält Schritt mit ihrem Lieben
In beiden gar nichts, oder übertrieben.
Wie meine Lieb’ ist, hab’ ich euch gezeigt:
Ihr seht, daß meine Furcht der Liebe gleicht.
Das Kleinste schon muß große Lieb’ erschrecken,
Und ihre Größ’ in kleiner Sorg’ entdecken.

König. (im Schauspiel.) Ja, Lieb’, ich muß dich lassen, und das bald:
Mich drückt des Alters schwächende Gewalt.
Du wirst in dieser schönen Welt noch leben,
Geehrt, geliebt; vielleicht wird, gleich ergeben,
Ein zweiter Gatte –

Königin. (im Schauspiel.) O, halt ein! halt ein!
Verrat nur könnte solche Liebe sein.
Beim zweiten Gatten würd’ ich selbst mir fluchen;
Die einen totschlug, mag den zweiten suchen.

Hamlet. Das ist Wermut.

Königin. (im Schauspiel.) Das, was die Bande zweiter Ehe flicht,
Ist schnöde Sucht nach Vorteil, Liebe nicht.
Es tötet noch einmal den toten Gatten,
Dem zweiten die Umarmung zu gestatten.

König. (im Schauspiel.) Ich glaub’, ihr denket jetzt was ihr gesprochen,
Doch ein Entschluß wird oft von uns gebrochen.
Der Vorsatz ist ja der Erinnrung Knecht,
Stark von Geburt, doch bald durch Zeit geschwächt.
Wie herbe Früchte fest am Baume hangen,
Doch leicht sich lösen, wenn sie Reif’ erlangen.
Notwendig ist’s, daß jeder leicht vergißt
Zu zahlen, was er selbst sich schuldig ist.
Wo Leidenschaft den Vorsatz hingewendet
Entgeht das Ziel uns, wann sie selber endet.
Der Ungestüm sowohl von Freud’ als Leid
Zerstört mit sich die eigne Wirksamkeit.
Laut klagt das Leid, wo laut die Freude schwärmet,
Leid freut sich leicht, wenn Freude leicht sich härmet.
Die Welt vergeht: es ist nicht wunderbar,
Daß mit dem Glück selbst Liebe wandelbar.
Denn eine Frag’ ist’s, die zu lösen bliebe,
Ob Lieb’ das Glück führt, oder Glück die Liebe.
Der Große stürzt: seht seinen Günstling fliehn.
Der Arme steigt und Feinde lieben ihn.
So weit scheint Liebe nach dem Glück zu wählen:
Wer ihn nicht braucht, dem wird ein Freund nicht fehlen,
Und wer in Not versucht den falschen Freund,
Verwandelt ihn sogleich in einen Feind.
Doch, um zu enden, wo ich ausgegangen,
Will’ und Geschick sind stets in Streit befangen.
Was wir ersinnen ist des Zufalls Spiel,
Nur der Gedank’ ist unser, nicht sein Ziel.
So denk, dich soll kein zweiter Gatt’ erwerben,
Doch mag dies Denken mit dem ersten sterben.

Königin. (im Schauspiel.) Versag mir Nahrung, Erde! Himmel, Licht!
Gönnt, Tag und Nacht, mir Luft und Ruhe nicht!
Verzweiflung werd’ aus meinem Trost und Hoffen,
Nur Klausnerbuß’ im Kerker steh mir offen!
Mag alles, was der Freude Antlitz trübt,

[434]
Zerstören, was mein Wunsch am meisten liebt,

Und hier und dort verfolge mich Beschwerde,
Wenn, einmal Witwe, jemals Weib ich werde!

Hamlet. (zu Ophelia.) Wenn sie es nun brechen sollte –

König. (im Schauspiel.) ’s ist fest geschworen. Laß mich, Liebe, nun!
Ich werde müd’, und möchte’ ein wenig ruhn,
Die Zeit zu täuschen.

Königin. (im Schauspiel.) Wiege dich der Schlummer,
Und nimmer komme zwischen uns ein Kummer! (Ab.)

Hamlet. Gnädige Frau, wie gefällt euch das Stück?

Königin. Die Dame, wie mich dünkt, gelobt zu viel.

Hamlet. O, aber sie wird ihr Wort halten!

König. Habt ihr den Inhalt gehört? Wird es kein Aergernis geben?

Hamlet. Nein, nein; sie spassen nur, vergiften im Spaß, kein Aergernis in der Welt.

König. Wie nennt ihr das Stück?

Hamlet. Die Mausefalle. Und wie das? Metaphorisch. Das Stück ist die Vorstellung eines in Vienna geschehnen Mordes. Gonzago ist der Name des Herzogs, seine Gemahlin Baptista; ihr werdet gleich sehen, es ist ein spitzbübischer Handel. Aber was thut’s? Eure Majestät und uns, die wir ein freies Gewissen haben, trifft es nicht. Der Aussätzige mag sich jucken, unsre Haut ist gesund.
     (Lucianus tritt auf.)
Dies ist ein gewisser Lucianus, ein Neffe des Königs.

Ophelia. Ihr übernehmt das Amt eines Chorus, gnädiger Herr.

Hamlet. O, ich wollte zwischen euch und eurem Liebsten Dolmetscher sein, wenn ich die Marionetten nur tanzen sehe.

Ophelia. Ihr seid spitz, gnädiger Herr, ihr seid spitz.

Hamlet. Ihr würdet zu stöhnen haben, ehe ihr meine Spitze abstumpftet.

Ophelia. Immer noch besser und schlimmer.

Hamlet. So müßt ihr eure Männer nehmen. – Fang an, Mörder! Laß deine vermaledeiten Gesichter, und fang an! Wohlauf:
     Es brüllt um Rache das Gekrächz des Raben –

Lucianus. Gedanken schwarz, Gift wirksam, Hände fertig,
Gelegne Zeit, kein Wesen gegenwärtig.
Du schnöder Trank aus mitternächt’gem Kraut,
Dreimal vom Fluche Hekates betaut!
Daß sich dein Zauber, deine grause Schärfe
Sogleich auf dies gesunde Leben werfe!
     (Gießt das Gift in das Ohr des Schlafenden.)

Hamlet. Er vergiftet ihn im Garten um sein Reich. Sein Name ist Gonzago: die Geschichte ist vorhanden, und in auserlesenem Italienisch geschrieben. Ihr werdet gleich sehn, wie der Mörder die Liebe von Gonzagos Gemahlin gewinnt.

Ophelia. Der König steht auf.

Hamlet. Wie? durch falschen Feuerlärm geschreckt?

Königin. Wie geht es meinem Gemahl?

Polonius. Macht dem Schauspiel ein Ende.

König. Leuchtet mir! fort!

Polonius. Licht! Licht! Licht!
     (Alle ab, außer Hamlet und Horatio.)

Hamlet. Ei, der Gesunde hüpft und lacht,
 Dem Wunden ist’s vergällt;
 Der eine schläft, der andre wacht,
 Das ist der Lauf der Welt.
Sollte nicht dies und ein Wald von Federbüschen (wenn meine sonstige Anwartschaft in die Pilze geht) nebst ein paar gepufften Rosen auf meinen erhöhten Schuhen mir zu einem Platz in einer Schauspielergesellschaft verhelfen?

Horatio. O ja, einen halben Anteil an der Einnahme.

Hamlet. Nein, einen ganzen.
 Denn dir, mein Damon, ist bekannt,
 Dem Reiche ging zu Grund
 Ein Jupiter: nun herrschet hier
 Ein rechter, rechter – Affe.

Horatio. Ihr hättet reimen können.

Hamlet. O, lieber Horatio, ich wette Tausende auf das Wort des Geistes. Merktest du?

Horatio. Sehr gut, mein Prinz.

Hamlet. Bei der Rede vom Vergiften?

Horatio. Ich habe ihn genau betrachtet.

Hamlet. Ha, ha! – Kommt, Musik! kommt, die Flöten! –
Denn wenn der König von dem Stück nichts hält,
Ei nun! vielleicht – daß es ihm nicht gefällt.
     (Rosenkranz und Güldenstern kommen.)
Kommt, Musik!

Güldenstern. Bester gnädiger Herr, vergönnt mir ein Wort mit euch.

Hamlet. Eine ganze Geschichte, Herr.

Güldenstern. Der König –

Hamlet. Nun, was gibt’s mit ihm?

Güldenstern. Er hat sich auf sein Zimmer begeben, und ist sehr übel.

Hamlet. Vom Trinken, Herr?

Güldenstern. Nein, von Galle.

Hamlet. Ihr solltet doch mehr gesunden Verstand beweisen und dies dem Arzte melden, denn wenn ich ihm eine Reinigung zumutete, das würde ihm vielleicht noch mehr Galle machen.

Güldenstern. Bester Herr, bringt einige Ordnung in eure Reden, und springt nicht so wild von meinem Auftrage ab.

Hamlet. Ich bin zahm, Herr, sprecht!

Güldenstern. Die Königin, eure Mutter, hat mich in der tiefsten Bekümmernis ihres Herzens zu euch geschickt.

Hamlet. Ihr seid willkommen.

Güldenstern. Nein, bester Herr, diese Höflichkeit ist nicht von der rechten Art. Beliebt es euch, mir eine gesunde Antwort zu geben, so will ich den Befehl eurer Mutter ausrichten; wo nicht, so verzeiht, ich gehe wieder und damit ist mein Geschäft zu Ende.

Hamlet. Herr, ich kann nicht.

Güldenstern. Was, gnädiger Herr?

Hamlet. Euch eine gesunde Antwort geben. Mein Verstand ist krank. Aber, Herr, solche Antwort als ich geben kann, ist zu eurem Befehl; oder vielmehr, wie ihr sagt, zu meiner Mutter Befehl; drum nichts weiter, sondern zur Sache. Meine Mutter, sagt ihr –

Rosenkranz. Sie sagt also folgendes: euer Betragen hat sie in Staunen und Verwunderung gesetzt.

Hamlet. O wundervoller Sohn, über den seine Mutter so erstaunen kann! Kommt kein Nachsatz, der dieser mütterlichen Bewundrung auf dem Fuße folgt? Laßt hören.

Rosenkranz. Sie wünscht mit euch in ihrem Zimmer zu reden, ehe ihr zu Bette geht.

Hamlet. Wir wollen gehorchen, und wäre sie zehnmal unsre Mutter. Habt ihr noch sonst was mit mir zu schaffen?

Rosenkranz. Gnädiger Herr, ihr liebtet mich einst –

Hamlet. Das thu’ ich noch, bei diesen beiden Diebeszangen hier!

Rosenkranz. Bester Herr, was ist die Ursache eures Uebels? Gewiß, ihr tretet eurer eignen Freiheit in den Weg, wenn ihr eurem Freunde euren Kummer verheimlicht.

Hamlet. Herr, es fehlt mir an Beförderung.

[435]
Rosenkranz. Wie kann das sein, da ihr die Stimme des Königs selbst zur Nachfolge im dänischen Reiche habt?


Hamlet. Ja, Herr, aber „derweil das Gras wächst“ – das Sprichwort ist ein wenig rostig.
     (Schauspieler kommen mit Flöten.)
O, die Flöten! Laßt mich eine sehn. – Um euch insbesondre zu sprechen: (Nimmt Güldenstern beiseite.) weswegen geht ihr um mich herum, um meine Witterung zu bekommen, als wolltet ihr mich in ein Netz treiben?

Güldenstern. O gnädiger Herr, wenn meine Ergebenheit allzukühn ist, so ist meine Liebe ungesittet.

Hamlet. Das versteh’ ich nicht recht. Wollt ihr auf dieser Flöte spielen?

Güldenstern. Gnädiger Herr, ich kann nicht.

Hamlet. Ich bitte euch.

Güldenstern. Glaubt mir, ich kann nicht.

Hamlet. Ich ersuche euch darum.

Güldenstern. Ich weiß keinen einzigen Griff, gnädiger Herr.

Hamlet. Es ist so leicht wie lügen. Regiert diese Windlöcher mit euren Fingern und der Klappe, gebt der Flöte mit eurem Munde Odem, und sie wird die beredteste Musik sprechen. Seht ihr, dies sind die Griffe.

Güldenstern. Aber die habe ich eben nicht in meiner Gewalt, um irgend eine Harmonie hervorzubringen; ich besitze die Kunst nicht.

Hamlet. Nun, seht ihr, welch ein nichtswürdiges Ding ihr aus mir macht? Ihr wollt auf mir spielen; ihr wollt in das Herz meines Geheimnisses dringen, ihr wollt mich von meiner tiefsten Note bis zum Gipfel meiner Stimme hinauf prüfen; und in dem kleinen Instrument hier ist viel Musik, eine vortreffliche Stimme, dennoch könnt ihr es nicht zum Sprechen bringen. Wetter! denkt ihr, daß ich leichter zu spielen bin als eine Flöte? Nennt mich was für ein Instrument ihr wollt, ihr könnt mich zwar verstimmen, aber nicht auf mir spielen.
     (Polonius kommt.)
Gott grüß’ euch, Herr.

Polonius. Gnädiger Herr, die Königin wünscht euch zu sprechen, und das sogleich.

Hamlet. Seht ihr die Wolke dort, beinah in Gestalt eines Kamels?

Polonius. Beim Himmel, sie sieht auch wirklich aus wie ein Kamel.

Hamlet. Mich dünkt, sie sieht aus wie ein Wiesel.

Polonius. Sie hat einen Rücken wie ein Wiesel.

Hamlet. Oder wie ein Walfisch?

Polonius. Ganz wie ein Walfisch.

Hamlet. Nun, so will ich zu meiner Mutter kommen, im Augenblick. – Sie närren mich, daß mir die Geduld beinah reißt. – Ich komme im Augenblick.

Polonius. Das will ich ihr sagen. (Ab.)

Hamlet. Im Augenblick ist leicht gesagt. Laßt mich, Freunde.
     (Rosenkranz, Güldenstern, Horatio und die andern ab.)
Nun ist die wahre Spükezeit der Nacht,
Wo Grüfte gähnen, und die Hölle selbst
Pest haucht in diese Welt. Nun tränk’ ich wohl heiß Blut,
Und thäte Dinge, die der heil’ge Tag
Mit Schaudern säh’. Still! jetzt zu meiner Mutter.
O Herz, vergiß nicht die Natur! Nie dränge
Sich Neros Seel’ in diesen festen Busen!
Grausam, nicht unnatürlich laß mich sein;
Nur reden will ich Dolche, keine brauchen.
Hierin seid Heuchler, Zung’, und du, Gemüt,
Wie hart mit ihr auch meine Rede schmähle,
Nie will’ge drein, sie zu versiegeln, Seele! (Ab.)

Dritte Scene.

Ein Zimmer im Schlosse. (Der König, Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)
König. Ich mag ihn nicht, auch steht’s um uns nicht sicher,
Wenn frei sein Wahnsinn schwärmt. Drum macht euch fertig:
Ich stelle schleunig eure Vollmacht aus,
Und er soll dann mit euch nach England hin.
Die Pflichten unsrer Würde dulden nicht
Gefahr so nah, als stündlich euch erwächst
Aus seinen Grillen.

Güldenstern.  Wir wollen uns bereiten.
Es ist gewissenhafte, heil’ge Furcht,
Die vielen, vielen Seelen zu erhalten,
Die Eure Majestät belebt und nährt.

Rosenkranz. Schon das besondre, einzle Leben muß
Mit aller Kraft und Rüstung des Gemüts
Vor Schaden sich bewahren; doch viel mehr
Der Geist, an dessen Heil das Leben vieler
Beruht und hängt. Der Majestät Verscheiden
Stirbt nicht allein; es zieht gleich einem Strudel
Das Nahe mit. Sie ist ein mächtig Rad,
Befestigt auf des höchsten Berges Gipfel,
An dessen Riesenspeichen tausend Dinge
Gekittet und gefugt sind; wenn es fällt,
So teilt die kleinste Zuthat und Umgebung
Den ungeheuren Sturz. Kein König seufzte je
Allein und ohn’ ein allgemeines Weh.

König. Ich bitte, rüstet euch zur schnellen Reise:
Wir müssen diese Furcht in Fesseln legen,
Die auf zu freien Füßen jetzo geht.

Rosenkranz. und Güldenstern.      Wir wollen eilen.
     (Beide ab.) – (Polonius kommt.)

Polonius. Mein Fürst, er geht in seiner Mutter Zimmer.
Ich will mich hinter die Tapete stellen,
Den Hergang anzuhören; seid gewiß,
Sie schilt ihn tüchtig aus, und wie ihr sagtet,
Und weislich war’s gesagt, es schickt sich wohl,
Daß noch ein andrer Zeug’ als eine Mutter,
Die von Natur parteiisch, ihr Gespräch
Im stillen anhört. Lebet wohl, mein Fürst,
Eh’ ihr zu Bett geht, sprech’ ich vor bei euch,
Und meld’ euch, was ich weiß.

König.  Dank, lieber Herr.
     (Polonius ab.)
O meine That ist faul, sie stinkt zum Himmel,
Sie trägt den ersten, ältesten der Flüche,
Mord eines Bruders! – Beten kann ich nicht,
Ist gleich die Neigung dringend wie der Wille:
Die stärkre Schuld besiegt den starken Vorsatz,
Und wie ein Mann, dem zwei Geschäft’ obliegen,
Steh’ ich in Zweifel, was ich erst soll thun,
Und lasse beides. Wie? wär’ diese Hand
Auch um und um in Bruderblut getaucht:
Gibt es nicht Regen gnug im milden Himmel,
Sie weiß wie Schnee zu waschen? Wozu dient
Die Gnad’, als vor der Sünde Stirn zu treten?
Und hat Gebet nicht die zwiefache Kraft
Dem Falle vorzubeugen und Verzeihung
Gefall’nen auszuwirken? Gut, ich will
Emporschaun: mein Verbrechen ist geschehn.
Doch o, welch eine Wendung des Gebets
Ziemt meinem Fall? Vergib mir meinen schnöden Mord?
Dies kann nicht sein; mir bleibt ja stets noch alles,
Was mich zum Mord getrieben: meine Krone,
Mein eigner Ehrgeiz, meine Königin.

[436]
Wird da verziehn, wo Missethat besteht?

In den verderbten Strömen dieser Welt
Kann die vergold’te Hand der Missethat
Das Recht wegstoßen, und ein schnöder Beutel
Erkauft oft das Gesetz. Nicht so dort oben!
Da gilt kein Kunstgriff, da erscheint die Handlung
In ihrer wahren Art, und wir sind selbst
Genötigt, unsern Fehlern in die Zähne
Ein Zeugnis abzulegen. Nun? was bleibt?
Sehn, was die Reue kann. Was kann sie nicht?
Doch wenn man nicht bereuen kann, was kann sie?
O Jammerstand? O Busen, schwarz wie Tod!
O Seele, die sich frei zu machen ringend,
Noch mehr verstrickt wird. – Engel, helft! versucht!
Beugt euch, ihr starren Knie’! gestähltes Herz,
Sei weich wie Sehnen neugeborner Kinder!
Vielleicht wird alles gut. (Kniet vorn auf der Bühne nieder.)
     (Hamlet kommt von hinten mit gezogenem Schwert.)

Hamlet. Jetzt könnt’ ich’s thun, bequem; er ist im Beten,
Jetzt will ich’s thun – und so geht er gen Himmel,
Und so bin ich gerächt? Das hieß: ein Bube
Ermordet meinen Vater, und dafür
Send’ ich, sein einz’ger Sohn, denselben Buben
Gen Himmel.
Ei, das wär’ Sold und Löhnung, Rache nicht.
Er überfiel in Wüstheit meinen Vater,
Voll Speis’, in seiner Sünden Maienblüte.
Wie seine Rechnung steht, weiß nur der Himmel,
Allein nach unsrer Denkart und Vermutung
Ergeht’s ihm schlimm: und bin ich dann gerächt,
Wenn ich in seiner Heiligung ihn fasse,
Bereitet und geschickt zum Uebergang?
Nein.
Hinein, du Schwert! sei schrecklicher gezückt!
Wenn er berauscht ist, schlafend, in der Wut,
In seines Betts blutschänderischen Freuden,
Beim Doppeln, Fluchen, oder anderm Thun,
Das keine Spur des Heiles an sich hat:
Dann stoß ihn nieder, daß gen Himmel er
Die Fersen bäumen mag, und seine Seele
So schwarz und so verdammt sei wie die Hölle,
Wohin er fährt. Die Mutter wartet mein:
Dies soll nur Frist den siechen Tagen sein. (Ab.)
     (Der König steht auf.)

König. Die Worte fliegen auf, der Sinn hat keine Schwingen:
Wort’ ohne Sinn kann nicht zum Himmel dringen. (Ab.)

Vierte Scene.

Zimmer der Königin. (Die Königin und Polonius treten auf.)
Polonius. Er kommt sogleich; setzt ihm mit Nachdruck zu,
Sagt ihm, daß er zu wilde Streiche macht
Um sie zu dulden, und daß Eure Hoheit
Geschirmt, und zwischen großer Hitz’ und ihm
Gestanden hat. Ich will hier still mich bergen,
Ich bitt’ euch, schont ihn nicht.

Hamlet. (hinter der Scene.) Mutter, Mutter, Mutter!

Königin.  Verlaßt euch drauf,
Sorgt meinetwegen nicht. Zieht euch zurück!
Ich hör’ ihn kommen. (Polonius verbirgt sich.)
     (Hamlet kommt.)

Hamlet. Nun, Mutter, sagt: was gibt’s?

Königin. Hamlet, dein Vater ist von dir beleidigt.

Hamlet. Mutter, mein Vater ist von euch beleidigt.

Königin. Kommt, kommt! ihr sprecht mit einer losen Zunge.

Hamlet. Geht, geht! ihr fragt mit einer bösen Zunge.

Königin. Was soll das, Hamlet?

Hamlet.  Nun, was gibt es hier?

Königin. Habt ihr mich ganz vergessen?

Hamlet.  Nein, beim Kreuz!
Ihr seid die Königin, Weib eures Mannes Bruders,
Und – wär’ es doch nicht so! – seid meine Mutter.

Königin. Gut, andre sollen zur Vernunft euch bringen.

Hamlet. Kommt, setzt euch nieder; ihr sollt nicht vom Platz,
Nicht gehn, bis ich euch einen Spiegel zeige,
Worin ihr euer Innerstes erblickt.

Königin. Was willst du thun? Du willst mich nicht ermorden?
He, Hilfe! Hilfe!

Polonius. (hinter der Scene.) Hilfe! He! herbei!

Hamlet. Wie? was? eine Ratte? (Er zieht.) Tot! für ’nen Dukaten, tot!
     (Thut einen Stoß durch die Tapete.)

Polonius. (hinter der Tapete). O, ich bin umgebracht!
     (Fällt und stirbt.)

Königin.  Weh mir! was thatest du?

Hamlet. Fürwahr, ich weiß es nicht: ist es der König?
     (Zieht den Polonius hinter der Tapete hervor.)

Königin. O, welche rasche, blut’ge That ist dies?

Hamlet. Ja, gute Mutter, eine blut’ge That,
So schlimm beinah, als einen König töten,
Und in die Eh’ mit seinem Bruder treten.

Königin. Als einen König töten!

Hamlet.  Ja, so sagt’ ich.
(Zu Polonius.) Du kläglicher, vorwitz’ger Narr, fahr wohl!
Ich nahm dich für ’nen Höhern: nimm dein Los.
Du siehst, zu viel Geschäftigkeit ist mißlich. –
Ringt nicht die Hände so! still! setzt euch nieder,
Laßt euer Herz mich ringen, denn das will ich,
Wenn es durchdringlich ist, wenn nicht so ganz
Verdammte Angewöhnung es gestählt,
Daß es verschanzt ist gegen die Vernunft.

Königin. Was that ich, daß du gegen mich die Zunge
So toben lassen darfst?

Hamlet.  Solch eine That,
Die alle Huld der Sittsamkeit entstellt,
Die Tugend Heuchler schilt, die Rose wegnimmt
Von unschuldvoller Liebe schöner Stirn,
Und Beulen hinsetzt, Ehgelübde falsch
Wie Spielereide macht; o, eine That,
Die aus dem Körper des Vertrages ganz
Die innre Seele reißet, und die süße
Religion zum Wortgepränge macht.
Des Himmels Antlitz glüht, ja diese Feste,
Dies Weltgebäu, mit traurendem Gesicht,
Als nahte sich der jüngste Tag, gedenkt
Trübsinnig dieser That.

Königin.  Weh! Welche That
Brüllt denn so laut und donnert im Verkünden?

Hamlet. Seht hier, auf dies Gemälde und auf dies,
Das nachgeahmte Gleichnis zweier Brüder.
Seht, welche Anmut wohnt auf diesen Brau’n!
Apollos Locken, Jovis hohe Stirn,
Ein Aug’ wie Mars, zum Drohn und zum Gebieten,
Des Götterherolds Stellung, wann er eben
Sich niederschwingt auf himmelnahe Höhn;
In Wahrheit, ein Verein und eine Bildung,
Auf die sein Siegel jeder Gott gedrückt:
Dies war eu’r Gatte. – Seht nur her, was folgt:
Hier ist eu’r Gatte, gleich der brand’gen Aehre,
Verderblich seinem Bruder. Habt ihr Augen?
Die Weide dieses schönen Bergs verlaßt ihr,

[437]
Und mästet euch im Sumpf? Ha, habt ihr Augen?

Nennt es nicht Liebe! Denn in eurem Alter
Ist der Tumult im Blute zahm; es schleicht,
Und wartet auf das Urteil: und welch Urteil
Schritt’ wohl von dem zu dem? Sinn habt ihr sicher,
Sonst könnte keine Regung in euch sein:
Doch sicher ist der Sinn vom Schlag gelähmt,
Denn Wahnwitz würde hier nicht irren; nie
Hat so den Sinn Verrücktheit unterjocht,
Daß nicht ein wenig Wahl ihm blieb, genug
Für solchen Unterschied. Was für ein Teufel
Hat bei der Blindekuh euch so bethört?
Sehn ohne Fühlen, Fühlen ohne Sehn,
Ohr ohne Hand und Aug’, Geruch ohn’ alles,
Ja nur ein Teilchen eines echten Sinns
Tappt nimmermehr so zu.
Scham, wo ist dein Erröten? wilde Hölle,
Empörst du dich in der Matrone Gliedern,
So sei die Keuschheit der entflammten Jugend
Wie Wachs, und schmelz’ in ihrem Feuer hin;
Ruf keine Schande aus, wenn heißes Blut
Zum Angriff stürmet: da der Frost ja selbst
Nicht minder kräftig brennt, und die Vernunft
Den Willen kuppelt.

Königin.  O Hamlet, sprich nicht mehr.
Du kehrst die Augen recht ins Innre mir,
Da seh’ ich Flecke, tief und schwarz gefärbt,
Die nicht von Farbe lassen.

Hamlet.  Nein, zu leben
Im Schweiß und Brodem eines eklen Betts,
Gebrüht in Fäulnis; buhlend und sich paarend
Ueber dem garst’gen Nest –

Königin.  O, sprich nicht mehr!
Mir dringen diese Wort’ ins Ohr wie Dolche.
Nicht weiter, lieber Hamlet!

Hamlet. Ein Mörder und ein Schalk; ein Knecht, nicht wert
Das Zehntel eines Zwanzigteils von ihm,
Der eu’r Gemahl war; ein Hanswurst von König,
Ein Beutelschneider von Gewalt und Reich,
Der weg vom Sims die reiche Krone stahl
Und in die Tasche steckte.

Königin. Halt inne! (Der Geist kommt ohne Rüstung.)

Hamlet.  Ein geflickter Lumpenkönig! –
Schirmt mich und schwingt die Flügel über mir,
Ihr Himmelsscharen! – Was will dein würdig Bild?

Königin. Weh mir! er ist verrückt.

Hamlet. Kommt ihr nicht, euren trägen Sohn zu schelten,
Der Zeit und Leidenschaft versäumt, zur großen
Vollführung eures furchtbaren Gebots?
O sagt!

Geist. Vergiß nicht! Diese Heimsuchung
Soll nur den abgestumpften Vorsatz schärfen.
Doch schau! Entsetzen liegt auf deiner Mutter;
Tritt zwischen sie und ihre Seel’ im Kampf,
In Schwachen wirkt die Einbildung am stärksten:
Sprich mit ihr, Hamlet!

Hamlet. Wie ist euch, Mutter?

Königin.  Ach, wie ist denn euch,
Daß ihr die Augen heftet auf das Leere
Und redet mit der körperlosen Luft?
Wild blitzen eure Geister aus den Augen,
Und wie ein schlafend Heer beim Waffenlärm
Sträubt euer liegend Haar sich als lebendig
Empor, und steht zu Berg. O, lieber Sohn,
Spreng’ auf die Hitz’ und Flamme deines Uebels
Abkühlende Geduld! Wo schaust du hin?

Hamlet. Auf ihn! Auf ihn! Seht ihr, wie blaß er starrt?
Sein Anblick, seine Sache würde Steinen
Vernunft einpredigen. – Sieh nicht auf mich,
Damit nicht deine klägliche Geberde
Mein strenges Thun erweicht; sonst fehlt ihm dann
Die echte Art: vielleicht statt Blutes Thränen.

Königin. Mit wem besprecht ihr euch?

Hamlet.  Seht ihr dort nichts?

Königin. Gar nichts; doch seh’ ich alles, was dort ist.

Hamlet. Und hörtet ihr auch nichts?

Königin.  Nein, nichts als uns.

Hamlet. Ha, seht nur hin! Seht, wie es weg sich stiehlt!
Mein Vater in leibhaftiger Gestalt.
Seht, wie er eben zu der Thür hinausgeht! (Geist ab.)

Königin. Dies ist bloß eures Hirnes Ausgeburt;
In dieser wesenlosen Schöpfung ist
Verzückung sehr geübt.

Hamlet. Verzückung?
Mein Puls hält ordentlich wie eurer Takt,
Spielt eben so gesunde Melodien;
Es ist kein Wahnwitz, was ich vorgebracht.
Bringt mich zur Prüfung, und ich wiederhole
Die Sach’ euch Wort für Wort, wovon der Wahnwitz
Abspringen würde. Mutter, um eu’r Heil!
Legt nicht die Schmeichelsalb’ auf eure Seele,
Daß nur mein Wahnwitz spricht, nicht eu’r Vergehn;
Sie wird den bösen Fleck nur leicht verharschen,
Indes Verderbnis, heimlich untergrabend,
Von innen angreift. Beichtet vor dem Himmel,
Bereuet, was geschehn, und meidet Künft’ges,
Düngt nicht das Unkraut, daß es mehr noch wuchre,
Vergebt mir diese meine Tugend; denn
In dieser feisten, engebrüst’gen Zeit
Muß Tugend selbst Verzeihung flehn vom Laster,
Ja kriechen, daß sie nur ihm wohlthun dürfe.

Königin. O Hamlet, du zerspaltest mir das Herz.

Hamlet. O werft den schlechtern Teil davon hinweg,
Und lebt so reiner mit der andern Hälfte.
Gute Nacht! Doch meidet meines Oheims Bett,
Nehmt eine Tugend an, die ihr nicht habt.
Der Teufel Angewöhnung, der des Bösen
Gefühl verschlingt, ist hierin Engel doch:
Er gibt der Uebung schöner, guter Thaten
Nicht minder eine Kleidung oder Tracht,
Die gut sich anlegt. Seid zu Nacht enthaltsam,
Und das wird eine Art von Leichtigkeit
Der folgenden Enthaltung leihn; die nächste
Wird dann noch leichter; denn die Uebung kann
Fast das Gepräge der Natur verändern;
Sie zähmt den Teufel oder stößt ihn aus
Mit wunderbarer Macht. Nochmals, schlaft wohl!
Um euren Segen bitt’ ich, wann ihr selbst
Nach Segen erst verlangt. – Für diesen Herrn
Thut es mir leid: der Himmel hat gewollt,
Um mich durch dies, und dies durch mich zu strafen,
Daß ich ihm Diener muß und Geißel sein.
Ich will ihn schon besorgen, und den Tod,
Den ich ihm gab, vertreten. Schlaft denn wohl;
Zur Grausamkeit zwingt bloße Liebe mich;
Schlimm fängt es an, und Schlimm’res nahet sich.
Ein Wort noch, gute Mutter!

Königin. Was soll ich thun?

Hamlet. Durchaus nicht das, was ich euch heiße thun.
Laßt den geduns’nen König euch ins Bett
Von neuem locken, in die Wangen euch
Mutwillig kneifen, euch sein Mäuschen nennen,
Und für ein paar verbuhlte Küss’, ein Spielen

[438]
In eurem Nacken mit verdammten Fingern,

Bringt diesen ganzen Handel an den Tag,
Daß ich in keiner wahren Tollheit bin,
Nur toll aus List. Gut wär’s, ihr ließt’s ihn wissen.
Denn, welche Königin, schön, keusch und klug,
Verhehlte einem Kanker, einem Molch
So teure Dinge wohl? wer thäte das?
Nein, trotz Erkenntnis und Verschwiegenheit,
Löst auf dem Dach des Korbes Deckel, laßt
Die Vögel fliegen, und wie jener Affe,
Kriecht in den Korb, um Proben anzustellen,
Und brecht euch selbst den Hals.

Königin. Sei du gewiß, wenn Worte Atem sind,
Und Atem Leben ist, hab’ ich kein Leben,
Das auszuatmen, was du mir gesagt.

Hamlet. Ich muß nach England; wißt ihr’s?

Königin. Ach, ich vergaß; es ist so ausgemacht.

Hamlet. Man siegelt Briefe; meine Schulgesellen,
Die beiden, denen ich wie Nattern traue,
Sie bringen die Bestellung hin; sie müssen
Den Weg mir bahnen, und zur Schurkerei,
Herolden gleich, mich führen. Sei es drum!
Der Spaß ist, wenn mit seinem eignen Pulver
Der Feuerwerker auffliegt; und mich trügt
Die Rechnung, wenn ich nicht ein Klafter tiefer
Als ihre Mienen grab’, und sprenge sie
Bis an den Mond. O, es ist gar zu schön,
Wenn so zwei Listen sich entgegen gehn! –
Der Mann packt mir ’ne Last auf.
Ich will den Wanst ins nächste Zimmer schleppen. –
Nun, Mutter, gute Nacht! – Der Ratsherr da
Ist jetzt sehr still, geheim und ernst fürwahr,
Der sonst ein schelm’scher, alter Schwätzer war.
Kommt, Herr, ich muß mit euch ein Ende machen. –
Gute Nacht, Mutter!
     (Sie gehen nach verschiedenen Seiten ab. Hamlet schleift den Polonius heraus.)

« Zweiter Aufzug Hamlet Vierter Aufzug »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).