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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


documentiren strebte, davon sollte ich während dieses Gastspiels einen ungesuchten Beweis erhalten. Er spielte den Rubens in dem Birch-Pfeiffer’schen „Rubens in Madrid“. Im Laufe des Stückes verkleidet sich Rubens in einen alten holländischen Maler, und Emil Devrient spielte diesen Theil der Rolle mit von der Last der Jahre gebeugtem Rücken, am Stock gehend, völlig greisenhaft. Ich und mehrere Collegen standen hinter dem Prospect, als er nach dieser Scene abging. Kaum hatte er die Thüre hinter sich, als er mit einem aus tiefster Brust geholten „Ah!“ sich hoch emporrichtete, den Umstehenden gewissermaßen andeutend, wie schwer ihm die gebeugte Greisenhaltung geworden sei. Gleich darauf ging er in seine Garderobe, welche an das Conversationszimmer stieß. Als ich kurz darauf in dieses letztere ging, warf ich unwillkürlich einen Blick in die halbgeöffnete Garderobe Devrient’s. Da lag der Mann, mit schwer arbeitender Brust, vollständig erschöpft im Stuhle. Diesmal war es kein Verbergen des natürlichen Zustandes, umsoweniger, als er sich unbeobachtet glaubte. Ich kann nicht leugnen, daß ich dem großen Meister die demonstrative Jugendlichkeit bei seinem Abgange gern erlassen hätte!

Im April 1864 kehrte er gelegentlich des Shakespeare-Jubiläums nochmals zu einem Gastspiele zurück. Er spielte den Hamlet. Rosencranz und Güldenstern waren durch mich und einen ähnlich in den Schuhen der Anfängerschaft steckenden Schauspieler vertreten. Mit Zittern und Zagen geht man als „blutiger“ Anfänger zur Probe, wenn man weiß: Du spielst heute mit Emil Devrient! Und unser verdienter Regisseur hatte mir gesagt:

„Nehmen Sie sich zusammen! Es ist schwer mit Emil zu spielen.“ Demnach bebte ich pflichtschuldigst. Ich ziehe zwar stets meinen Hut vor Shakespeare, aber in diesen Rosencranz und Güldenstern hat er – die Theatersprache sei mir erlaubt! – ein Paar sehr netter Jungen geschaffen. Derartige Rollen erfordern doppelte Aufmerksamkeit, wenn sie nicht das hochgeehrte Publicum unter gewissen Umständen zu mitleidigem Lächeln reizen sollen.

Die Probe ging ganz gut. Nur Eins hatte mir der Meister eingeschärft:

„Wenn Sie mir die Flöte überreichen, so thun Sie es in dieser Weise.“ Er zeigte es mir umständlich.

Abends war ich sehr befangen, und dieser verwünschten Befangenheit verdanke ich es wahrscheinlich, daß ich ihm die Flöte nicht so, wie er es wünschte, übergab. Noch ängstlicher wurde ich, und der Boden brannte mir unter den Füßen, als ich bemerke, daß diese Unterlassungssünde meinerseits den großen Meister ebenfalls vollständig aus dem Concept gebracht hatte. Eine ziemlich lange Pause entstand! Das Publicum harrte achtungsvoll und mit bekanntem Verständniß fand es wahrscheinlich innerlich diese große dramatische Pause ganz zweckentsprechend! Weiß der Himmel, wie es kam, daß der Humor sich mir selbst in dieser peinlichen Situation aufdrängte!

Niemals werde ich den vornehm-mitleidigen Blick vergessen, den der Meister mir beim Abgange zuwarf und den ich in meines Nichts durchbohrendem Gefühle demüthig hinnahm. Dieser Blick sprach mir alles Talent ab, obwohl ich hoffen durfte, daß er sich darin geirrt habe. Aber trotzalledem: ich verehrte ihn doch hoch und verehre ihn noch heute – den großen Emil Devrient!

Arno Hempel.




Blätter und Blüthen.

Ein Tanz auf der Alm. (Mit Abbildung, S. 175.) Wir glauben unsere Leser abermals mit einer ebenso tüchtigen als lieblichen Künstlerleistung zu erfreuen, indem wir ihnen ein zweites Bild aus dem Alpenleben von Franz Defregger in einem gelungenen Holzschnitte vorlegen. Die erste Illustration von der Hand desselben jungen Meisters erhielten sie 1870 mit Nr. 4 der Gartenlaube, wo er den Tirolerhelden Speckbacher darstellt, wie er seinen Sohn Anderl als Landesschützen wiedersieht. Schon jene Gestaltengruppe aus dem wilden Kriegsjahre von 1809 zeigte uns, wie redlich und eifrig Defregger danach strebte, durch seine Kunst in edlen Gebilden die Wahrheit der Natur zu erreichen. Daß er in diesem Streben glücklich fortfuhr, bewies er mit einem zweiten Bilde, „Tiroler Ringer“; das Vortrefflichste aber leistete er mit seiner jüngsten Schöpfung, der „Tanz auf der Alm“ (nicht Ball, wie man es in Berlin nannte), ein Gemälde, das bei der Ausstellung in Berlin ungewöhnliche Anerkennung fand, das sogar Friedrich Pecht, der strenge Richter, mit seinem ungetheilten Lobe beehrte, dem wir uns in dem Folgenden anschließen.

Der Künstler führt uns in eine Sennhütte, in welcher sich eine lustige Gesellschaft zusammengefunden hat. Da ist wahrscheinlich die Red’ auf das Schuhplatteln gekommen, und sofort ist ein alter Hirt oder Führer bereit, dem jungen Geschlechte den alten originellen Gebirgstanz wieder beizubringen. Er tritt eben dazu an und schnalzt lustig im Andenken an seine „gute alte“ Zeit, und ein Altersgenosse in der Ecke bei der hereindrängenden Kindergruppe ist offenbar derselben Anschauung und jubelt ihm zu, während in dem Köpfchen des liebreizend zum Tanz angetretenen Mädchens wohl die Schelmerei stecken kann, nun auch die richtige Partnerin eines so alten Tänzers zu machen.

So thaufrisch und überzeugend wie diese beiden Hauptfiguren sind auch fast alle anderen empfunden, welche sich in den mannigfachsten Gruppen als Zuschauer um sie versammelt haben. Aber auch die beiden Musikanten verdienen unsere Aufmerksamkeit um so mehr, als der Künstler hier sich das Vergnügen gemacht hat, sie in voller Thätigkeit zu zeigen, ohne daß wir nur ein Stückchen von ihren Instrumenten sehen. Das aufmerksame Niederschauen auf seine Hände zeigt den Citherspieler, der bis zum Ellenbogen hinausgestreckte rechte Arm und die erforderliche Kopfneigung den Schwegelpfeifer an. Sie haben sich bescheiden in die Ecke neben dem großen Herd gedrückt, auf welchem soeben die großen Würste aus dem Kessel in die Schüssel kommen. „Besonders,“ so schließt Pecht sein Urtheil, „ist der Kinder fröhliche Neugier unübertrefflich nüancirt, wie dies außer Vautier eben nur Defregger so kann. Wenn er nicht so reich an Erfindung ist, nicht so edel, fest und sicher zeichnet und modellirt, wie jener, so hat er dafür eine noch größere Frische und Unmittelbarkeit voraus, die sich zu jenem verhält wie naive Poesie zur Kunstpoesie. Auch ist seine Farbe tiefer und gesättigter, mehr individualisirt.“ Andere, die der Münchener Kunststätte näher stehen, behaupten sogar, Defregger’s „Tanz“ sei geradezu das beste Genrebild, das in München seit Piloty’s Lehramt gemalt worden, und es könne durch seine einfach ansprechende, nicht überladene Composition, durch die lebenswahren Gruppen, durch die Reellität der Charaktere und ihre ungekünstelte Lebensfreude an die Seite von Knaus’ „Taufe“ gestellt werden. Jedenfalls verdient ein junger Künstler, der mit einem Vautier und Knaus verglichen wird, alle Beachtung.

Leider ist des Künstlers Gesundheitszustand ein so beklagenswerther! Mit nun gänzlich gelähmten Beinen kann er nur auf dem Sopha liegend arbeiten, er – der Sohn der Tiroler Berge! Carl Piloty verdanken wir die Auffindung dieser Künstlerperle. Als einfachen Tiroler Landmann nahm er ihn zu sich und bildete aus ihm den Meister, der seiner Schule und ihm stets zur Zierde und Ehre gereichen wird.



Für unsere unglücklichen Ostsee-Deutschen

haben zu unserer Freude deutsche Landsleute in Callao (Republik Peru) in Südamerika eine Sammlung veranstaltet, deren Ergebniß uns in einer Tratte von 234 Pfd. Sterl. 7 Sh. 6 P. (1560 Thlr. 10 Ngr.) vor einigen Tagen zuging. Den Comitémitgliedern Ad. Schulz, Carl Krug und Friedr. Lang, sowie allen Landsleuten drüben, besten Dank und Gruß dafür!

Karl Krug 50, aus der Sparbüchse der Kinder Wilhelm (5), Karl (3), Adolf (2), Mathilde Krug (1), zusammen 11, Wilhelm Zöllner 50, Johannes Claußen 20, Friedrich Lang 30, aus der Sparbüchse der Kinder Mathilde (2), Adolf (2), Ottilie Lang (1), zusammen 5, Karl Weiß 50, Eduard Gaats 50, Heinrich Helsen 5, Ernst Heine 5, G. Bohl 8, Emil Othon 10, Alexander Wolff 5, E. W. Sartori 8, Joseph Bachebele 20, Christian Brenner 20, A. Heitkamp 5, A. Urban 5, P. Grühm 5, Jacob Kaiser 20, Wilhelm Scheel 100, Joh. Voß 20, Moß u. Comp 50, Rodatz u. Comp. 50, Heinrich Hamm 10, Adolf Kruse 10, Th. Stöckchen 5, August Borchers 2, Chr. Mayer 2, Gustav Heil 10, Adolf Biber 10, Julius Peters 10, Nicolas Wohlers 10, J. von der Bosch 5, C. J. Breiding 30, aus der Sparbüchse der Kinder Heinrich, Elise, Emil und Karl Breiding 4, Wittwe Langnickel 10, Frdr. Funk 10, C. T. Thienell 10, H Buschmann 2, August Jenssen 2 Soles, Heinrich Heinson 50 Cent, J. Repinsky 1, H. Wobbe 10, Heinrich Prüß 30, Georg Stamm 30, Bernhard Plaga 15, Adolf Schulz 30, Chr. Oettinger 4, Karl Soltau 5, Adam Haag 2, Henry Smith 2, Johannes Wind 40, Emil Gätjens 20, O. J. Redlich 5, Georg Henkell 8, Adolf E. Kretschmer 10, Wilhelm Wiese 40, F. Möller 5, M. Müller 5, Thomas Escribens 20, J. Jahnson 3, J. Averdieck 20, José Ignacio Contreras 2, Bertha Schmidt 10, J. Lüders 4, J. P. Martin 10, Bernhard von Hagel 2, Joh. Wollenberg 20, H. Mayer 5, F. Gründer 2, Bruno Lindenberg 5, Louis Ungefroren 5, Kieffer u. Dennis 10, Anton Janssen 20, Johann Hahn 2, Andreas Breimann 5, Christian Breimann 4, Wittwe Gonzalez 5, Th. Petersen 1, Bernhard Prüß 40, J. Bobzien 10, H. Krohn 8, M. Württele 10, F. Lüthje 5, Louis Friedrichsen 1, Christian Krüger 1, Ungenannt 20, zusammen 1251 Soles 50 Cent,

Gesammtbetrag der Sammlung: 10,498 Thlr. 5 Ngr. 1 Pf.

Quittung über die inzwischen noch eingegangenen reichen Gaben folgt in einer der nächsten Nummern.

Die Redaction.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_186.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)