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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Gasflammen kommen, immer dichtere dunkle Gazestücke von dem Soffitenhimmel niedersinken – bis „des Donnrers Wolken hangen schwer herab auf Ilion“[WS 1] – während ein harmloser Mann die Kurbel eines trommelartigen Rades handhabt, von dessen Welle Latten ausgehen, deren zugespitzte Enden an durch Gewichte festangespannter Leinwand hinstreichen. Je nachdem diese „Windmaschine“ in Bewegung gesetzt wird, läßt sie die Sprache der Lüfte vom Sausen bis zum Pfeifen und Heulen vernehmen, genau wie der Dichter es vorgeschrieben. Schon gruselt’s dem zartnervigen Publicum der Logen und die Galerie lauscht freudig der vielversprechenden nächsten Zukunft entgegen. Da tritt ein Mann mit der Sicherheit des Künstlers an einen Tisch, als dessen Platte ein großes Trommelfell dient, das rings am Tischrahmen fest angespannt ist. Ueber dieser wunderlichen Tischplatte erhebt sich ein Gestell, von welchem herab viele kleine und größere mit Leder oder Leinwand überzogene hölzerne Kugeln so an Schnuren hängen, daß sie, falls sie etwa auf dem Tischtrommelfell das Tanzen ankommen sollte, nicht durch ihre eigenen Sprünge herabgeworfen werden können. Dieses Tanzen ist aber ihr ganzer Zweck und wird dadurch bewirkt, daß der besagte sichere Mann mittels ein paar Handeln oder Pauken- oder große Trommelschlägel das Tischfell nach Vorschrift bearbeitet. Je nachdem er sanft berührend oder stärker betastend oder tapfer daraufschlagend zu Werke geht, wird ein fernher nahendes Rollen des Unwetters, ein erhabener Donner mit seinem Widerhall an den Festen des Himmels oder ein Donnerkrach mit wildem Dröhnen der Wolkenwände erfolgen, und um so majestätischer wird das Vergrollen und Verrollen am erschütterten Firmamente lauten, je länger die kleinen Kugeln auf dem Felle der „Donnermaschine“ herumhüpfen.

Das Gewitter verlangt jedoch mehr: ein Blitz leuchtet auf und auch das geht natürlich zu, denn wenn man eine Vorrichtung hat, daß über ein winziges Pünktchen Gaslicht durch Berühren einer Klappe an einem Gasschlauch plötzlich ein Gasstrahl dahinfahren muß, der augenblicklich durch Schließung der Klappe wieder erlischt, so muß dies in der finsteren Bühnennacht blitzartig wirken. Durch mehrmaliges Oeffnen und Schließen einer Klappe hintereinander wird das Gewitter noch schwerer gemacht; wenn aber gar das Aeußerste geschehen soll, wenn es einschlagen muß, dann bleibt dem Mann an einem hohen viereckigen Holzkasten nichts übrig, als die Schnur zu ziehen, welche das oberste Querbret voll großer und kleiner Kieselsteine oder steinernen Kugeln zum Umkippen bringt: die krachende Last fällt auf ein darunter querliegendes Bret, das etwa nur Zweidrittheil des Kastens ausfüllt, also Raum genug offen laßt, daß die einmal im Schuß befindliche Steinmasse auf ein in entgegengesetzter Richtung darunter ebenfalls geneigt laufendes Bret stürzt und von dem wieder auf eins und so ein Dutzend Male fort, bis die letzten nachrollenden Klumpen den untersten Raum des Kastens erreicht haben. Furchtbar ist die Wirkung dieses einfachen Naturspiels; Blitz, Donner und Krach haben das Ihre geleistet, und es ist nun nothwendig, daß der Regen losgeht, erst sanft, dann immer rauschender, bis zum Gießen, und auch das geschieht, ohne daß sich Jemand einen Finger dabei naß macht. Wir können sogar mit zwei Regen dienen, die ein Mann mit Gemüthsruhe leisten kann. Ein langer Holzkasten, ähnlich wie der Einschlagapparat, nur so eingerichtet, daß er in der Mitte seiner Länge, wie eine Sanduhr, umgedreht werden kann, ist ebenfalls mit etwa einem Dutzend Querbrettern durchzogen; diese schließen jedoch den Raum ganz und sind dafür selbst so durchlöchert, daß eine auf dem obersten Brette aufgeschüttete Viertel- oder halbe Metze Erbsen langsam hindurchfällt bis auf das unterste Bodenbrett. Ist sie unten angekommen, so dreht man die Maschine herum, und der Regen geht von Neuem seinen schönen, geregelten Gang. Ungestümer durch des Menschen Hand ist er zu machen, wenn die Erbsen (oder auch Schrotkörner) in einer viereckigen Blechröhre laufen, die um den Kranz eines Rades befestigt ist; innerhalb der Röhre treten, wie bei der Einschlagmaschine abwechselnd links und rechts Querbrettchen, hier Querstreifen von Blech, die Hälfte bis Zweidrittel des Raums einnehmend, hervor, und wenn nun mittels der Kurbel das Rad gedreht wird, so fallen oder schlagen die Erbsen oder Schrote, mit denen man eine Abtheilung der Röhre gefüllt hat, von Blech zu Blech mit einem Geräusch, an welchem Jedermann einen tüchtigen Platzregen erkennt, genau wie er im Buche steht. Und soll nun post nubila Phoebus (denn „nach Regen folget Sonnenschein“) der Erde wieder leuchten, so stellt man alle Unwettermaschinen bei Seite, läßt die Gasflammen der Rampen, Coulissen und Soffiten wieder durch das blaue und rothe Glas zum hellen Lichte zurückkehren und kann, wenn auch die Gazewolken sich in ihre Behälter verzogen haben, mittels elektrischen Lichtes Tagesklarheit über die ganze froh aufathmende Bretterwelt verbreiten.

Ehe wir von unserer jungfräulichen Bühne und den Wundern ihrer Coulissenwelt Abschied nehmen, betrachten wir im Vorbeigehen noch ihre drei prachtvollen Vorhänge, von denen der erste der Haupt-, der zweite der Zwischenacts- und der dritte der Verwandelungsvorhang ist. Ob für Fälle von Bühnenbränden auch hier, wie im Drurylanetheater zu London und im Münchener Hoftheater, ein Vorhang von Eisenblech bereit sein wird, die Bühne vom Zuschauerraum hermetisch abzusperren, wissen wir noch nicht; das aber wissen wir, daß nicht, wie einst im Londoner Coburg-Theater, ein Vorhang von Spiegelglas dem gesammten Publicum sein eigenes Bild entgegenwerfen wird, weil die Bühne selbst es sich nicht nehmen läßt, diese Bespiegelung zur Aufgabe ihres ganzen Wirkens zu machen. Möge dies stets in edler, wahrhaft kunstwürdiger Weise geschehen!

H. v. C.




Frauenleben in der Kalifenstadt.[1]


Unvergeßlich bleibt mir der erste Morgen, der mir in der heutigen Capitale des alten Pharaonenlandes, im märchenhaften Kairo, aufging; unvergeßlich die ernsten, feierlichen Männerstimmen, die mich weckten, jener eigenthümliche Gesang, mit dem die Muezzin von den unzähligen, wie Pfeilspitzen in den Himmel strebenden Minarets der Kalifenstadt die Gläubigen zum Gebete laden; unvergeßlich vor Allem der Eindruck, welchen mir das bunte Gewühl auf den engen Straßen machte, das unaufhörliche Gedränge von Eseln und Pferden und langen Zügen beladener Kameele, durch die sich unter beständigem Eifern, Schreien und Schimpfen von Seiten der Thier- und Wagenlenker der Fußgänger nur mühsam windet. Aber gar bald wird man dieses ewigen Tobens und Lärmens müde und sehnt sich nach einem Augenblicke der Ruhe. In solchen Momenten flüchtete ich hinaus in die Allee riesiger Sykomoren, die nach den üppigen Gärten von Schubrah führt, welche die Harems Halim Paschas bergen. Der weiche, zarte Morgenduft schwebte noch über den grünen Feldern, die sich wie Teppiche zwischen den Landhäusern der Reichen an beiden Seiten der Straße ausbreiten. Schwärme von Pelikanen und Flamingos eilten hoch in den Lüften dem nahen Nile zu, während Ibisse und blendendweiße reiherartige Vögel auf den Feldern, wie bei uns die Störche, inmitten des weidenden Viehs umherstolzirten, zwischen den Reihen an Pfähle gebundener Büffel, Kühe, Ziegen, Pferde, Schafe, Esel, Dromedare, Kameele, Maulthiere, die das Grünfutter in bewundernswerther systematischer Ordnungsmäßigkeit abweiden – eine wahre Ausschüttung der Arche Noah’s. Die Allee war heute belebter, als gewöhnlich. Schaaren zu Fuß und zu Wagen, Männer und Frauen, Alt und Jung waren auf dem Wege zu den Begräbnißstätten, die, wie die Bäder, vorzugsweise und häufig von den Frauen besucht werden, und heute mochte ein besonderes Fest noch größere Massen, als gewöhnlich, zu den Stätten des ewigen Friedens rufen.

Plötzlich machen zwei junge Barbariner in weißseidenen aufgeschürzten Hemden, kurzen Hosen, mit nackten braunen Armen, lange

  1. Das Morgenland hat von Neuem eine Invasion in’s Abendland unternommen, wenn auch diesmal nur zu „moralischen Eroberungen“. Das bisher unerhörte Ereigniß, daß sich der Beherrscher aller Gläubigen zu einem friedlichen Besuche nach den ungläubigen Hauptstädten des Occidents begeben, hat den Blick mehr denn je dem Orient zugewandt, für den jene Kaiserfahrt wohl nicht ohne wichtige Folgen bleiben dürfte; wir meinen daher unsern Lesern besonders Interessantes und Zeitgemäßes darzubieten, wenn wir ihnen in der obenstehenden Skizze, die zugleich eine meisterhafte Zeichnung von der Hand ihres Verfassers schmückt, eine Schilderung jenes abgeschlossenen Frauenlebens vorführen, in welchem der Islam seinen wesentlichsten Stützpunkt und der Orient sein bezeichnendstes Merkmal findet.
    D. Red.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Friedrich Schiller, „Kassandra“, Schlußvers.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 651. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_651.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2017)