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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

feierliches Bild. In schwarz ausgeschlagener Halle lag auf einem Paradebett ein Greis in weißem, glänzendem Anzuge, den unteren Theil des Körpers mit schwarzem Sammet bedeckt, das Haupt mit einem Lorbeerkranz umwunden. Dahinter glänzte von einem Postament ein Lorbeerkranz aus Gold und Smaragden, und von einem hoben Altar, umgeben von Cypressen, eine mit Blumen umwundene goldene Lyra. Rechts und links vom Bett stand eine Reihe schwarzgekleideter Männer als Ehrenhüter, und die Lichter auf Armleuchtern neben dem Paradebette verbreiteten über die ganze Scene ein wunderbares Licht. Alles war so still, so stumm – auch der Mann auf dem Bette regte sich nicht. Man flüsterte, er sei todt; ich verstand es nicht – mir schien es, als ob er sanft schlummere. Tiefergriffen verließ ich mit dem Vater wieder das Haus. Die Scene hat sich unauslöschlich meiner Seele eingeprägt; noch jetzt sehe ich sie vor mir wie damals; war es doch der erste Todte, den ich in meinem Leben gesehen, und dieser erste Todte war – Goethe.

Ich besitze noch ein Blatt von jenem Lorbeerkranz, den der große Dichter damals trug, noch eine Locke, die ihm im Tode abgeschnitten worden, doch das volle, ganze Bild des Entschlafenen in all seiner Würde, die ganze Scene der Ausstellung in der schwarz ausgeschlagenen Hausflur des Goethe-Hauses wird von Preller’s Zeichnung hervorgezaubert. Er übersandte mir dieselbe am 14. Mai 1868 mit den Zeilen:

„Sie haben mir erlaubt, Ihre unvergleichliche Goethe-Sammlung durch einen kleinen Beitrag zu vergrößern, und so möge denn das lange Zeit gewanderte Portraitchen bei Ihnen einziehen und das Plätzchen einnehmen, welches ihm eigentlich gehörig ist. Ich wünschte wohl einen Theil von dem beifügen zu können, was mir die kleine Zeichnung seit einer Reihe von Jahren in stillen Stunden erzählt hat. Einiges davon habe ich in meinen künstlerischen Arbeiten festzuhalten versucht, und damit will ich auch fortfahren, so lange ich noch den Pinsel halten kann.“

Wie hat er bis zu seinem am 23. April 1878 eingetretenen Tode treulich Wort gehalten, der wackere Meister! Auf der Antike wie auf Goethe’schem Geist beruhend, prangt dort, wo Goethe’s „Iphigenie“ entstand, die großartige Wiedergabe von Homer’s Epos als das größte Meisterwerk des genialen Malers.




Blätter und Blüthen.



Eine Säcularfeier eigener Art wird am 4. März in der Stadt Magdeburg stattfinden. An diesem Tage begeht daselbst der Buchhändler Wilhelm Heinrichshofen in seltener Frische und Rüstigkeit seinen hundertsten Geburtstag, der auch weit über die Grenzen der Stadt Magdeburg hinaus, zumal in buchhändlerischen und künstlerischen Kreisen, rege Theilnahme finden wird.

Der Säculargreis wurde am 4. März 1782 zu Müllverstädt bei Mühlhausen in Thüringen geboren und stammt aus einer ursprünglich österreichischen Adelsfamilie. Einer seiner Vorfahren verließ im Anfang des vorigen Jahrhunderts Heimath und Besitz, um nach Sachsen auszuwandern und daselbst zu Luther’s Lehre überzutreten. Seitdem wandten sich die Vorfahren des Jubilars ausschließlich dem geistlichen Stande zu. Auch er selbst wurde dazu bestimmt, als ein Brief des dem Vater befreundeten Buchhändlers G. C. Keil in Magdeburg eine plötzliche Wendung in seinem Leben herbeiführte. „Wilhelm mag nur,“ heißt es in diesem Briefe aus dem März 1797, unverzüglich nach Magdeburg kommen. Er wird auf dem Wege des Buchhandels leicht mehr finden, als ihm die Laufbahn des Theologen je gewähren kann.“ Der Vorschlag wurde angenommen, und nach einer sechstägigen Reise auf einem mit Leinwand überzogenen Karren gelangte der fünfzehnjährige Knabe mit zehn Thalern in der Tasche mehr todt als lebendig in Magdeburg an. Daselbst stieg er im Gasthof zum „Großen Christoph“ ab, welcher später sein Eigenthum und von ihm zur Buchhandlung umgewandelt wurde.

Im Jahre 1807 kam er nach dem Tode G. C. Keil’s in den Besitz der Buchhandlung und hat dieselbe bis 1876, seit 1840 im Verein mit seinem Sohne Theodor, verwaltet. Sein Hauptfeld buchhändlerischer Verlagsthätigkeit war das theologische. Predigten von Ahlfeld, Schleiermacher, Arnd, Dräseke, Eylert, Theremin, Westermeyer, Krummacher, Tholuck und Andern sind bei ihm erschienen. Auf seinen Betrieb entstand das große Handwörterbuch der deutschen Sprache von Heyse, sowie die „Encyklopädie der classischen Alterthumskunde“ von Schaaff. Die „Betrachtungen über die trostvollen Wahrheiten des Christenthums bei der letzten Trennung von den Unsrigen“ von Eylert, dem Biographen Friedrich Wilhelm’s des Dritten, erlebten fünf Auflagen und machten die Königin Luise zuerst mit dem Verfasser bekannt. Auch der dritte Band von Goethe’s Gesprächen mit Eckermann erschien anfangs bei ihm. Ebenso trugen die pädagogischen Schriften von Probst Zerenner, sowie gute Uebersetzungen Plutarch’s, Tibull’s und Anderer, die Werke Delbrück’s, des Erziehers des Königs Friedrich Wilhelm’s des Vierten, wesentlich dazu bei, seine Firma zu einer der geachtetsten in Deutschland zu machen.

Eine Reihe Buchhändler ist aus seiner Schule hervorgegangen, unter Anderen Brockhaus (Korn) in Breslau, Weber in Bonn, Büchting in Nordhausen, Al. Cosmar in Berlin, Hänel in Berlin, Morin in Stettin, Jul. Schuberth in Hamburg, G. Schlawitz in Berlin, Otto Meißner in Hamburg, G. Reusche in Leipzig, E. Focke in Chemnitz, Th. Kay in Cassel. Dazu machte sein regelmäßiger Besuch der Leipziger Messe den alten Herrn mit der Zeit zu einem wahren Mittelpunkt der deutschen Buchhändler. Das Vertrauen, welches ihm entgegengebracht wurde, beweist seine vielmalige Wiederwahl in den Vergleichsausschuß, sowie eine große Anzahl von Anerkennungsschreiben. „Wir haben in die Tafeln der Geschichte unseres Handelsplatzes.“ heißt es in einem derselben, welches der Rath der Stadt Leipzig den 1. Januar 1858 an Heinrichshofen richtete, als dieser die Leipziger Messe zum fünfzigsten Male besuchte, „die seltene Thatsache einzutragen, daß Sie ein halbes Jahrhundert hindurch die Buchhändlermessen unserer Stadt besucht und während dieses langen Zeitraumes durch den Umfang wie die Ehrenhaftigkeit Ihres Geschäftsbetriebes zur Erhöhung der Bedeutsamkeit dieser alljährlichen Vereinigung deutscher Buchhändler wesentlich mit beigetragen haben.“ Seitdem ist er noch achtzehnmal in Leipzig gewesen.

Trotz dieser großen Thätigkeit im Geschäft wußte er sich zu einem Hauptförderer der Kunst aufzuschwingen. Sein Haus war lange Jahre hindurch der Mittelpunkt des musikalischen Lebens der Stadt, und fast alle Künstler, welche unser Jahrhundert auf diesem Gebiete hervorgebracht hat, sind, soweit sie sich vorübergehend in Magdeburg aufhielten, in seinem Hause eingekehrt: in seiner Autographensammlung finden sich Namen wie Iffland, Holtei, Immermann, Henriette Sontag, Catalani, Schroeder-Devrient, Paganini, Lortzing, Marschner, Liszt, Spohr, R. Wagner, Rubinstein, Hummel und andere. Diese Vorliebe des Vaters für die Musik gab auch dem Sohne den Anstoß, den Verlag mehr der musikalischen Seite zuzuwenden.

Was aber den Greis Allen, welche ihn näher kennen, lieb und werth macht, ist sein wohlthätiger Sinn und eine seltene Bescheidenheit. Abgesehen davon, daß er von dem Adel seiner Vorfahren nie Gebrauch gemacht hat, lehnte er auch den Titel eines Commerzienrathes ab, und der Adlerorden, welcher ihm darnach verliehen wurde, hat nie seine Brust geziert. Ein Armer aber, der ihn ansprach, fand stets eine offene Hand. Ehre dem wackeren Alten!





Das elektrische Licht im Dienste der Photographie. Die Sonne, bisher das Symbol und Wappenbild der Photographen, läuft Gefahr, einen Concurrenten im elektrischen Lichte zu erhalten. Es ist bekannt, daß man seit langen Jahren in den Pyramiden, Katakomben und Grottentempeln Aegyptens, Indiens und Europas, sowie in Höhlen und Bergwerken photographische Aufnahmen bei elektrischem oder Magnesiumlichte bewirkt hat, die in ihrer Art sehr effectvoll waren. Für Portraitaufnahmen eignete sich das Verfahren insofern wenig, als diese künstlichen Beleuchtungsmethoden doch nur einen Bruchtheil der Sonnenhelligkeit erreichten und zu lange Sitzungen erforderten. Wer nun aber weiß, wie schwer es den meisten Personen wird, auch nur die wenigen Secunden, die bisher erforderlich waren, „stillzuhalten“, der begreift, daß die Portraitaufnahme bei elektrischem Lichte erst nach Erfindung der viel empfindlicheren Gelatine-Trockenplatten in die Praxis eingeführt werden konnte. Aber seit mehreren Jahren bereits bewirken die Photographen van der Weyde in London und Levitzky in Petersburg, woselbst sich die Sonne oft wochenlang hinter Wolken und Nebel verbirgt, Aufnahmen bei elektrischem Lichte, und die Maskenbälle haben einen neuen Reiz dadurch erhalten, daß ein Photograph in einem Nebencabinet ein mit elektrischen: Lichte erhelltes Atelier aufschlägt, um Einzelnpersonen und Gruppen in ihren phantastischen Trachten alsbald zu verewigen. Kürzlich ist nun auch in Berlin durch den Photographen van Ronzelen ein derartiges Atelier eröffnet worden, in welchem bis in die späte Nacht hinein, völlig unabhängig von Nebel und Sonnenschein, Aufnahmen bewirkt werden. In großen Städten giebt es Personen genug, die bei Tage schlechterdings nicht die Zeit gewinnen können, um sich photographiren zu lassen. Außerdem kann das elektrische Licht im Winter beim Copiren gute Dienste thun; man weiß ja, welche Noth die Photographen zur Weihnachtszeit zu haben pflegen, um durchreisenden oder verspäteten Bestellern ihr Dutzend Bilder in kurzer Frist zu liefern; das mit einer elektrischen Lampe ausgestattete Atelier kann dagegen Tag und Nacht copiren ohne Unterbrechung. In dem genannten Berliner Atelier (Friedrichs-Straße 60) dient zur Erzeugung des elektrischen Stromes im Keller des betreffenden Hauses – das Atelier befindet sich nicht mehr zum Schrecken. der Corpulenten fünf Treppen hoch auf dem Dache, sondern im ersten Stock – eine Siemens’sche elektrodynamische Maschine, welche durch eine Gasmaschine in Bewegung gesetzt wird. Starke Drähte leiten den Strom in die an der Decke des Ateliers aufgehängte Lampe, deren Licht aber nur, wenn sogenannte „Rembrandt’sche Effecte“, das heißt starke Lichter und Schatten gewünscht werden, unmittelbar auf die zu photographirenden Personen oder Gruppen fallen darf. Für gewöhnliche Aufnahmen, die den bei Tageslicht bewirkten nicht nachstehen, wird reflectirtes Licht benutzt, das einem milden Tageslichte gleichkommt und mittelst eines überallhin drehbaren Hohlspiegels nach jeder Richtung geworfen werden kann.





Ein todtkrank darniederliegender Vater bittet, ihm seinen Sohn noch einmal im Leben vor Augen zu führen. Derselbe heißt Jacob Schwarz, wurde zu Rödelhausen, Kreis Zell (Rheinprovinz), geboren, ist jetzt etwa achtzehn Jahre alt, conditionirte bis Juni 1880 als Kellner in dem „Hotel zum Anker“ in Coblenz und ging ohne polizeiliche Abmeldung nach Köln, wo er, trotz aller Nachforschungen, bis jetzt nicht ermittelt werden konnte. Möchte diese Nachricht ihn recht bald finden!


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_168.jpg&oldid=- (Version vom 11.3.2022)