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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

„Er ist schon fast drei Jahre todt,“ gab der Gefragte ernst zur Antwort.

Auch der Förster wurde ernst und murmelte für sich: „Also darum? Man sollte nie speculiren und besonders nicht mit Wesen, die einen eigenen Verstand und ein eigenes Herz haben.“ Er war höchst verdrießlich, Ellen aber und Felix drückten dem genialen jungen Manne innig die Hände.

Der beglückte Baron kicherte. Ihn amüsirte das Wortgeplänkel, von dem er genug verstand, um jetzt mit wichtiger Miene zu beginnen:

„Hm, hm, da schlage ich einen andern Bräutigam vor, nicht mich,“ fügte er grinsend hinzu, als er die erstaunten Blicke des Försters sah, „ich bin zu alt, fast hundert; aber den da. Er heißt Felix – der Glückliche; und kennt seine Ellen.“

„Und die Wünschelruthe hat er auch gekannt,“ meinte Herr Eiler lachend.

„Ja, Nüsse – Küsse,“ sagte der Alte und rieb sich die Hände.

„Bah –“ sagte mürrisch der Förster, „davon kann keine Rede sein.“

„Nero, Nero!“ kreischte die Dohle, die der Baron mit seinem großen Filzschuh getreten hatte.

„Hi, hi, hören Sie es, Waldraff?“ rief der Alte. „Nehmen Sie Sich eine Lehre daran! Nero – Wütherich, hi, hi. Uebrigens“ – setzte er hinzu, „soll der junge Mann da den Schuldienst in Ebensee haben, denn er hat mir meinen Nero verschafft, und an Geld gebe ich ihm soviel, wie all die Thaler da werth sind.“ Er wühlte mit seinen zitternden Händen in dem Silberhaufen und blinzelte schlau nach dem Förster hinüber.

„Vater!“ sagte Ellen und Felix zugleich.

„Papa,“ schmeichelte der kleine Felix, „sei nicht so bös! Sie haben sich schon so oft geküßt, und wenn Du nicht Ja sagst, so muß Ellen doch sterben.“

Diese Argumente leuchteten dem Förster wohl am besten ein, denn er sagte in seiner rauhen Weise: „Ich bin rein selber schuld. Nun denn in Henk–, in Gottes Namen!“

Er drehte sich auf dem Absatze um und ging. Aber die Glücklichen holten ihn schnell ein, und er machte bald gute Miene zum bösen Spiel.

Der ganze Zug ging nach dem Forsthause, voran die Kutsche des Barons mit der Urne, in die der Silberschatz wieder eingefüllt worden war und auf die der alte Diener ein zärtliches Auge hatte. Dann folgten der Förster und der junge Eiler, der einem Schwank nach dem andern erzählte. In der Mitte ging Ellen mit dem Baron, der ganz selig neben ihr herschlittete und ihr immer wieder die Schönheiten seines Nero anpries. Er hatte einen Kranz wilden Hopfens um Ellen’s weiße Stirn gelegt und rieb sich vergnügt die Hände über seinen guten Einfall. Dann kamen die beiden Felix. Der Kleine durfte die glückbringende Nuß tragen und sang laut in den schweigenden Wald hinein:

„Mein Schwager heißt Felix, wie ich, Vallera!“

Den Schluß bildete die Dohle, die emsig nachtrippelte und nicht müde wurde zu krächzen:

„Nero, Nero!“

Beim Weine noch und bei einer dampfenden Pfeife fertigte Baron Bisam die Nominationsurkunde für Felix aus und reichte sie dann dem Förster. Dieser mußte laut auflachen, als er sie gelesen, und erwiderte den erstaunten Blick des alten Patronatsherrn mit den Worten:

„Sie haben ja ‚Kaiser Nero‘ unterzeichnet.“ Wieder lachte er laut, und die Anwesenden mußten unwillkürlich einstimmen.

„Hm, hm,“ machte der Alte, „das ist fatal.“ Dann strich er den Namen aus und schrieb säuberlich: „Baron von Bisam,“ sagte aber dann mit seinem kindischen Lächeln:

„Und er muß doch noch auf die Urkunde.“

Er drückte seinen Nero in das Siegellack und sammelte ringsum die Münze des Beifalls ein für seinen guten Einfall.

Felix aber setzte sich an’s Clavier und spielte eine muntere Tanzweise, zu deren Tact Ellen mit ihrem ehemaligen Bräutigam sich im Kreise drehte, während der alte Baron mit seinem Nero am Weinglase klingelte. –

An ihrem Hochzeitstage trug Ellen ein herrliches Perlenhalsband, ein Geschenk des Barons von Bisam. Vorn in der Mitte saß eine Perle ohne Glanz und hatte doch all diesen Glanz gestiftet. Es war – die Haselnuß.

August Butscher.




Land und Leute.


Nr. 35. Das Elsaß, seine Spiele und Tänze.


„Juchhei! bald bin ich wieder im schönen Heimathlande, so reich an herrlichen Triften, Weinbergen, Wäldern und Matten. Bald rege ich mich wieder unter dem gemüthlichen Volke, das unter der Tünche der Neuzeit noch nicht seine ursprüngliche Frische in Sitten, Gebräuchen und Trachten verloren hat.“

So redete, jubelte und dachte ich wechselsweise, indem ich dabei immer rascher meine Schritte beflügelte.

Da stehe ich auf der Berghöhe vor Zabern, an dem Orte, wo man die Vorspannpferde beseitigt. Hier beginnt der sogenannte Zaberner Steg, welcher auf der Abendseite anfängt und unvermerkt in vielen Krümmungen über die Vogesen hinab in das herrliche Rheinthal führt. Ein üppiger Pflanzen- und Baumwuchs umsäumt diese schöne Kunststraße; rechts ruhen die Ruinen der romantischen Burg Hohbarr, weiter südwärts die des Schlosses Greifenstein, und in weiter Ferne begrüße ich das Münster von Straßburg, bei dessen Anblick das Herz eines jeden Elsässers lacht. Da liegt endlich das alterthümliche Zabern, bekannt als ehemalige Residenz der Bischöfe von Straßburg; da ragt noch das prächtige Schloß des Bischofcardinals von Rohan, das er gegen Ende des vorigen Jahrhunderts neu erbaute. Zabern ist bekannt durch die furchtbare Niedermetzelung von sechszehntausend Bauern im Bauernkriege im Jahre 1525 durch den Herzog Anton von Lothringen, der den arglosen Landleuten, die sich ihm gegen freien Abzug aus Zabern ergeben hatten, auf so fluchwürdige Weise ihr Zutrauen vergalt. In ausgedehntem Sinne des Wortes berühmt ist es jedoch erst durch das Gedicht Schiller’s „Der Gang nach dem Eisenhammer“ geworden, obschon eigentlich „ohn’ Verdienst und Würdigkeit“, d. h. ohne alle locale und geschichtliche Begründung.

Nach kurzer Rast eile ich weiter. Auf- und abwärts geht’s mit Sehnsuchtsschritten über die Hügel und Thäler der Vorberge der Vogesen und vorwärts selbst am Bastberge vorbei, dem Blocksberge des elsässischen Unterlandes. Es ist zwei Uhr Nachmittags. Dabei streut der liebliche Mai von den auf beiden Seiten des Weges stehenden Bäumen seine Blüthen auf den fröhlichen Wanderer, der weit aus dem Innern Frankreichs herkommt und der nach zweijähriger Abwesenheit von diesem freundlichen Gruße hoch überrascht ist. Nur das liebliche Buchsweiler, nordöstlich am Bastberg gelegen, die Residenz der einstigen Dynasten des Elsasses, der Grafen von Hanau-Lichtenberg, fesselte mich zu kurzer Rast seines Gymnasiums wegen, das meine erste Jugend gesehen hatte, und einem theuren Oheim zu Liebe, der zuerst Professor an dem Gymnasium und dann Inspector und Oberconsistorialrath wurde, bekannt weit und breit durch edel ausgeübte Gastfreundschaft.

Aber nicht lange – es reißt mich fort, denn immer ist die engere Heimath noch nicht erreicht. Weiter geht es über Berg und Thal, Thal und Berg. Da sehe ich meinen alten Kirchthurm ragen. Das Herz pocht. Unten im Thal höre ich den Klang jugendlicher Stimmen. Ich breite meine Arme betend und segnend über die liebe Heimath und steige, wie sonderbar! langsam und zögernd hinunter gegen das Dorf, das auf der andern Seite des Hügels sich längshin ausdehnt. Die fröhlichen Stimmen werden immer deutlicher. Es ist ja Sonntag Abend. Die Erinnerung aus der Jugendzeit erwacht. Da wird ja jetzt, wo es Abend ist, des Kreisspiels gepflogen, an dem ich einst in den Tagen der Kindheit so eifrig theilgenommen. Tiefer hinabschreitend, erblicke ich in einem dichtumhegten Obstgarten Buben und Mädchen versammelt zum ländlichen Spiele. Ich lehne mich an einen auf hohem Raine

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 373. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_373.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)