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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)


zur „Elephantenrüssel-Soiré“ das Publicum locken konnte! Man ließ sich glücklich „abspeisen“ damit.

Nach der Vorstellung schritt Scholz der Franzensgasse zu, denn eine kleine allerliebste Grazerin hatte ihn dort zum Rendezvous eingeladen. Aber die kleine allerliebste Grazerin liebte neben Scholz noch einen Husaren-Lieutenant, der den Komiker zu seinem Schätzchen schleichen sah und zähneknirschend an der Straßenecke wartete, bis sein Nebenbuhler das Haus verließ.

Er durfte nicht lange warten, denn schon nach einer Viertelstunde kehrte der Komiker zurück.

„Guten Abend!“ rief der Lieutenant barsch, indem er ihm den Weg vertrat.

„Gehorsamer Diener!“ brummte der Komiker erschrocken und in einem Baß, den er Lablache entlehnt zu haben schien.

„Verstellen Sie sich nicht – ich kenne Sie.“

„Ich bin’s nicht – ich bin ganz ein Anderer.“

„Sie sind Wenzel Scholz?“

„Warum nicht gar! keine Idee!“

„Leugnen Sie nicht! Im Theater habe ich oft herzlich über Sie gelacht, aber außerhalb desselben verstehe ich keinen Spaß, am allerwenigsten, wenn man meine Wege durchkreuzt.“

„Die Wege sind für Militair und Civil gebaut.“

„Sehr richtig, aber dennoch darf ich es nicht dulden, daß man Wege, die ich mir selbst gebahnt, mit mir gemeinschaftlich zurücklegen will. Sie werden mich verstehen und begreifen, daß Sie mir Genugthuung schuldig sind.“

„Was? Sie fordern mich?“

„Zu dienen. Morgen früh werde ich Ihnen einen meiner Freunde senden, um das nähere mit Ihnen zu verabreden. Auf Wiedersehen, mein Herr!“

Der Lieutenant grüßte kalt und förmlich und entfernte sich.

Am nächsten Morgen fanden sich auf einem lichten Platze eines naheliegenden Gehölzes die beiden Gegner gegenüber. Sie hatten die Röcke abgelegt, die Arme entblößt und Jeder hielt einen blitzenden Stoßdegen in der Hand. Die Secundanten hatten das Möglichste gethan, die Gegner zu versöhnen, aber der Lieutenant wies jeden Vergleich zurück, und Scholz hatte zu viel Ambition, ein Wort der Entschuldigung fallen zu lassen.

Aber als sich der Komiker in Positur stellte mit seinem martialischen pudelnärrischen Gesicht und den Degen kreuzen wollte, fing sein Gegner sowohl als die Secundanten aus vollem Halse zu lachen an, denn ihnen war plötzlich und unwillkürlich der „Klapperl“ eingefallen, die Rolle eines Tölpels, die Scholz unübertrefflich spielte.

„Was soll das?“ frug er ernst. „Hat ihnen mein Benehmen etwa Veranlassung zu dieser Heiterkeit gegeben?“

„Nein, nein, Ihr Benehmen ist das eines Mannes von Ehre!“ antwortete sein Gegner, gewaltsam das Lachen verbeißend. „Aber Sie haben ein so drolliges Gesicht, daß ich mit geschlossenen Augen werde fechten müssen.“

Der Zweikampf begann und schon nach einigen Minuten färbte sich das Hemd des Komikers. Die Degenspitze seines Gegners war ihm in die Brust gedrungen, hatte ihm jedoch nur ein wenig zur Ader gelassen, ohne edle Theile zu verletzen.

Die Gegner boten einander die Hände, feierten bei einer Bowle Punsch das Versöhnungsfest, und die komische Muse freute sich, nicht eines Priesters beraubt worden zu sein, für den sie wahrscheinlich in diesem Jahrhundert keinen Ersatz gefunden hätte.




Ein deutscher Dichter in Rom. Unter der Ueberschrift „Meiner Mutter“ brachte die Gartenlaube in der ersten Nummer des laufenden Jahrgangs ein dem tiefsten Gemüth entsprossenes, durch anmuthsvolle Form und zarteste Innigkeit des Gedankens sich auszeichnendes Gedicht, von dem wir nicht mit Unrecht voraussetzen, daß es weit und breit die Herzen ergreifen und ein inniges Verständniß finden würde. Das Gedicht war einem eben ganz neu aus der Presse gekommenen Touristenbuche entnommen, auf das wir hiermit nachträglich unsere Leser aufmerksam machen wollen, da es zu dem Frischesten, Liebenswürdigsten und Gemüthreichsten gehört, was seit langer Zeit auf dem Gebiete der Reiseliteratur erschienen ist. „Römische Schlendertage von Hermann Allmers“ (Oldenburg, Schulze’sche Buchhandlung). Allmers hat nicht über Rom geschrieben, um ein Buch zu machen. Was er dort mit gebildetem Geist betrachtet, gedacht und erforscht, mit der seelenvollen Empfänglichkeit und dem frischen und hellen Auge des deutschen Poeten geschaut und beobachtet hat, das ist ihm während seines Aufenthaltes in einzelnen Tagebuchsnotizen, Aufsätzen und Dichtungen gleichsam auf’s Papier geflossen. Dadurch erhalten die Schilderungen einen Charakter anspruchsloser Originalität, einen Ton individueller Wärme und Lebendigkeit, der das ganze Buch, in welchem sie nun aneinandergereiht sind, ungemein anziehend und erquicklich macht. Der Inhalt ist ziemlich reich, vielseitig, nach mancher Seite hin auch bedeutsam durch Neuheit der Gegenstände und der Anschauung. Wir nennen in letzterer Beziehung z. B. nur die höchst interessanten Capitel „Der italienische Volkscharakter“, „Schutt und Scherben“, „Vegetationsbilder“, „Zwischen den Mauern“, „Eine vergessene Stadt“. Was Allmers schreibt, ist charakteristisch und vor Allem: es ist deutsch in jeder Faser des Denkens, Empfindens und des Ausdrucks.



Zur Curirschwindelei. 1. Was ein Lohgerber mit seiner Lohe fertig bringt. Der Lohgerber Carl Dittmann in Berlin schreibt an Hrn. J. L. in Schw., welcher gehörkrank ist, wörtlich Folgendes: „Noch nie hat Jemand mit Gehörkranken so große Curen gemacht als meine Cur. Sie können hier Taubstumme sehen, die wieder hören und sprechen, die hier in dieser Cur geheilt sind, und so in den verschiedenen Fällen.“ Giebt es denn wohl noch eine größere Curirunverschämtheit?

2. Dank für Heilung der Schwindsucht durch Dr. Reimann in Berlin Es ist merkwürdig, daß viele der von. Dr. R. geheilten Schwindsüchtigen, die sich öffentlich für ihre Heilung bedanken, gar nicht zu existiren scheinen. Noch neuerlich wurde nach einem Kaufmann Müller in Ludwigslust vergeblich geforscht.

3. Dr. Killisch’s Heilmittel gegen Epilepsie, dessen Versendung früher durch die Wittwe Plaumann vermittelt wurde und das jetzt, wahrscheinlich in Folge eines Zerwürfnisses zwischen Doctor und Wittwe, von dieser für die Hälfte (per sechs Flaschen drei Thaler) des Killisch’schen Preises ausgeboten wird, ist, wie alle Geheimmittel, nichts als Geldschneiderei. Sein Hauptbestandtheil ist Bromkalium, ein Arzneistoff, der von den Aerzten seit Jahren gegen die Epilepsie, aber ganz vergeblich, verordnet wird. – Ein armer Weber, der natürlich durch dieses Mittel nicht curirt wurde, hat in drei Monaten an ärztlichem Honorar neun Thaler und für vierundfünfzig Flaschen Arznei in sechs Sendungen dreiunddreißig Thaler an Dr. Killisch bezahlt, abgesehen von dem Porto, das, da das Geld immer durch Postvorschuß entnommen wurde, sich ziemlich hoch belief. Uebrigens ist das unnütze Zeug nur wenige Thaler werth.

Aber die Dummen werden nicht alle! Bock.     



Instinct oder Ueberlegung. Vor Jahren besaß ich ein hübsches Exemplar der kleinen langhaarigen Wachtelhund-Race, das sich durch auffallende Klugheit vor vielen seines Geschlechts auszeichnete. Trouvé, so hieß mein Hund, konnte – wie jeder andere – nie der Verlockung widerstehen, wenn er einen Igel fand, stets von neuem mißlungene Versuche anzustellen denselben zu fassen und todtzubeißen. Eines Tages hatte er mich, wie gewöhnlich, auf meinem Gange in’s Bad begleitet, als er im Walde am Meeresufer wieder einen Igel fand, der sich sofort beim ersten Angriff zusammenkugelte. Trouvé’s Versuche, ihn zu fassen, blieben natürlich auch dieses mal erfolglos, und eine geraume Zeit zerstach er sich an dem Igel ganz nutz- und witzlos das Maul. Dann aber ließ er plötzlich von ihm ab und beobachtete ihn eine Zeit lang ohne zu bellen, hoffend, daß der Igel sich strecken würde. Als dieser aber gar keine Anstalten machte, seine vortheilhafte Stellung aufzugeben, begann Trouvé von allen Seiten mit den Vorderpfoten trockenes Laub zusammen zu scharren und dasselbe auf seinen Feind zu häufen. Er setzte diese Arbeit so lange fort, bis der Igel hoch mit Blättern bedeckt war; darauf faßte er ihn mit großer Gemüthsruhe und trug ihn wedelnd, und sich nach mir mit Befriedigung umsehend, in’s Wasser, wo er ihn fallen ließ. Natürlich beeilte sich der Igel wieder an’s Land zu schwimmen; kaum aber erschien der kleine Kopf über dem Wasser, so machte Trouvé mit wohlangebrachtem Biß dem Igel den Garaus, trug ihn an’s Land und legte mir sein Opfer triumphirend und mit den lebhaftesten Aeußerungen der Freude zu Füßen. C. v. R.     




Kleiner Briefkasten.


R. in V. Was können und sollen wir dagegen thun? Es existiren bereits fünf Gartenlauben – eine musikalische, eine österreichische, eine amerikanische, eine Kinder- und eine Theater-Gartenlaube. Wir gönnen allen freie Bahn.

K. H. in Lpz. Das Geld ist sofort an den armen Mann abgesandt. Eine öffentliche Sammlung liegt nicht in der Absicht der Redaction.



Inhalt: Reichsgräfin Gisela. Von E. Marlitt. (Fortsetzung.) – Ein Tag in Düsseldorf. Von Ferd. Heyl. Mit Portrait. – Die Königin von neun Tagen. – Die Hörnerschlittenfahrt im Riesengebirge. Mit Abbildung. – Polytechnikum der Gartenlaube. Nr. 2. – Blätter und Blüthen: Ein Duell des Komikers Wenzel Scholz. – Ein deutscher Dichter in Rom. – Zur Curirschwindelei. Von Bock. – Instinct oder Ueberlegung? – Kleiner Briefkasten.



Als Confirmationsgeschenk empfohlen!

Im Verlag des Magazins für Literatur in Leipzig ist in eleganter Ausstattung erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben:

Palmen des Friedens.
Eine Mitgabe auf des Lebens Pilgerreise.
Dichtungen
von Ferdinand Stolle.
5. vermehrte Auflage. – prachtvoll geb. 1½ Thlr.

Das Publicum, welches mit so großem Beifalle die in der Gartenlaube mitgetheilten Proben dieser Sammlung begrüßte, wird diesen herrlichen Blumenstrauß, in welchem sich derselbe Geist, dasselbe Gemüth in schöner Form widerspiegeln, gewiß doppelt willkommen heißen. Die Palmen des Friedens in ihrer prachtvollen Ausstattung dürften unter den poetischen Geschenken mit Recht einen der ersten Plätze einnehmen.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_192.jpg&oldid=- (Version vom 15.3.2020)