Seite:Die Gartenlaube (1873) 413.JPG

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


über Schweitzer’s Musik unbarmherzig ihre Geißel. Noch Zelter bemerkte in seinen Briefen an Goethe, daß ihm die Schweitzer’schen Arien, besonders die des Hercules, nicht gefallen hatten, setzte aber auch hinzu: „Uebrigens war Schweitzer kein unebener Mann.“

Doch auch gegen die Wieland’sche Dichtung richteten sich die Angriffe. In den Augen der Kraftgenies vom Main und Rhein forderte Wieland’s Recension des „Götz von Berlichingen“ Rache, forderten die weichliche Empfindsamkeit in Wieland’s „Alceste“, der Mangel an heldenmäßiger Darstellung, welche die griechischen Heldengestalten darin gefunden, sowie die Selbstlobpreisung Wieland’s nachdrückliche Strafe, und der junge Dichter des „Götz“ schritt (1774) ungesäumt an’s Werk. An einem Sonntag-Nachmittag bei einer Flasche guten Burgunders schrieb er in Einer Sitzung die Farce „Götter, Helden und Wieland“ nieder, worin er in der Unterwelt von Mercur, Hercules, Admet, Alceste und Euripides Wieland’s Schatten in der Nachtmütze auf das Derbste und in den Kraftausdrücken der Sturm- und Drangperiode den Text lesen läßt. Wieland vergalt nicht mit gleicher Münze; mit feiner Klugheit empfahl er vielmehr in seinem Mercur „die kleine Schrift allen Liebhabern der Pasquinischen Manier und als ein Meisterstück von Persiflage und sophistischem Witze, der sich aus allen möglichen Standpunkten sorgfältig denjenigen auswählt, aus dem ihm der Gegenstand schief vorkommen muß, und dann sich recht herzlich lustig darüber macht, daß das Ding so schief ist.“

Als Goethe am 7. November 1775 in der „Werther-Montirung“ in Weimar eingetroffen war und noch an demselben Tage mit Wieland am Tische des Kammerpräsidenten von Kalb saß, wurde er „ganz verliebt in den herrlichen Jüngling“, und seine Seele wurde „so voll von Goethe wie ein Thautropfen von der Morgensonne“. Aber der jugendliche, geniale Uebermuth Goethe’s und seiner Freunde am Hofe Karl August’s, welcher in demselben Jahre die Regierung übernommen, schonte auch in Weimar Wielanden und seine „Alceste“ nicht.

Am 3. September 1779, am zweiundzwanzigsten Geburtstage des Herzogs, wurde im Schlosse Ettersburg von Einsiedel’s kleine Carricaturoper „Orpheus und Eurydice“ mit der von Seckendorf dazu componirten, absichtlich ganz unpassenden Musik gegeben und darin die berühmte rührende Abschiedsarie Alcestens an Admet: „Weine nicht, du meines Lebens Abgott“ in Beisein Wieland’s sowohl dem Text als der Musik nach auf die allerlächerlichste Weise parodirt; sie wurde mit dem Posthorn begleitet, und der Sänger hatte auf den Reim „Schnuppe“ einen langen Triller zu machen. Die zahlreiche Versammlung, unter ihr Karl August, lachte nicht wenig bei dem Spaße. Wieland aber soll vor Unwillen laut aufgeschrieen haben; erzürnt verließ er die Gesellschaft und klagte in einem Briefe an Freund Merck bitter darüber, daß „der unsaubere Geist der Polissonerie und der Fratze, der in die Oberen gefahren sei, nachgerade alles Gefühl des Anständigen, alle Rücksicht auf Verhältnisse, alle Delicatesse, alle Zucht und Scham verdränge“. Mit Recht hatte er sich in dem Selbstbewußtsein, für ein großes Gebiet deutscher Kunst zuerst Bahn gebrochen zu haben, verletzt fühlen müssen, aber harmlos und gutmüthig von Natur, ließ er sich leicht wieder versöhnen.

Sein und Schweitzer’s Werk erhielt sich trotz aller Anfeindungen in der Gunst des Publicums und stand noch mehrere Jahre nach Schweitzer’s Tode (gest. in Gotha 1787) auf dem Repertoire der deutschen Bühnen. Erst die klassischen Meisterwerke der Koryphäen deutscher Musik, Mozart voran, verdrängten die erste Oper. Im Sturmschritt wurde die Ebenbürtigkeit der deutschen Oper gegenüber der ausländischen Musik erkämpft und bald durch die glänzendste Reihe edelster Kunstschöpfungen, vor Allem aber durch Innigkeit und Tiefe des Gemüths die Oper des Auslandes überflügelt. Die Herzogin Anna Amalie hatte die Freude, diesen genialen Aufschwung der deutschen Oper durch Mozart zu erleben, und setzte in ihrem traulichen Tiefurther Parke, unweit der Stelle, wo einst die „Iphigenie“ aufgeführt worden, Mozart und den Musen ein einfach sinniges Denkmal. Dort war auf das ehemalige Schloßtheater das geniale, heitere fürstliche Liebhabertheater

Auf Höhen Ettersburgs, in Tiefurths Thal,
Im leichten Zelt, auf Teppichen der Pracht
Und unter dem Gewölb’ der hohen Nacht –

mit den unsterblichen Triumphen der reizenden Corona Schröter gefolgt, dann seit 1784 die von Dresden nach Weimar berufene Joseph Bellomo’sche Gesellschaft. Im Jahre 1791 entstand das neue Hoftheater mit Goethe als oberstem künstlerischem Leiter, bald unter Goethe und Schiller die Musterbühne für ganz Deutschland. Aus Schutt und Asche stieg es im Jahre 1825 neu empor, und das Theater, vor welches zweiunddreißig Jahre später das Vaterland die aus Rietschel’s Meisterhand hervorgegangene Goethe-Schiller-Gruppe gestellt hat, blüht noch jetzt unter der umsichtigen Leitung eines um das deutsche Bühnenwesen hochverdienten General-Intendanten. Mögen andere, größere Bühnen mit reicheren Mitteln ausgestattet sein – immerhin ist und bleibt die Geschichte des Weimarischen Theaters eines der glänzendsten Blätter in der Geschichte deutscher Kunst, und eines der hervorragendsten Verdienste Weimars ist es, die erste deutsche Oper in deutscher Sprache, mit deutscher Musik geschaffen und am 28. Mai 1773 zuerst in Deutschland zur Aufführung gebracht zu haben.




Blätter und Blüthen.

Der Fanatismus von der Heimathliebe besiegt. (Zur Illustration auf S. 403.) – „Hier liegt der Mann, der sich nie vor einem Menschenantlitz fürchtete!“ So sprach der Regent von Schottland, Graf Morton, am 24. November 1572 in dem Augenblick, wo der Leichnam des John Knox in’s Grab eingesenkt wurde.

John Knox war der Luther Schottlands, nach dem Urtheil der Geschichte ein Mann von seltenen Geistesgaben, kühn und kräftig, redlich und uneigennützig, und wie alle großen Reformatoren von der unerschütterlichen Ueberzeugung durchdrungen, daß für die Glaubenslehre, in der Form wie sie seinem strebenden und forschenden Geiste erschienen war, Alles gewagt werden und jede andere Rücksicht ihr weichen müsse.

Im bewegungsreichen Zeitalter der Reformation befand sich auch das Königshaus, der Adel und das Volk von Schottland in wild durcheinander wühlender Gährung. Im Volke, sagt man, habe noch von Wicliffe her ausgestreuter Ketzersamen fortgewuchert und den Boden empfänglich erhalten für die neue Aussaat. Beim Adel fand besonders die Aufhebung der Klöster und Stifter und die Einziehung der Güter und Reichthümer derselben Anklang, und wer Nutzen aus dieser reformatorischen Zweckmäßigkeit ziehen konnte, bezeigte gern der neuen Lehre seine Zuneigung. Wie Volk und Adel war auch das Königshaus selbst getheilt: je nachdem die Glieder desselben ihre Vortheile mehr bei England oder Frankreich zu finden hofften, waren sie protestantisch oder katholisch gesinnt.

Als König Jacob der Fünfte 1542 starb, hinterließ er das Reich seiner unmündigen Tochter Maria Stuart. Schon damals hatte die reformirte Religion, durch die Stimmen aus Deutschland mächtig gefördert, in allen Kreisen viele Anhänger. Am Hofe wechselte die Kirchenfahne ihre Richtung nach den politischen Plänen der Reichsverweser, bis 1554 Jacob’s Wittwe, die Mutter der Maria Stuart, Maria von Guise, die Regentschaft antrat. Sie, die anfangs um die Freundschaft der Protestanten geworben, gab später dem Einflusse Frankreichs nach und rief dadurch den Ausbruch offener Kämpfe hervor. Denn um die englischen Pläne, durch Vermählung der Maria Stuart mit dem englischen Thronfolger Eduard dem Sechsten eine Verschmelzung von Schottland und England einzuleiten, zu durchkreuzen, wurde die junge Maria nach Paris geschickt, dort am Hofe erzogen und im Jahre 1558 sogar mit König Franz dem Zweiten vermählt und zwar mit dem geheimen Vertrage, daß, wenn die Königin kinderlos sterben sollte, Schottland an Frankreich falle. Die Ausführung dieses Vertrages bedingte aber die Unterdrückung der Reformation in Schottland, die auch durch strenge Verbote des Gottesdienstes ohne bischöfliche Erlaubniß und durch Vorladung aller protestantischen Geistlichen vor einen Gerichtshof zu Stirling sofort in’s Werk gesetzt wurde.

Dies führte 1559 die Scene unserer Illustration herbei. John Knox, 1505 zu Gifford bei Haddington in Schottland geboren, hatte eine Laufbahn voll Kampf und Leiden hinter sich. Hatte er doch, von den Franzosen gefangen, zwei Jahre lang zu Rouen auf der Galeere in Eisen geschmachtet. Nach seiner Befreiung war er Caplan des englischen Königs Eduard’s des Sechsten. Von der blutigen Maria vertrieben, floh er nach Genf, wo er in Calvin sein Musterbild fand. Von hier aus veröffentlichte er seine englische Bibelübersetzung (die sogenannte „Genfer Bibel“), ein „Schreiben an die Königin-Regentin“ und einen „Zuruf an den Adel und die Reichsstände von Schottland“, die beide für die Sache des Protestantismus großartig wirkten, während sein „Trompetenstoß gegen das monströse Weiberregiment“ ihm auch den Haß der Königin Elisabeth zuzog.

Dennoch folgte er 1559 dem Ruf seiner Glaubensgenossen nach Schottland, und kam in dem Augenblick in der alten Hauptstadt Perth an, wo dort der königliche Befehl gegen die Protestanten eintraf. Sofort bestieg der Reformator die Kanzel und entflammte die Gemüther den ganzen Volks mit dem Feuer seiner Rede besonders gegen das Abgöttische der

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 413. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_413.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)