Seite:Die Gartenlaube (1873) 266.JPG

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Nun wenden wir uns zu der nahen neuen Restauration. Ein großes prächtiges Gebäude, vorn mit großer freier Treppe und bedeckter Veranda, zur Seite mit offener Speisehalle, welche für Hunderte Raum bietet. Der Blick von der großen Treppe, zu welcher Terrassen emporführen, durch die prächtigen Eichen hindurch auf den belebten und bevölkerten Teich, auf die sprühende Fontaine, auf die in türkischem Stile erbauten Häuser für die Reiher und Kraniche, welche sich von dem Grün der Bäume wunderbar schön abheben, der Blick auf die Tausende von Menschen, welche den ganzen Platz vor dem Teiche und unter den Bäumen erfüllen, der Blick auf den prächtigen Musik-Kiosk – dies Alles übt einen großartigen, berauschenden Eindruck aus. Hier ist das Leben einer Weltstadt; hier empfindet man, welchen mächtigen Zauber der zoologische Garten ausübt. Zwölftausend eiserne Stühle und mehr als fünftausend Tische stehen vor der Restauration und doch reichen sie sehr häufig für die Gäste nicht aus, obschon fortwährend Hunderte von Besuchern auf der Wanderung durch den Garten begriffen sind, und Hunderte in der alten Restauration sich niedergelassen haben.

Der zoologische Garten ist durch Bodinus zu dem Lieblingsaufenthalte für die Berliner, zum Zugorte für alle Fremde geworden. Wer sich hinaussehnt aus dem Staube und dem Gedränge der Stadt, der eilt in den zoologischen Garten, trinkt Morgens still dort seinen Kaffee, speist Mittags mit Freunden daselbst und sieht Nachmittags die feine Welt um sich versammelt. Wir müssen dem Wirthe der Restauration, Schneider, Gerechtigkeit widerfahren lassen: er bietet Alles auf, um seine Gäste zufrieden zu stellen. Wir haben manchen Fremden gesprochen, der erstaunt war, in dem zoologischen Garten wohlfeiler zu leben, als in seiner kleinen Provinzialstadt. Um einen Maßstab für die Größe des Verkehrs zu geben, wollen wir hinzufügen, daß der Wirth an einzelnen Tagen mehr als zweihundert Kellner zur Bedienung hat.

Wir haben den Leser nur ganz flüchtig durch den Garten führen können und Manches überschlagen müssen. Alles, was er gesehen hat, ist Bodinus’ Werk. Thiere, Häuser und Landschaft sind stets in der sinnigsten Weise gruppirt; wohin das Auge blickt, empfängt es einen wohlthuenden Eindruck. Bodinus ist ein Mann mit der größten schöpferischen Thatkraft und der diese ganze Kraft für den Garten einsetzt. Wir werden den Lesern der Gartenlaube nächstens das Bild dieses genialen Mannes bringen; wenn sie vorher den Garten besuchen und sie sehen einen großen, stattlichen und schönen Mann mit dunkeln lebhaften Augen und entschlossenen, aber doch freundlichen Zügen durch die Menschen dahinschreiten, dann dürfen sie dreist den Hut vor ihm abziehen, denn es ist Bodinus und der mächtige, schwarze Neufundländer, der ihm folgt, der gehört ihm; es ist sein „Mohr“.

Fr. Fr.


Schöne Geister und schöne Seelen.
Eine Dichterfreundschaft.

In einem alten düstern, aber stattlichen Hause der Oderstraße zu Frankfurt an der Oder wohnte Frau Wagner, die Wittwe eines reichen Weinhändlers, eine originelle, humoristische Dame, die zu den Honoratioren der Stadt gezählt wurde. Doch genügte diese Auszeichnung ihrem Ehrgeize nicht, und als einst ein General von Zielinski, eine der militärischen „Spitzen der Behörden“, die in kleinen Städten wie halbe Monarchen gefeiert werden, Wohlgefallen an ihrem erblühenden Töchterchen fand, beredete sie dasselbe, den alten Mann zu heirathen und die Schaar der jugendlichen Verehrer von sich zu weisen.

Die junge schöne Generalin fühlte sich jedoch durchaus nicht unglücklich; wie die Dame von Savern streng gegen Huldigungen erotischer Art, ließ sie sich gern als vornehme Dame feiern. Eine reizende Villa am Ufer der Oder, nahe bei dem Denkmal des Herzogs von Braunschweig, richtete sie sich als Tusculum ein und verbrachte hinter dem vergoldeten Gitter ihres Balcons das glückliche Traumleben der ersten Jugend. Schon damals ging ihr nachheriger Gemahl, Herr von Treskow, in stiller Bewunderung vor dem bezaubernden lebenden Bilde vorüber, das sie unbewußt darstellte. Einmal begleitete er eine Dame, deren Schöngeisterei mit ihrer Bildung nicht gleichen Schritt gehalten hatte; sie sagte: „Das ist doch die schönste Wohnung der Stadt; ich bin ganz verliebt in dem Hause.“

„Ja, auch ich bin ganz verliebt in dem Hause,“ seufzte er, den Beugefall in seinem Falle richtiger anwendend als die Dame, die jedoch aus dieser Aeußerung Stoff zu einer Klatschgeschichte zog und die Aufmerksamkeit der bösen Welt auf die Neigung des Lieutenant von Treskow für die Generalin von Zielinski lenkte.

Als letztere kurze Zeit nach ihrer Verheirathung Wittwe wurde, schien sie jedoch nicht geneigt, die wiedergewonnene Freiheit sobald wieder aufzugeben, sondern folgte einer Einladung Rahel’s von Varnhagen, nach Berlin zu kommen. Dort brachte ihr Rosenantlitz im Trauerflor eine vollständige Bezauberung hervor. Rahel selbst liebte die Schönheit wie eine Wohlthat und bewunderte sie völlig neidlos; in ihrem Salon wurde die junge Generalswittwe als Idol verehrt, von ihr selbst wie eine Tochter geliebt. Die berühmten Männer, die damals bei Rahel verkehrten, Heine, Karl Schall, Chamisso, Fouqué und vor Allen der Fürst Pückler-Muskau, huldigten der schönen Frau und entdeckten bald, daß ihr Geist ihre Schönheit noch überstrahlte. Aber auch ihr Herz war nicht aus geringerem Stoffe; es zog sie mit Allgewalt zurück nach Frankfurt, wo ihre alte Mutter weilte, eine traute Häuslichkeit und vielleicht auch ein anderes schönes Erdenglück ihr winkte. Ein Brief von Rahel an sie giebt so anmuthigen Aufschluß darüber, daß er hier folgen möge:

„Sonntag, den 25. September 1831 (bei einer idealischen Mondnacht, die ordentlich fruchtbares Wetter in sich hat, aber leider gewiß uns wieder starken Regen bringt).

Liebe Tochter!

Wie gönne ich Ihnen Ihr Zuhause! das Sie mir so reizend beschreiben, wie Sie es nach Ihrer Rückkehr gefunden haben. Ihre Muße, Stille, Aufgeräumtheit der Zimmer, Möglichkeit zum Fleiß – den weiten Horizont Ihrer Fenster, die Lichter in der Ferne, die Umrisse der Bäume, den hellen Himmel und sein Wolkenspiel, die frische Luft, den Geruch, die Farben der Landschaft, das Schwanken der Zweige und Gewächse, des Windes Töne, das Wasser, den Garten, Alles, Alles. Es ist eine Erholung, wenn ich Sie mir in diesem Asyl denke, – schönes Local und ungestandene Liebe, – unsere uneigennützige Freundschaft nicht zu vergessen! – Pückler ist in Ihrem Anblick so vergnügt gewesen, als wenn ein sechsundzwanzigjähriger Mensch zum ersten Mal eine Rose gesehen und bis dahin alle anderen Blumen geliebt hätte.“ – –

Die „ungestandene Liebe“ kam indessen doch endlich zum Aussprechen und die Generalswittwe entschloß sich eine Lieutenantsfrau zu werden. Die ehrgeizige Mutter erzürnte sich darob mit ihr und verweigerte jede Unterstützung aus ihren reichen Geldmitteln. Die Wittwenpension fiel durch die Wiederverheirathung fort, ebenso eine Leibrente, welche die Familie ihres ersten Mannes gezahlt hatte. Die gesetzlich vorgeschriebene Caution bei einer Officiersehe konnte nicht geleistet werden. Herr von Treskow hatte daher die Wahl, entweder seinen Abschied zu nehmen oder die Heirath aufzugeben. Er entschloß sich zu ersterem, und das liebende Paar sah sich darauf angewiesen, die „Hütte“ für sein Glück anderweitig zu bauen. In Frankfurt ging dies nicht an; die Erinnerung an die früheren glänzenden Verhältnisse wäre allzu störend gewesen. So wurde denn Berlin zum Aufenthaltsort gewählt. Indessen belohnte man dort geistige Arbeit sehr karg, und andere verstanden die jungen Eheleute nicht zu thun. Es ging ihnen anfangs traurig genug, doch besiegten sie durch Fleiß und Wissen bald die tägliche Noth. Die Kenntniß fremder Sprachen war damals noch nicht so allgemein verbreitet wie jetzt. Herr von Treskow erlangte dadurch eine Anstellung im Ministerium des Auswärtigen und erwarb auch durch belletristische Uebersetzungen manche Zubuße zur jährlichen Ausgabe. Sein lebhafter Geist warf sich auch auf das noch wenig bebaute Feld der finanziellen Speculation, und so gelang es ihm, nach verhältnißmäßig

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_266.JPG&oldid=- (Version vom 7.6.2021)