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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Sobald sich der Ofen in dem oben beschriebenen Zustande befindet, kann der Proceß der Leichenverbrennung folgendermaßen vor sich gehen. Der Ofendeckel wird, wie die Abbildung darstellt, durch den den Ofen bedienenden Mann gehoben und der zu verbrennende Körper in die Verbrennungskammer versenkt, der Deckel wieder zugemacht und der Körper je nach der physischen Beschaffenheit desselben einer langen oder kurzen Zeit der Einwirkung der Rothgluth ausgesetzt. Nachdem dies geschehen, schließt man die Gasklappe, in Folge dessen nur Luft durch den Regenerator in den Verbrennungsraum gelangt. Diese wärmt sich im Regenerator bis nahe zur Weißgluth vor, in welchem Zustande dieselbe den vorgewärmten und theilweise ausgetrockneten Körper trifft, was eine schnelle Verzehrung aller verbrennbaren Theile desselben zur Folge haben wird. Die nichtverbrennbaren Knochentheile werden durch die Einwirkung der Hitze zersetzt, indem die Kohlensäure entweicht und der Kalk etc. als Pulver übrig bleibt. Es ist eine Vorrichtung getroffen dieses Pulver zu sammeln, um es in einer Urne oder einem anderen Gefäße den Angehörigen zur Beisetzung zu übergeben.“

Soweit Herr Siemens. – Einen ähnlichen Apparat, nach denselben Principien, hatte bereits früher Herr Steinmann in Dresden, Verfasser eines trefflichen Werkes über das Regenerativverfahren, entworfen. Ich gebe aber dem Siemens’schen wegen größerer Einfachheit und Zweckmäßigkeit den Vorzug, obgleich die Besserungen mit demselben noch nicht abgeschlossen.

Daß die von mir vorgeschlagene Regenerativfeuerung zum Verbrennen der Leichen günstig ist, haben Versuche an Thieren erwiesen. Ich will von diesen nur denjenigen eines völlig unparteiischen Zeugen erwähnen, des Sir Henry Thompson, Professor der Chirurgie in London, welcher, angeregt durch meine Wahl des Regenerativofens, mit einem solchen zu experimentiren Gelegenheit suchte und fand, der sich im Besitze des Herrn W. Siemens in London befand. Professor Thomson verbrannte unter Anderem ein Schwein von zweihundertsiebenundzwanzig Pfund Gewicht binnen fünfundfünfzig Minuten zu weißer Asche. Dabei nahm auch er, ebenso wie ich, wahr, daß kein irgendwie bemerkbares Gas durch den Schlot entwich; nicht eine Spur von Rauch wird sichtbar. Alles wird aufgezehrt.

Wir haben also in dieser Form der Verbrennung eine Art der Leichenbestattung gewonnen, welche wirklich ohne irgend welche Nachtheile für die Lebenden ist, und welche die theuren Reste lieber Verblichener in der schonendsten Weise, ohne sie mit irgend welchen fremden Stoffen zu mengen und in möglichst kurzer Zeit einer sicheren raschen Verwesung oberhalb der Erde übergiebt, statt sie der unsicheren, langsamen Verbrennung unterhalb der Erde auszusetzen, welche zu leicht in Fäulniß ausartet und dann den Lebenden Verderben und Tod bringt. Unschädlich ist die in der Urne eingeschlossene Asche, und doch ein Anhalt für treues Gedächtniß. Wer sollte nicht vorziehen, nach seinem Tode den Erdenbrüdern kein Gegenstand des Grauens und des Nachtheiles zu sein? Wer möchte nicht seine Lieben vor dem widerlichen langsamen Verfaulen in der Erde bewahren? Wer erkennt nicht, daß in jeder größeren Stadt mit dem Wegfalle des Friedhofes ein Capital gewonnen wird, welches Segen bringen kann, während es bisher nur Unheil verursachte?

Gewiß, im Interesse einer gesunden Finanzwirthschaft der Gemeinden, im Interesse der Pietät gegen unsere Todten, im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege, im Interesse der persönlichen Freiheit fordern wir das Recht der Feuerbestattung für Denjenigen, der dasselbe verlangt.

„Wir wollen nicht,“ sprach Professor Gottfried Kinkel in der Züricher Versammlung am 10. März, „wir wollen nicht eine neue Sitte mit Gewalt einführen. Wem’s gemüthlicher ist, im Schooße der Erde zu ruhen, dem soll sein Wille geschehen. Ich würde es grausam finden, wenn man dem Menschen den Tod schwer machen würde, indem man ihm sagt: Du mußt gegen Deinen Willen verbrannt werden. Aber es ist noch grausamer, wenn der Staat zu Dem, der sich lieber verbrennen lassen würde, sagt: Du sollst und mußt Dich auf diesem Miethacker begraben lassen, und wenn’s dem Staat einfällt, mußt Du Dich fortmachen und einen Andern an Deine Stelle treten lassen. Erst mit der Verbrennung werden wir unseren Todten eine gesicherte Ruhestätte bereiten.“

Prof. C. Reclam.




„Lady Milford“ und „Ferdinand von Walter“.


„Das Stück ist kraß,“ hört man in unserer Zeit nach einer Aufführung von „Kabale und Liebe“ manchmal ausrufen. Was würde erst ein großer Theil unserer nervenschwachen und blutarmen Generation empfinden, wenn er in die Umgebung versetzt würde, in welcher jenes Jugendwerk unseres großen Dichters entstand! Was würde er empfinden bei dem Anblick des Tyrannen Karl Eugen? Schubart hat uns in seiner „Fürstengruft“ ein portraitähnliches Bild dieses Despoten entworfen, der den Wohlstand seines Landes und das Glück zahlloser Familien in sträflichem Leichtsinne vernichtet hat.

„Beräuchert das durchlauchtige Gerippe mit Weihrauch wie zuvor,“ spricht der Dichter zu den Höflingen;

„Er steht nicht auf Euch Beifall zuzulächeln,
Und wiehert keine Zoten mehr,
Damit geschminkte Zofen ihn befächeln,
Schamlos und frech wie er.“

Auch bei den Schiller’schen Stücken fühlt man, daß dem Dichter kein anderes Vorbild vorgeschwebt haben kann, als dasjenige des württembergischen Despoten. Man erräth zwar diese schreckliche Gestalt nur hinter den Coulissen. Die Gründe, warum der Dichter keinen „Herzog“, keinen „Fürsten“ auf den Brettern erscheinen ließ, liegen zu nahe, als daß wir sie hier zu berühren brauchten, allein man fühlt es, daß das Vorbild jenes Staates, dessen Fürst und Minister Alles, was dem Menschen heilig, mit Füßen treten, nur in Württemberg gesucht werden kann.

„Gestern sind siebentausend Landeskinder nach Amerika fort,“ erzählt der Kammerdiener. „Es traten wohl so etliche vorlaute Bursche vor die Front heraus und fragten den Obersten, wie theuer der Fürst das Joch Menschen verkaufe. – Aber unser gnädigster Landesherr ließ alle Regimenter auf dem Paradeplatze aufmarschiren und ließ die Maulaffen niederschießen. Wir hörten die Büchsen knallen, sahen das Gehirn auf das Pflaster spritzen, und die ganze Armee schrie: Juchhe, nach Amerika!“

Allein nicht blos solche Vorgänge, auch die Hofscenen und Schilderungen der gesellschaftlichen Zustände gleichen der damaligen Umgebung des Dichters; in einzelnen Figuren tritt uns sogar die Wirklichkeit entgegen. Dieses Weib, das in Ferdinand einen Erretter aus dem Schmutze des Hoflebens sucht und mit ihm „in den äußersten Winkel der Welt“ fliehen will, erinnert an Vorfälle mit einzelnen Geliebten, namentlich an eine dieser Unglücklichen, die sich mit Entsetzen und Ekel von ihrem Gebieter hinwegwandte. Eine Venetianerin, verließ sie ihn, als sie mit ihm auf einer Reise nach Italien den Boden ihres Vaterlandes betreten hatte.

„Ich bin nicht mehr in Ihren Staaten,“ sagte sie, „sondern in Venedig. Ich habe nunmehr, Gott sei gelobt, meine Freiheit wieder. Ich bin sicher vor Ihren Mißhandlungen und trenne mich hier von Ihnen. Sind Sie das nicht zufrieden, so fordern Sie mich vor die Tribunale meines Vaterlandes, das mich schützen wird.“

Noch mehr erinnern uns einzelne Züge aus dem Bilde Ferdinand’s an einen wirklichen Vorgang.

Der Geheimerath von Volkstädt stand seit mehr als einem halben Jahrhundert in den Diensten des herzoglichen Hauses. Dem guten Manne wurde noch in späten Jahren eine Tochter geboren, welche zu einer blendenden Schönheit heranwuchs. Der Fürst sah sie, entführte sie, und ihr grauer Vater, der von dem Schicksale seines Kindes noch keine Ahnung hatte, mußte die furchtbare Schmach erleben, ihr nach wenigen Tagen auf einem Hofballe in hellblauseidenen Schuhen – dem Abzeichen der herzoglichen Geliebten – zu begegnen. Der alte Volkstädt bat um seine Entlassung und eilte mit seiner tiefgebeugten Gattin auf eines seiner Güter, um nicht Zeuge von Juliens Schande zu sein.


Hierzu die „Allgemeinen Anzeigen zur Gartenlaube“, Verlag von G. L. Daube & Comp.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_313.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)