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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

ihnen für ihr unselig und kümmerlich Leben, dessen Endschaft sie stündlich gewärtig sein müssen, ein wenig Freud und Ergötzlichkeit! Sie müssen oftmals, wenn Ihr dahinter stehet, davornen die Köpfe zerstoßen. Es ist der Speck auf der Falle, darmit man solche Mäuse fängt. Seid zufrieden und lasset sie machen! Wenn diese Hoffart aufspringt, wagen sie gemeiniglich all ihr Gut, und es währet nit, denn von der Vesper, bis die Hühner aufliegen.“ –

Nicht immer aber werden die Landsknechte wohl so prunkhaft einhergezogen sein, und schlechtes Wetter, ausbleibender Sold, sowie Eilmärsche über die unwegsamen Alpen ließen sie oft mit zerrissenen Schuhen die lombardische Ebene betreten. Aber mochten sie noch so abgerissen und zerlumpt, noch so hungrig sein – sie hatten Löwenmuth im Herzen, sodaß Frundsberg dem Venetianer Alviano auf dessen Spott ebenso derb wie zuversichtlich erwidern konnte: „Ich hab’ nackte Knaben, wenn aber jeder einen Pokal Wein im Busen hat, so sind sie mir lieber denn die Venediger, die Harnisch tragen bis auf die Füße.“ –

Von allen Kriegsobristen damaliger Zeit ist Frundsberg vielleicht der einzige, welcher von dem Prunke seines Standes wenig oder gar nichts zur Schau trug. Sein uns von Holbein dem Jüngeren hinterlassenes Portrait stellt ihn in einfacher Kriegsrüstung, die Hellebarde auf der Schulter, dar; auf Märschen ritt er statt des ausgeschmückten Hengstes ein Maulthier; in der Schlacht aber ritt er stets zu Fuß im ersten Gliede der gevierten Ordnung, und bei Pavia sehen wir den Alten die Landsknechte in einer befremdlichen Vermummung zum entscheidenden Angriffe führen. Im Gegensatze zu den von Goldstücken, von Sammet und Seide starrenden Harnischscapulieren der französischen, wie spanischen Ritterschaft wirft er eine Franziskanerkutte über den Harnisch und kämpft in ihr die Schlacht durch. Uns möchte dies, namentlich bei einem so geschworenen Gegner römischer Pfaffen, wie Frundsberg war, lediglich als Verspottung der Mönchsorden erscheinen. Zu jener Zeit aber galt das geistliche Gewand (Luther selbst legte bekanntlich erst gegen Ende des Jahres 1524 die Augustinerkutte ab) noch als das würdigste Kleid des gottesfürchtigen, zum Tode bereiten Mannes. Wenn Frundsberg in der Tracht einer gottgeweihten Brüderschaft auf dem Schlachtfelde fiel, so versöhnte er, nach dem Glauben der Zeit, den Himmel mit seinem blutigen Handwerke.

Die Musterung der geworbenen Knechte geschah durch einen vom Kriegsfürsten bestellten Musterherrn und zwar derart, daß jeder Angeworbene eine Art Pforte, welche, wie bei dem römischen Joche, aus drei Spießen gebildet war, in voller Kriegsrüstung vor dem Musterherrn passiren mußte. Nach Güte und Art der Bewaffnung ergab sich dann der Sold, der bei vorzüglich Geharnischten, sowie bei den mit Hakenbüchse, Kraut und Loth versehenen Schützen auf Doppelsold stieg. Der einfachste Sold des Landsknechts ward von Max auf dem Kostnitzer Reichstage 1507 zu vier Gulden rheinisch monatlich festgestellt. Diese für die damalige Zeit beträchtliche Löhnung erhielt sich auch bei den Heeren Wallenstein’s, wobei Letzterer aber schon begann, durch die auf seinen Besitzungen fabrikmäßig betriebene Herstellung von dauerhaften Strümpfen und Schuhen, wie auch Harnischen für ausreichende Bekleidung und Bewaffnung seiner Truppen zu sorgen. Wir vermögen nicht anzugeben, ob diese Uranfänge einer Uniform den Knechten gratis verabfolgt oder in ihren Sold eingerechnet wurden, bei der knappen Sparsamkeit aber, welche der reichste Mann des damaligen Europa trotz fürstlicher Hofhaltung und vielfacher eben so verschwenderischer Geschenke in seiner musterhaften Verwaltung eingeführt, glauben wir das Letztere voraussetzen zu dürfen.

Die Schlachtordnung der Landsknechte bestand aus großen, fest in einander geschlossenen Haufen. Im Dreißigjährigen Kriege Tertien genannt, wirkten sie hauptsächlich durch die Wucht des Nachschubs, sodaß der durch das Loos gewählte voranstürmende „verlorene Haufen“, von dem im Sturmschritt nachfolgenden „hellen Haufen“ unaufhaltsam gegen die feindliche Schlachtordnung getrieben, meistens in der That verloren war. Die „gevierte Ordnung“ der deutschen Landsknechte galt, gleich der macedonischen Phalanx, für unüberwindlich.

Nachdem sie sich vor Beginn des Treffens zum Gebete niedergeworfen, auch wohl eines der neuen Kirchenlieder angestimmt, schütteln sie ausstehend alsbald nach alter Sitte den Staub von Wamms und Schuhen und senken die Spieße. Im ersten Gliede schreitet an heißen Tagen der Feldobrist selbst, das zweihändige Schwert führend, neben ihm die Hauptleute des Regiments. Da sehen wir den „Vater der frommen Landsknechte“, Herrn Georg Frundsberg, seinen Kindern tapfer vorankämpfen. Er ist ein riesenstarker Mann von gewaltigem Leibe, der ein Roß in vollem Laufe aufzuhalten vermag – bei jedem Streiche holt er tiefaufseufzend Athem, aber jeder Streich erlegt einen Gegner, und nicht selten ist er es, welcher den Nachdrängenden mit Schwert oder Hellebarde die erste Lücke in die feindliche Ordnung erschließt.

„Her! her!“ war der Schlachtruf, mit dem die Landsknechte auf den Gegner eindrangen, ein eigentliches Feldgeschrei aber blieb ihnen unbekannt, immer jedoch mag dieses wild über Pavias Schlachtfeld dahinbrausende „her! her!“ Franz dem Ersten und seiner in bunter Pracht strahlenden Ritterschaft noch lange hernach in den Ohren gegellt haben. Herausforderungen und Zweikämpfe vor der Fronte waren an der Tagesordnung, und wie einen Helden Homer’s sehen wir, das Haupt mit Kränzen geschmückt, in der Schlacht bei Ravenna Herrn Fabian von Schlabrendorf, den riesigsten Mann seiner Zeit, vor die Front treten, einzelne Spanier zum Zweikampfe herausfordern und seinen Gegner alsbald erlegen.

Die Blüthezeit der Landsknechte fällt zugleich in die Glanzepoche der Meistersinger, jener behäbigen Poeten, welche, wenn auch in zünftiger, nach strengen Gesetzen der Tabulatur geordneter Form, die ritterliche Dichtkunst der Hohenstaufen in die schirmenden Mauern ihrer Städte gerettet. Wenn es daher bei den Landsknechten an tollen Schwänken und fröhlichen Liedern nicht gefehlt, wenn sich sogar eine eigene Landsknechtspoesie ausgebildet, so kann uns das bei dem Vorleben dieser kriegerischen Poeten nicht Wunder nehmen. Da sie zumeist dem Stande entsprungen waren, in welchem die Muse eine sorgfältige, wenn auch zünftige Pflege fand, so gestaltete sich jede Begebenheit dieses an wechselvollen Abenteuern so überreichen Zeitalters in dem Munde der lebensfrohen Gesellen zu einem frischen Liede.

Jedes Ereigniß, sei es nun, daß „Franz von Sickingen, das edel Blut, der hat viel Landsknecht gut“, in seiner Burg Ranstuhl (Landstuhl) ein so tragisches Ende gefunden, oder König Franz bei Pavia geschlagen und gefangen, sei es die Hinrichtung Sebastian Vogelberger’s, der schmalkaldische Krieg, das Loos des sächsischen Kurfürsten oder die Gefangenhaltung Philipp’s von Hessen – alles wird in theils derbem, theils zierlichem Reime wiedererzählt.

Daß die religiösen Kämpfe in der Landsknechtsmuse eine so große Rolle spielen, wird durch die Zeitverhälnisse bedingt. Den früheren Söldnerbanden klebte vielfach der Begriff des Verächtlichen an, jetzt aber verlieh die Idee der religiösen Nothwehr, das Bewußtsein, um geistige Freiheit zu streiten, dem Kriegshandwerke die Bedeutung eines christlich erlaubten Standes. Luther selbst lehrte, „in welchem Sinne fromme Kriegsleute streiten sollten“, und wenn die Benennung „fromme Landsknechte“ vielleicht anfänglich auch nur in der Bedeutung des lateinischen „virtus“, wie Barthold annimmt, aufgefaßt sein mag – zur Zeit der Reformation und in deren Folgezeit ist diese eigenthümliche Bezeichnung sicher nur im evangelischen Sinne Luther’s gebraucht worden.

Das kraftvolle: „Ein veste Burg ist unser Gott“ des großen Reformators, dessen bildliche Sprache lediglich dem Kriegswesen entlehnt ist, fand in den Herzen der Landsknechte lebendigen Wiederhall, und ironisch genug behandelt „Peter Stubensol, viel guter Gesellen kennen ihn wohl“, den Statthalter Christi:

„Der Papst thut so die Schäflein weiden:
Er nennt sich der allerheiligst Mann,
Und hebt doch bei den Christen an
Sie helfen morden, wie ich sag –
Ist das nit jämmerliche Klag?“

Auch auf den bekannten Dr. Eck ist der Straßburger Poet nicht gut zu sprechen:

„Man sagt, man bedürf’ keiner Kriegsleut’ mehr;
Denn Doctor Eck mit seiner Lehr
Hab in den ‚Dekretorum‘ funden,
Man mög zu aller Zeit und Stunden
Hauptleut und Obersten entbehren;
Er will sonst in der Bibel lehren,
Wie sie die Ordnung sollen schließen – –
Er ist auch ein blutgierig Mann
Auf alte Gulden, die han viel Gran.“

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_134.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)