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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

hatten unter’m Sande verborgen gelegen, und ein im Hintergrunde versteckt gewesener, jetzt hervorkommender Hummer schreckt sie bei seiner graciösen Promenade über den Meeresboden aus ihrer unsichtbaren Ruhestätte auf.

Und was schwimmt oder schwebt denn hier in dem folgenden Becken? Was ist bei diesem Geschöpf denn rechts und links oder vorn und hinten? In der That, der erste Eindruck, den schwimmende Rochen auf den Beschauer hervorrufen, rechtfertigt wohl das Erstaunen, das sich nicht selten in Fragen wie die eben angedeuteten expectorirt. Wenn diese quermäuligen Fleischlappen mit der flachen lichten Bauchseite an der Scheibe des Beckens sich „emporhaspeln“, so gehört keine überschwängliche Phantasie dazu, den Vergleich mit einem menschlichen Gesicht naheliegend zu finden. Nicht weniger fällt durch seine absonderliche Gestaltung eine andere Fischgattung auf, die in demselben Becken „herumläuft“. Der Knurrhahn, der jedes Angreifen sich mit vernehmlichem Knurren verbittet, scheint in der That bei dem ersten Anblick auf jeder Brustseite drei Beine zu haben und diese – es sind freie unverbundene Strahlen der Brustflossen – auch ganz regelrecht zu Schreitübungen zu verwenden. Die Beine der Krabben und Einsiedlerkrebse wenigstens, die wir in allen Becken vertheilt finden, werden zur Fortbewegung nicht viel anders aufgesetzt, als wie der Knurrhahn seine Flossenstrahlen bewegt, sobald er dicht über den Boden dahingleitet.

Ein weiteres Becken führt uns die feierliche Stille, wie wir sie uns auf dem Meeresboden vorzustellen pflegen, in ernstester Schönheit vor. Dasselbe ist frei von allen Hochschwimmern, denen das Auge unwillkürlich folgt, wenn sie das Becken schnell im neckischen Spiel oder langsam mit würdevoller Grandezza durchziehen. Der Besucher glaubt daher hier anfänglich nur auf Seepflanzen zu blicken. Und doch ist auch hier fast Alles lebend, fast Alles dem Thierreich angehörend, Sabellen und Serpeln, jene Röhrenwürmer, deren zarte und zartgefärbte Fühlerkränze selbst mit den gleichsam nur hingehauchten Tentakeln der Seenelken wetteifern, Korallen, Seeigel, See- und Sonnensterne, Meerhand – Polypenstöcke an Buntheit und seltsamen Formen einander überbietend – und zwischen und theilweise über ihnen der grüne Sammetteppich der Alge – dem Maler, der dies farbengetreu wiedergeben wollte, würde man Uebertreibung vorwerfen. Das Gleiche gilt von dem folgenden Blumenthierbecken, den Erdbeer-, Gürtel-, Edelstein-, Schmarotzerrosen, dazwischen die in Größe besonders ausgezeichneten grünen Fadenrosen des Mittelmeeres mit ihren violetten Spitzen – ein Blumentableau unter Wasser in täuschender Nachahmung! –

In Farbenreichthum Alles übertreffend, eine lebendige Kalospinthechromokrene erscheinen die Lippfische der folgenden Becken (Gruppe I unserer Abbildung, links). Ultramarin-, Pfauen-, Fünffleck-, Zebra- etc. Brassen, ihr Name ihrem Schuppenkleide entlehnt, sind Fische von so prachtvoller Zeichnung, daß der Verdacht künstlicher Färbung verzeihlich erscheint in der Vorstellung des schwergläubigen Kritikers, dem Karpfen, Schlei und Blei etc. als die Hauptrepräsentanten von Wasserbewohnern geläufig sind. Und nicht nur die südlichen Meere liefern solche Farbenmusterkarten, die schon erwähnten Ultramarinbrassen wie die Seeschleien der Nordsee dürfen vollen Anspruch darauf erheben, mit jenen um den Preis der Schönheit zu ringen. Schmuckloser, doch gefällig und ansprechend ist die Besetzung der Becken des sogenannten Achtecks mit seinen Seescorpionen, Seebullen, Grundeln, Aalmuttern, Seeäschen und Karauschen – es wird einem von allem Sehen ganz schwindlig – da winkt in der Ecke ein kleines „Kapellchen“ und ladet den Wandrer zum – Beten? – nein – zum frischen Trunk ein – doch rastlos treibt es ihn weiter fort. So kommen wir den Felsengang herauf, in welchen wir aus der Gruppe I zur Rechten hineinblicken. Es verlohnt hier wohl, den Blick nach oben und rundherum wandern zu lassen, um sich des prachtvollen Felsgrottenbaues bewußt zu werden, der sich hier um und über uns erhebt. Die Genialität des Baumeisters scheint hier sich selbst übertroffen zu haben; es ist nicht denkbar, daß dieser Theil noch künstlerischer, noch großartiger hätte ausgeführt werden können. Als wandelten wir in einem sagenhaften Schloß auf dem Meeresgrunde und sähen hinaus in die umgebenden Fluthen – so blicken wir in die Basaltbecken (Gruppe K ) und ihren prachtvollen Actinieninhalt.

Die Treppe zur Linken hinauf – und wiederum stehen wir vor der schon einmal bewunderten geologischen Grotte, diesmal am Fuß derselben, in unmittelbarster Nähe der dort sich tummelnden Wasservögel und des in graziösen Schwimmübungen auf Fische jagenden Seehundes. Im weitern Verlauf gelangen wir in den Gang, an dem zur Rechten das größte Seebecken des Instituts die größten seiner Insassen zeigt: Seeaale, Störe, Dorsche in respectabelstem Format, Pfeilschwanz- oder Molukkenkrebse mit ihren colossalen Kuppeldächern, kleinere Dorn- und Katzenhaifische, und oben, wie in der Luft einem Raubvogel gleich schwebend, die riesigen Seeschildkröten. Nach links sehen wir noch einmal durch einen Felsendurchbruch (L) unten auf das gesammte Achteck, oben auf die in regster Lebendigkeit auch hier sich präsentirende Volière – und scheiden aus den schönen für Belehrung und Unterhaltung gleich herrlich ausgestatteten Räumen mit dem stolzen Bewußtsein: das unvergleichliche Denkmal monumentaler Baukunst, diese kunstvolle Stätte für wissenschaftliche Forschung nicht bei andern Nationen suchen zu müssen – sie unser nennen zu dürfen!

Carl Nißle.


Blätter und Blüthen.

Das erste Schillerdenkmal in Tirol hat, wie man uns aus Meran schreibt, der Dichter des „Liedes vom neuen deutschen Reich“, Oscar von Redwitz, aufgestellt. Derselbe hat sich bekanntlich seit vorigem Herbst in Meran dauernd niedergelassen und daselbst am Obermaiser Kirchsteig eine Besitzung käuflich erworben, welcher er nach vollendetem Ausbau den Namen „Schillerhof“ gegeben hat. Dem großen Dichterfürsten zu Ehren, steht nun dessen Kolossalbüste, aus fleckenlosem Carraramarmor in doppelter Lebensgröße gebildet, auf granitenem Postament in der Gartenanlage zwischen immergrünem Strauchwerk, von den Hochalpen umragt, in einer wahrhaft imposanten Landschaft voll Majestät und harmonischer Schönheit. Die meisterhafte Büste ist von den kunstfertigen Händen Kaspar Zumbusch’s modellirt worden – desselben, dem München nach sechsjähriger angestrengter Arbeit des Künstlers noch in diesem Herbste sein großartiges König-Max-Denkmal verdanken soll und der unter den deutschen Bildhauern jetzt wohl in erster Reihe genannt wird. – Nun haben auch hier Dichter und Bildhauer vereint ein Werk geschaffen, das ihnen Beiden gleich zur Ehre gereicht; seine Aufstellung aber begleiten auch wir mit dem aufrichtigen Wunsche, daß dieses lorbeergekrönte, an der Grenzmark deutscher Sprache und deutscher Sitte ragende Schillerdenkmal unangetastet und unentweiht fortan stehen möge, ein würdiges Symbol jener leuchtenden Ideen, als deren erhabenen Träger wir Schiller immer verehren und die – wir sind dessen gewiß – eine bleibende Wohnstätte auch in den schönen Thälern Tirols noch finden werden.

Nachträgliches. Den Aufsatz „Der Deutschen Nordmark Ehrenwacht“ in Nr. 44 (1872) unserer Zeitschrift haben wir durch die Erklärung zu berichtigen und zu ergänzen, daß auch der nunmehr verstorbene Berliner Bildhauer P. W. Stürmer einen hervorragenden Antheil an den Siegesdenkmalen auf den Düppler Höhen und zu Arnkiel hat, indem die figürlich-künstlerischen Ausführungen der acht Soldatenbilder, welche diese Monumente zieren, die letzten Werke dieses verdienten Künstlers sind.


Kleiner Briefkasten.

C. T. in O. Dem braven Lootsenjungen Fritz Kruse ist so wenig, wie unseren armen Landsleuten an der Ostsee, mit Gedichten zu helfen. Wen das Unglück an sich nicht gepackt hat, der wird auch die Verse darüber nicht lesen; und wenn wir alle Gedichte drucken lassen wollten, die uns mit und ohne Unterstützungsgeld zugeschickt werden, so würden wir Leser und Geber längst selber vertrieben haben. Uebrigens haben sich für Fritz Kruse dessen Vormünder öffentlich verwendet und bitten, Gaben für denselben an den Rathmann N. Mildenstein zu Burg auf Fehmarn adressiren zu wollen. Wie groß auch die Theilnahme für den auf so schreckliche Art zur Waise gewordenen Knaben in Schleswig- Holstein ist, so hat doch die Bevölkerung von der Sturmfluth so schwer gelitten, daß es allerdings auswärtiger Hülfe bedarf, um den braven Jungen zu einem tüchtigen Manne zu erziehen.

Frau F. Th. in Rostock. Es ist sofort nach Ihrer Anweisung verfahren worden. Da Sie auf Wilhelm Bauer’s Siegelring schon überboten waren, so übersandten wir, streng nach Ihrer Anordnung, die betreffende Summe ihm selbst. Eine Quittung konnten wir für Sie nicht unter den Gaben für die Ostsee-Verunglückten ausstellen, und Wilh. Bauer konnte Ihnen nicht direct schreiben, weil Sie Ihre Adresse nicht genannt haben, sonst würden Sie, wie er uns mittheilt, sofort eine Photographie mit einigen Dankesworten von ihm empfangen haben.

G. F. in Gr. Doch gar zu leichte Waare für unser Blatt.

Berichtigung. In dem Artikel „Erinnerungen aus dem Indianeraufstand in Minnesota“ in Nr. 7 der Gartenlaube ist Seite 118, erste Spalte, letzte Zeile unten statt „und das Fort auch glücklich erreichte“ zu lesen: „und das Dorf auch glücklich erreichte“.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_170.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)