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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)


in jeder Beziehung ein tactvolles, wie er denn auch nicht die geringste Veranlassung nahm, in die Regierung einzugreifen. Als er die Kunde von Garfield’s Verwundung erhielt, war er tief erschüttert, und es liegt bis jetzt nicht der geringste Grund zu der Annahme vor, daß er hierbei den Heuchler gespielt habe.

Nach dem bisherigen Lebenslaufe Arthur’s zu schließen, darf man ihn wohl für einen entschiedenen Anhänger der republikanischen und einen principiellen Gegner der alten demokratischen Partei halten; eine andere Frage aber ist es, ob er als Präsident fortfahren wird, den „Stalwarts“, das heißt der Grant- und Conkling-Clique seine frühere Freundschaft durch Begünstigung bei der Vertheilung der öffentlichen Aemter zu bewahren, und ob ihn die Feindschaft gegen die demokratische Partei zu ungerechten, unweisen, das Gemeinwohl gefährdenden Handlungen hinreißen wird. Sowohl Hayes wie Garfield waren in anerkennenswerther Weise bemüht, dem moralisch so verderblichen Aemterschacher ein Ende zu machen und den unseligen, die Einheit der Union bedrohenden Conflict zwischen den Nord- und Südstaaten durch eine unparteiische Politik beizulegen; alle guten Bürger der Vereinigten Staaten wünschen ein baldiges Aufhören der sectionellen Streitigkeiten und ein Verschwinden der corrumpirenden Beutepolitik. Wenn Präsident Arthur dem guten Beispiele seiner beiden letzten Amtsvorgänger in diesen Hauptfragen der amerikanischen Politik nachfolgen wird, so wird sein Volk zwar den schmerzvollen Verlust, den es durch Garfield’s tragischen Tod erlitten, nicht vergessen, aber denselben doch leichter ertragen lernen. Möchte er stets der in seiner Antrittsrede gesprochenen Worte eingedenk bleiben, daß es sein „ernstes Bestreben“ sein werde, „aus Garfield’s Vorbilde“ Nutzen für sich und sein Land zu ziehen.

Es ist verhältnißmäßig leicht, ein guter Parteimann zu sein, aber es ist schwer, als das Oberhanpt einer Nation von fünfzig Millionen Menschen, unbekümmert um Privatrücksichten, alle seine Pflichten treu und gewissenhaft zu erfüllen. Daß Arthur die erstere Aufgabe erfüllen konnte, hat er in der Hauptsache bewiesen, ob er auch der letzteren gewachsen ist, dafür soll er erst seinem Volke und der Welt den Beweis liefern. Von dieser Beweisführung aber hängt es ab, ob sein Name neben dem Garfield’s in der Geschichte mit Ehren genannt werden wird oder nicht, ob das Volk der großen transatlantischen Republik sein Andenken segnen, oder nur ungern an dasselbe erinnert werden wird.

Rudolf Doehn.     




Blätter und Blüthen.


Der Weltspiegel, in welchem man sieht, was in weiter Ferne vorgeht, jenes vielbenutzte Möbel der Feen- und Zauberpaläste, dessen Besitz die alten persischen Märchen bereits ihrem ersten Könige Dschemschid zuschrieben, ist nun wirklich bereits in einigen rohen Modellen hergestellt worden, und die in unserem Artikel über Photophon und Telektroskop („Gartenlaube“ 1880, S. 787) erwähnten Träume des amerikanischen Ingenieurs und des Herrn Adriano de Paiva – der, wie hier berichtigend bemerkt werden muß, kein Pseudonymus, sondern Professor an der polytechnischen Schule von Porto ist – haben einen, wenn auch blassen Hauch von Realität gewonnen. In der Sitzung der Londoner „Physikalischen Gesellschaft“ vom 26. Januar 1881 wurden zwei Modelle des Fernschauers vorgeführt, die auf ganz verschiedenen Principien beruhen. Das eine von den Herren Ayrton und Perry construirte Modell besteht aus einem Schirm, welcher wie ein Schachbrett in lauter quadratische Felder getheilt ist, deren jedes eine lichtempfindliche Zelle aus Selen enthält, durch welche ein elektrischer Strom pulsirt, der nach der andern Station läuft. Wird nun eine dieser Zellen oder eine Gruppe derselben von einem starken Lichtreize getroffen, so schwellen die hindurchgehenden elektrischen Ströme so stark an, daß sie auf der andern Station ebenso viele entsprechend vertheilte Elektromagnete in Thätigkeit setzen, welche die Klappen eines ähnlichen schachbrettartig eingetheilten Schirmes öffnen und durch dieselben Licht auf eine dahinter befindliche Wand fallen lassen, wo sich natürlich dieselben Lichtfiguren wieder erzeugen müssen, die an der fernen Station z. B. durch einen ausgeschnittenen Pappbogen auf den Absendeschirm geworfen werden. Das ist ein etwas rohes Modell, um die Ausführbarkeit des Princips zu zeigen, aber die genannten Physiker hoffen ein besseres Resultat zu erhalten, indem sie einen chinesischen Zauberspiegel zu Hülfe nehmen. Wie wir aus ihren Arbeiten über diese merkwürdigen Geräthe wissen (vergl. Nr. 38 dieses Jahrgangs), erzeugen diese aus elastischem Metall gegossenen Spiegel in ihrem Widerschein auf der Wand dort hellere oder dunklere Partien, wo die Oberfläche des Spiegels sich vertieft oder emporwölbt. Die Physiker wollen nun den Selenzellen eines Empfangschirmes entsprechende Elektromagnete, welche sich, den ankommenden Strömen gemäß, verlängern und verkürzen, mit der Rückseite des Spiegels in Verbindung setzen und hoffen, indem sie Absende- und Empfangsapparat mit gleicher Geschwindigkeit rotiren lassen, das ferne Bild durch den Zauberspiegel auf die Wand werfen zu können, ohne allzu viel Leitungen nöthig zu haben. Das wäre allerdings eine sehr hübsche Lösung des Problems, aber die Ausführbarkeit dürfte auf Schwierigkeiten stoßen. Dagegen ist das in unserem ersten Artikel erwähnte Project des Herrn Senlecq von Ardres, optische Bilder mittelst des zeichnenden Telegraphen durch einen einfachen Draht zu versenden, in derselben Sitzung zu London durch ein Modell des englischen Physikers Shelford Bidwell als ausführbar nachgewiesen worden. Der Apparat war etwas anders angeordnet, als in dem erwähnten Projecte, aber da die Sache noch sehr unvollkommen ist und keine praktische Bedeutung hat, sehen wir von einer genaueren Beschreibung ab. Diese Versuche verdienen nur als die ersten Schritte zu einem vielleicht unerreichbaren Ziele Erwähnung; sie verhalten sich zu dem Ideal wie jene Silhouetten, welche Charles und Wedgwood im vorigen Jahrhunderte auf mit Silbersalzen getränkten Papieren erzeugten, sich zu unseren Photographien verhielten.


Ein Adjutant „Vater Jahn’s“. Mehr und mehr erlischt in unserem Volke die lebendige Kenntniß der langen geschichtlichen Epoche, die mit den Freiheitskriegen begann und in den blutigen Wirren der Revolutionsjahre von 1848 ihren Abschluß fand. Was die Alten damals erlebt, was sich ihre Söhne noch als mündliche Ueberlieferung mit hochschlagenden Herzen erzählten, das ist für das jüngere Geschlecht bereits zu einer todten Tradition aus längst begrabener Zeit geworden, deren Leben und Weben nur noch in Geschichtsbüchern zum ermunternden oder warnenden Beispiel für die Nation sorgsam aufbewahrt wird. Aber der Haß der Parteien, welcher damals wüthete, hat sich im Großen und Ganzen auf uns vererbt und die geschichtlichen Darstellungen der Restaurationsepoche tragen nur allzu oft unverkenntbare Spuren einer ungerechten Parteilichkeit. Die Art, in welcher dieser Theil der nationalen Geschichte heute auf unsern Schulen vorgetragen wird, trägt ebenfalls viel bei zur Verdunkelung des wahren Thatbestandes der damaligen Ereignisse.

Um so freudiger ist daher das Erscheinen des trefflichen Werkes: „Dr. Chr. Eduard L. Dürre. Aufzeichnungen, Tagebücher und Briefe aus einem deutschen Turner- und Lehrerleben, Leipzig, 1881“ zu begrüßen, in welchem die Erinnerungen eines Mannes niedergelegt sind, welcher, in seiner Jugend an der patriotischen Bewegung betheiligt, wegen dieses Patriotismus später in der Wahl seines Berufes durch Vergewaltigung gehindert wurde und, wiewohl er von seinen Gegnern selbst in das Ausland vertrieben war, dennoch ein klares, objectives Urtheil über die damaligen politischen Gestaltungen sich zu bewahren wußte. Christian Eduard Leopold Dürre, ein Schüler und Adjutant Jahn’s, hat an der Gründung der ersten deutschen Turnvereine rüstig mitgearbeitet und als Lützower geholfen, den fränkischen Feind über die Grenze zu jagen. Er wurde auch später der geistige Urheber der Wartburgfeier.

Die Reaction der damaligen Zeit trug es aber bekanntlich den jungen Männern nach, daß sie auf der Wartburg mit Begeisterung gesungen:

„Freiheit, Ehre, Vaterland
Ist ein felsenfester Stand –“

und so kam es auch, daß die Regierung dem angehenden Lehrer nicht nur die Stipendien versagte, sondern ihm auch den Eintritt in das Lehrerseminar zu Breslau ausdrücklich verbot und ihn außerdem, der Methode der Demagogenverfolgung entsprechend, in einen langwierigen Untersuchungsproceß verwickelte. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, hier ausführlich den Lebenslauf Dürre’s mitzutheilen und auf seine schriftstellerische und journalistische Thätigkeit näher einzugehen, wir wollen hiermit nur auf das oben erwähnte Buch hinweisen, in welchem der Leser nicht allein ein treues Bild eines Lehrerlebens aus längst vergangener Zeit, sondern auch wichtige Aufschlüsse über die Entstehung des deutschen Turnwesens, sowie interessante neue Mittheilungen über die persönlichen Verhältnisse hervorragender Männer, wie Jahn’s, Maßmann’s, Raumer’s etc., finden wird. Das Buch besteht zum Theil aus einer Selbstbiographie Dürre’s, zum Theil aus Ergänzungen und Nachträgen, welche der Herausgeber desselben, Dürre’s Sohn, dem Nachlasse seines Vaters entnommen. Wir empfehlen das Werk vor Allem den Bibliotheken der Turn-, Lehrer- und Volksbildungsvereine, welche unter Anderem auch die Aufgabe haben, unser Volk über die verdienstvollen Freiheitsbestrebungen der ersten Liberalen Deutschlands aufzuklären. Wir empfehlen es aber auch auf das Wärmste Jedem, der für diesen Theil unserer Geschichte sich interessirt und in den Geist derselben tiefer eindringen möchte.


Kleiner Briefkasten.

Ch. D. in W. Sie irren trotz alledem. Die Preisausschreibung auf eine Hymne für das deutsche Volk in Oesterreich ist nicht von einer Grazer Zeitung, sondern von der „Deutschen Zeitung“ in Wien (Morgenausgabe vom 16. October) ausgegangen. Das genannte Blatt erwirbt sich mit diesem Aufrufe ein anerkennenswerthes Verdienst um die Wacherhaltung des deutschen Nationalbewußtseins in Oesterreich, und wohl jedes deutsche Herz ruft der wackeren Wiener Zeitung mit uns ein kräftiges: „Habe Dank und Glück auf!“ zu. Der Appell richtet sich „an alle sangesgeübten Söhne des deutschen Volkes“ und fordert sie auf, „dem deutschen Stamme an der Donau eine Hymne zu schaffen, würdig dessen nationaler Aufgaben, würdig seiner künstlerischen Empfindung“, ein Nationallied, welches der Mission der Deutschen Oesterreichs in sangbarer Form einen poetischen Ausdruck leiht. Die „Deutsche Zeitung“ setzt den Preis von hundert Ducaten für den Text des besten unter den eingesandten Liedern aus, während zwei Nebenpreise von je zehn Ducaten den beiden nächstglücklichen Bewerbern garantirt werden. Der Termin zur Lieferung des Preisgedichtes läuft bis zum 1. December dieses Jahres, und die Einsendung hat in geschlossenem Couvert unter folgender Adresse stattzufinden: „An die Redaction der ‚Deutschen Zeitung‘ in Wien. Zur Preisbewerbung.“ Möge das nationale Unternehmen von bestem Erfolg gekrönt werden!

E. v. Vg. in Rußland. Nein! Besten Dank!

Dr. T. in Schönebeck. Wir bedauern, Ihnen eine Auskunft nicht ertheilen zu können.

Langjährige Abonnentin. Aus Lessing’s „Nathan der Weise“.

B. L. in Stuttgart. Wir empfehlen Ihnen zur Vervollkommnung in Ihrer Muttersprache auf das Wärmste die vortrefflichen „Deutschen Sprachbriefe“ von dem rühmlich bekannten Professor Dr. Daniel Sanders, welche jetzt in dritter vermehrter Auflage erschienen und durch jede Buchhandlung zu beziehen sind.



Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 756. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_756.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)