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verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


Ruhigere Spruchweisheit entwickelt Christine Hebbel:

„Stelle Dich, wie Du auch willst, nicht wirst Du die Feinde vermeiden,
     Aber wie Thetis den Sohn, kannst Du Dich fei’n für den Streit:
Mache so ganz Dich zum Träger des Guten, des Wahren und Schönen,
     Daß man die Götter verletzt, wenn man Dich selber bekämpft.“

Hebbel, der nun folgt, ist längst verstummt – auch sein Nachbar im Buche, der edle Anschütz, hat sich schon in ewiges Schweigen gehüllt. Mit zitternder Hand schrieb er seiner Freundin noch folgende Zeilen:

„Nicht steuernd nach der Mod’ unstetem Winde,
Verfolgt der echte Künstler seine Bahn.
Nicht was der laute Markt bewirft mit Kränzen,
Ihn lockt ein Höheres zu schön’rem Ziel;
Der Gaukler mag durch grelle Täuschung glänzen,
Die wahre Kunst bleibt Wahrheit auch im Spiel.“

Fritz Beckmann ist der gemüthvolle, humorreiche Schalk bis an sein Lebensende geblieben. Sein nachstehender Abschied von seinem Nesthäkchen ist wahrscheinlich sein poetischer Schwanensang:

„Wie oft ich Dir ein Vater war,
Ist hundertfach zu lesen,
Auch bin ich, weiß es Gott, ’s ist wahr,
Oft Onkel, Vormund Dir gewesen,
Und richtig, ja, da fällt mir ein,
Sogar Dein Mann schon könnt’ ich sein.
Einfalt vom Lande heißt das Stück;
Der Autor bracht’ mich um das Glück.
Bin treu an Deiner Seit’ geblieben,
Als sie uns auf den Spielberg trieben,
Auch oft vereint wir Angst empfanden,
Wenn wir im Schloß vorm Kaiser standen.
Wir haben Vieles durchgemacht,
Vereint gezittert und gelacht,
Hab’s immer gut mit Dir gemeint
Als Reisemarschall und als Freund. –
Jetzt ziehst Du fort, verläßt den Vater.
Den Onkel, Vormund, Freund und Rather,
Glaubst Du denn, Kind, daß das nicht packt?
Doch aufgelöst ist Dein Contract,
Du gehst, besiehst Dir nun die Welt,
Verdienst dabei viel Ruhm und Geld. –
Wenn ich nicht irre, spricht ein Weiser:
‚Des Vaters Segen baut den Kindern Häuser.‘
So will als Vater ich für’s Leben
Dir meinen besten Segen geben,
Der auf Dich wirkt mit solcher Kraft,
Daß er Dir eine ganze Stadt verschafft.
Und sollt’ Dich einst damit der Himmel lohnen,
So laß mich stets in Goßmannshausen wohnen.
Erwirb ’ne Million Dir, und sonst nix,
Behalt’ die Grille, bleib’ ein Kind des Glücks!“

Das „Kind“ hat auch recht ausgelassen lustig sein können, wie aus einem Poem Mizel Kierschner’s (jetzt Frau Hofschauspielerin Liedtke in Berlin) zu entnehmen ist:

„Wie ich jetzt so vor diesem Buche sitze,
Da zieht durch mein Gedächtniß jene Zeit,
Die ich verlebt mit meiner süßen Fritze –
Ich gäb’ sie nicht – selbst um die Seligkeit!!

Durch Deinen Geist gewann Gestalt und Leben
Der Unsinn selbst, den oft wir ausgeheckt –“

Doch weiter! Es wollen noch so manche zu Wort kommen – hören wir E. Th. L’Arronge:

„Daß man mit allen Göttern dich vergleicht,
Hat Alt und Jung schon oft gelesen,
Und daß Du fabelhaft und unerreicht,
Ein überirdisch, himmlisch Wesen,
Ein Engel, Phänomen, auf Taille und auf Ehr’!
Schwört täglich tausendmal Civil und Militär.

Doch sieh, wenn ein Theaterdirector
Besingt, wie ich, die schönen gold’nen Zeiten,
Wo Du berauscht ihm Herz und Aug’ und Ohr,
So zählt das zu den größten Seltenheiten!
Ich sprach bei Gästen wohl: ‚das Geld, es floß man so,‘
Bei Dir reicht das nicht aus, ich ruf’: ‚es Goß man so?‘“

In Lapidarschrift hat Theodor Döring das Shakespeare’sche Wort hingesetzt: „Was sind Schwüre gegen das Feuer unseres Blutes!“ – George Hiltl feiert die Gefeierte in einem sehr stimmungsvollen Gedichte. Irene Hiltl braucht ein treffendes Wort aus den „Journalisten“: „Sie ist eine Art Irrwisch; sie ist ein klein wenig Teufel, und vom Kopfe bis zur Zehe ist sie eine kleine Schelmin.“ Alexander Köckert läßt den Landry sprechen: „Du bist nicht nur, wie die Andern, von außen – Du bist von innen heraus schön, Du, so klug, so brav und tapfer.“

In Citaten sprechen sich weiter aus Holtei, Laube, Karl Koberstein, Julie Rettich, Marie Seebach, ferner Karl Treumann, das Ehepaar Gubillon, Otto Lehfeld, Anton Ascher. Aus einigen schlichten Zeilen Karl Rettich’s erfahren wir, daß er Friederikens Beistand war, als sie gegen die Bitte der oben citirten Freundin sich doch vermählte.

Zu allerletzt hat sich die „fesche Pepi“ von Wien, Josephine Gallmeyer, eingeschrieben. Ihre „G’stanzeln“ sind zu hübsch, als daß sie nicht auch noch ihren Platz hier finden sollten:

„I wollt i könnt’ schreiben so zierli und fein,
Wie’s die Andern hab’n ’than in das Büchel hinein;
Do’ will ich’s vermeiden die Classiker z’berauben,
Und mir selbst will’s net g’lingen, auf Ehr’! kannst mir’s glauben,
D’rum sei mir net bös, wann’s so einfach da steht,
Wie i Di so lieb hab’ und förmli anbet’.
Du herzlieber Schatz, mit die Aeugerln die lieb’n,
Bleib’ wieder beim Theater, thu’ uns net mehr betrüb’n;
A Gräfin sein, i glaub’s wohl, is ja recht schön,
Aber schau’ nur, dem Theater thust gar so abgeh’n.
Gräfinnen, mein Gott, wie viele sein da –
Aber a Goßmann, a zweite – giebt’s ö no? Oh na!“

Eine für beide Theile gleich charakteristische Nachschrift ist den ehrlichen, schmucklosen und ungeschminkten Worten beigefügt; sie lautet: „Sehen Sie, hochverehrte Collegin, so haben Sie mich bezaubert, daß ich Sie in Versen besinge, ich, die Vertreterin der prosaischesten Prosa. Sie sind mir doch nicht böse? Hochdeutsch kann ich nicht, aber mein Österreichisch kommt vom Herzen.“

Friederike Goßmann besitzt an ihrem Stammbuche eine beneidenswerthe Autographensammlung; wie kommt ein Anderer zu einer solchen? Er sei für die deutsche Kunst ein Himmelsgestirn mit einem Hofe, der ihm gemacht wird von seiner ganzen Zeitgenossenschaft; – dann geht’s ganz leicht.

Balduin Groller.




An der Berliner Börse.


Elf Uhr Vormittags.

Wir befinden uns Ecke der Burg- und Neuen Friedrichstraße, vor dem Tempel des Gottes Mercur oder der Göttin Fortuna – wie man will. Die Börsenleute selber nennen das mächtige, prächtige Haus etwas unehrerbietig den Palast der Prinzessin Mumpitz. Noch sind die dreizehn Thüren (eine ominöse Zahl!), welche in das Vestibül führen, geschlossen, aber schon kauern und lungern davor Zeitungsjungen, Apfelsinenmädchen, Dienstmänner etc. Die von dorischen Säulen getragene Vorhalle füllt sich alsbald mit Börsenleuten, welche sofort an’s Geschäft gehen.

Schon um 11 Uhr beginnt hier draußen die Vorbörse. Sie wird officiell nicht anerkannt; man legt ihr blos einen Privat-Charakter bei, aber sie kümmert sich nicht darum; sie hat trotzdem ihre volle Bedeutung. Schon hier wird eifrig gehandelt, schon hier Cours auf Cours gemacht; schon hier treffen telegraphische Depeschen von der Wiener Vorbörse ein; schon hier entscheidet sich häufig, ob die Börse „fest“ oder „matt“, „animirt“ oder „lustlos“ wird, ob eine „Hausse“ oder eine „Baisse“ heranzieht, oder gar der Teufel los ist, d. h. eine „Panique“ droht, welche die Course procentweise stürzen läßt.

Die Herren, welche so früh versammelt sind, gehören der Coulisse an. Es sind im engern Sinne die Speculanten der Börse. Sie handeln nicht per Comptant: Zug um Zug und Geld gegen Waare, sondern sie machen lauter Zeitgeschäfte, die erst später, nach Tagen oder Wochen, regulirt werden. Sie

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1875, Seite 454. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_454.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)