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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


von schwunghaft patriotischem Geiste beseelt. Der Dichter hatte sich nicht genannt; man rieth auf Grillparzer, und ein bairischer Schullehrer Bacherl, der denselben Stoff in ähnlicher Scenenfolge, aber in unmöglichen Versen behandelt hatte, machte dem Verfasser des „Fechters von Ravenna“ seine Lorbeeren streitig, und wurde in München sogar als der legitime Autor des Stücks von dem Theaterpublicum verherrlicht. Dieser „Fechter von Ravenna“ ist Halm’s bestes Werk und sichert ihm dauernden Nachruhm. Die Charakteristik des Cäsarenwahnsinns im „Caligula“, der damaligen römischen Sitten in den Gladiatoren der Fechterschule und dem römischen Blumenmädchen Lyciska war voll Mark und Kraft; der Ausdruck deutschnationaler Gesinnung voll erhebenden Schwungs; die dramatische Gliederung und Entfaltung der Handlung verrieth eine kundige Hand und war in stylvollen Linien gehalten; auch fehlte es dem Drama nicht an tragischer Größe, wenngleich das Heldenthum einer Mutter, die den andersgesinnten, dem Vaterlande ungetreuen Sohn tödtet, für unser modernes Empfinden immer etwas Befremdendes hat.

Friedrich Halm’s spätere Dramen hatten nicht den gleichen Erfolg. Ein romantisch duftiges, aber wunderliches Schauspiel, „Wildfeuer“, dessen Heldin ein als Knabe erzogenes und ihres Geschlechts unkundiges Mädchen ist, machte trotz anziehender Einzelnheiten keinen wohlthuenden Gesammteindruck. „Iphigenie in Delphi“, eine Dichtung von edler Einfachheit und klassischem Adel, konnte wegen des antiken Stoffes nicht Fuß auf den Bühnen fassen und auch „Begum Sumro“, von allen Stücken Halm’s dasjenige, welches trotz seines indischen phantastischen Hintergrundes die meisten Beziehungen zu den politischen Fragen der Gegenwart hat, machte nicht die Runde über die deutschen Bühnen.

Friedrich Halm ist ein Dramatiker von feinem künstlerischen Sinn, von vorwiegender Neigung für gewagte Probleme, in der Einfachheit der Anlage, in dem poetischen Duft der Diction an das Vorbild Grillparzer’s erinnernd; aber mit größerer Vorliebe für die weichen Linien des Stils. Er ist ein Dichter von vornehmer Haltung, der aber doch große volksthümliche Wirkungen erzielt hat. Seine tragische Muse war Frau Rettich, die ihm die Gestalten seiner Dichtung so lebensvoll verkörperte; für sie schrieb „Thusnelde“; ihr widmete er den „Fechter von Ravenna“ mit dem zueignenden Sonett:

„Begünstigt das Geschick ein redlich Streben,
So fügt es, daß auf unserm rauhen Pfad
Ein freundliches Gemüth dem Wand’rer naht,
Erquickend Trost und Beistand ihm zu geben.

So sah ich meine Pfade Dich umschweben
Und pflegen meiner Lieder junge Saat,
Und wenn er schüchtern vor die Menge trat,
Des Dichters Traum verkörpern und beleben!

Ich gab das Wort; Du liehst ihm Fleisch und Blut,
Der Anmuth Zauber und der Wahrheit Gluth,
Und leg’ dies Lied ich huld’gend vor Dir nieder.

Ist mir zu Muth fast, große Künstlerin,
Als reicht’ ich nicht ein Weihgeschenk Dir hin.
Als gäb’ ich Deine Gabe nur Dir wieder.“

Im Salon der Frau Rettich entfaltete Halm die feine Liebenswürdigkeit seines Wesens, während er bei mehr amtlicher Begegnung vielleicht diesem oder jenem als ein zugeknöpfter Bureaukrat erscheinen mochte. Doch auch auf seinem Bureau in der Bibliothek der Burg konnte er in lebhaftem Gedankenaustausch alles Bureaukratische abstreifen. Noch heute tönen mir die Elegien im Ohr, die er mir über den Geschmack und das Publicum der Gegenwart vorklagte; seine Anschauung von den Zuständen unserer Literatur war eine verzweifelte; er meinte, daß unsere Dichtung keine Würdigung mehr finden könne. Und doch übernahm er als Generalintendant nach Laube’s Abgang das Steuerruder des Burgtheaters und mußte alsbald aus den scharfen Kritiken seines Vorgängers erfahren, daß schon in den ersten drei Wochen dies Institut unter seiner Leitung in tiefen Verfall gerathen sei.

Noch erinnere ich mich, verehrte Frau, eines Abends im Salon der Frau Rettich, welche nicht blos eine hervorragende Künstlerin, sondern auch eine geistreiche Frau war, und aus ihrem Salon ein „bureau d’esprit“ gemacht hatte. Es war ein schöner anregender Abend – aber wenn ich seiner gedenke, ergreift mich Wehmuth über die Vergänglichkeit des Irdischen. Es sind nur Schatten, die jetzt vor meiner Seele schweben! Dahingeschieden ist der Dichter selbst, dessen hohe Gestalt so stattlich die Gesellschaft beherrschte; dahingeschieden ist seine tragische Muse; auch der wackere Jean Paul Oesterreichs, der so gemüthreich aus den großen Augen sah, Adalbert Stifter, weilt nicht mehr unter den Lebenden. Soll uns Schiller’s Spruch trösten:

„Wenn der Leib in Staub zerfallen,
Lebt der große Name noch!“

Ach, der großen Namen sind so viele und immer schwächer wird das Gedächtniß der alternden Zeit!




Blätter und Blüthen.

Zwei neue Schwindel. 1) Ein Herr T. G. A. Koerner in Breslau macht neuerdings „die Unterhaltung mit Verstorbenen“ zu einem Marktgeschäfte, d. h. „einem Jeden zugänglich“, der ihm einen seiner neuen Psychographen abkauft, das Stück zu drei Thaler incl. Emballage und unter der Garantie: „daß durch dieselben vollständige Beweise und Aufschlüsse über jenseitiges Fortleben der Seele, Enthüllungen über alle, wenn auch noch so dunkel und verborgen gebliebene Gegenstände durch die Unterhaltung mit den Verstorbenen leicht und einfach erzielt werden.“

Man sieht, der Aberglaube zieht sich nicht mehr in die Winkel zurück, er hat die Scheu abgeworfen, wird frech und speculirt auf die Geldbeutel der noch Zweifelnden. Vielleicht ist einer der für drei Thaler Eingeweihten so freundlich, uns zum allgemeinen Besten ehrliche Mittheilungen zu machen.

2) Die Zeitungen brachten jüngst folgendes Inserat: „Dauernder Nebenverdienst mit fixem monatlichen Honorar, von jedem gebildeten Herrn oder Dame in freien Stunden und an jedem beliebigen Wohnorte leicht zu versehen. Offerten werden unter Angabe der genauen Adresse und Beilage von 10 Kr. in Briefmarken behufs Rückantwort sub R. R. 100 poste restante Salzburg erbeten.“ Spottbillig! Nur 10 Kr. Die werden riskirt – und der kreißende Berg, welch Mäuslein heckt er? Oho! Wir sehen vor uns nichts Geringeres als ein „österreichisches Centralbureau für Kunst und Literatur“ und „in zwei Abtheilungen: 1) Litterarisch-artistische Abtheilung. 2) Comerziele Abtheilung.“ – Buchstäblich so! –

Die Aufgabe von Nr. 1 besteht 1) „in der Herausgabe einer oder mehrerer belletristischen Zeitschriften“; – 2) „in der Uebernahme von Censuren aller Geistesproducte, seien sie politischer, comerzieler, nationalökonomischer oder belletristischer Natur“; – 3) in Vermittelung behufs honorirter Aufnahme derselben in die verbreitesten Journale; – endlich 4) „in der Drucklegung und Verlagsübernahme von Novellen, Romanen, historischen Werken etc. gegen mäßige Provision.“

Die Aufgabe von Nr. 2: 1) „Verwerthung von allen litterarischen Producten und Kunstgegenständen mittelst Lotterie; ferners (!) 2) „Vermittelung des Verkaufs von solchen Gegenständen“; – 3) „ratenweiser Verkauf von allen Gattungen der in Oesterreich erlaubten Lose“; – 4) „Besorgung von allen nur möglichen auf diese Gegenstände Bezug habenden Auskünfte.“

Dieses große „Bureau“ braucht nun vor Allem „Korrespondenten“ und „Agenten“. Erstere müssen offenbar Schriftsteller sein, denn, nach den Statuten, haben sie nicht nur „die in den ihnen zugewiesenen Bezirken vorfallenden Begebenheiten auf das eifrigste zu sammeln“, sondern auch, „je nach Auftrag der Zentralleitung, Zeitungsartikel, Rezensionen, Novellen, Romane, historische Werkeje nach Maßgabe ihrer Befähigung – zu verfassen!“

Und dies Alles sind „Geschäfte“, welche „täglich nur einige Stunden erfordern“ – und ein Honorar eintragen, welches zwar „jede beliebige Höhe erreichen kann, doch monatlich mit fünf bis zehn Gulden östr. Währung garantirt wird“! – –

Ein Nebenverdienst von monatlich fünf bis zehn Gulden durch Verabfassung von Geschichtswerken, Romanen, Novellen! – Das kennzeichnet den Bildungsgrad der Unternehmer so deutlich, daß wir die Orthographie- und Stylfehler ihrer Schriftstücke ganz in der Ordnung finden.

Schließlich fehlt auch nicht der Hase im Pfeffer, denn zu den Aufnahmebedingungen für die Theilnehmer gehört nicht nur „unbeanständetes Vorleben“ etc., sondern auch §. 4: „Bei Annahme obiger Beschäftigungen ist als Aufnahmstaxe und für Ausstellung des Diploms ein Betrag von einem Gulden österreichischer Währung (gleich zwanzig Silbergroschen) zu erlegen, resp. einzusenden.“

Als Tag der Eröffnung dieses merkwürdigen Bureaus ist der fünfzehnte Juli verkündet. Wir brauchen wohl zur Empfehlung des Unternehmens kein Wort weiter zu verlieren.


Gefunden! Von den Geschwistern Freyer aus Mohorn bei Tharand (Nr. 13 der Vermißten, S. 383, Jahrg. 1870 der Gartenlaube), die seit neun Jahren für die Ihrigen völlig verschollen waren, ist, in Folge unserer Nachfrage, bestimmte Nachricht aus Amerika gekommen. Hedwig, die Schwester, lebt mit ihrem Gatten, dem Gärtner Dietrich, in Baltimore, der eine Bruder, Franz, in Marietta, und der andere, Hugo, ist im Unionskriege gegen die Secessionisten bei einem Flußübergange ertrunken. – Warum die Geschwister in dieser langen Zeit nie den Ihrigen geschrieben – das ist auch in dieser „Vermißten“-Angelegenheit eine Frage, die man nicht ohne Kopfschütteln aufwerfen kann.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 512. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_512.jpg&oldid=- (Version vom 12.10.2017)