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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Blätter und Blüthen.


Das goldene Jubiläum einer deutschen Zeitschrift ist etwas so Seltenes, daß es schon an und für sich Erwähnung verdient; wenn dann aber außerdem noch die Jubilarin in der langen Reihe von fünfzig Jahren jederzeit sich der höchsten Achtung zu erfreuen hatte und fort und fort verdienstlich wirkte, so muß ihr Ehrentag noch ganz besonders hervorgehoben werden. Das sei denn auch mit dem Jubiläum der Fall, das am 1. Februar d. J. das „Magazin für die Literatur des In- und Auslandes“ festlich begeht! selten ist eine kritische Zeitschrift so festen Schrittes, so vollständig unbeirrt, so im edelsten Sinne vornehm ihres Weges gegangen, wie die Jubilarin. Freilich leuchteten ihr auch gleich von ihrem ersten Tage an die freundlichsten Sterne.

Das „Magazin“ ging noch aus den mannigfachen Anregungen hervor, welche die Romantiker unserem Literaturleben gaben. Durch die Schlegel, Tieck, Gries und Andere waren die Blicke der deutschen Leserwelt auch auf die Literaturschätze des Auslandes gelenkt worden, und es regte sich nun unter den Gebildeteren das Verlangen, die Kenntniß der ausländlischen Literatur auch weiter zu pflegen. Diesem Wunsche entsprach ein junger Publicist, der sich durch vielseitige Bildung und journalistisches Geschick bereits ausgezeichnet hatte, Joseph Lehmann in Berlin. Seit 1828 Mitredacteur der damals unter der Aegide des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten erscheinenden „Preußischen Staats-Zeitung“, hatte er in dem Redactionsbureau derselben die beste Gelegenheit, sich fortwährend über die neuesten Erscheinungen der Weltliteratur zu informiren, da die preußischen Gesandten des Auslandes beauftragt waren, alle interessanten Werke, die in ihrem Bereich auf dem Gebiete der politischen und wissenschaftlichen Literatur erschienen, der Redaction der „Staats-Zeitung“ einzusenden. Um dem von ihm geplanten publicistischen Unternehmen gleich eine feste Stütze zu geben, kam Joseph Lehmann durch den Curator der „Staats-Zeitung“, den Geheimen Legationsrath Karl Philipsborn, bei dem Minister Grafen Christian von Bernstorff und dem Staats-Secretär Ancillon um die Erlaubniß ein, dasselbe als eine Art Beiblatt der „Staats-Zeitung“ herausgeben zu dürfen, was beide Männer, die ebenfalls ein reges Interesse für die Weltliteratur zeigten, gern gewährten. Und so wurde die Redaction der „Staats-Zeitung“ ermächtigt, das „Magazin für die Literatur des Auslandes“ – so war damals der Titel – als ein mit besonderem Abonnement verbundenes Beiblatt der „Staats-Zeitung“ anzukündigen und herauszugeben, etwaige durch dieses neue Blatt (dessen Preis auf nur 9 Mark pro Jahr gestellt wurde) entstehende Ausfälle aus den Ueberschüssen der „Staats-Zeitung“ zu decken und dem Redacteur Joseph Lehmann alle dem Staats-Zeitungs-Institute zugesandten literarischen Hülfsmittel zur Mitbenutzung zu überlassen.

Das waren also die günstigsten Bedingungen, unter denen das „Magazin“ in’s Leben treten konnte, und da sich auch noch der über das Blatt gesetzte Censor – zu jener Zeit eine überaus wichtige Person für jedes literarische Unternehmen – der Geheime Ober-Regierungsrath Jakobi, als ein warmer Freund der jungen Zeitschrift erwies, so durfte sie frisch und fröhlich hinaussteuern und täuschte dann auch die Erwartungen nicht. Gleich der Prospect, welcher der „Staats-Zeitung“ beigelegt wurde und in welchem der Redacteur auf einen Gedanken Goethe’s hinwies, der sich zuerst des Wortes „Weltliteratur“ bedient hatte, fand so vielseitigen Anklang, daß sich schon in den ersten Wochen nach der Ankündigung zwölfhundert Abonnenten anmeldeten. Mit einem geistreichen Artikel Lehmann’s über das damals soeben herausgekommene Werk von Lord Dover: „The Life of Frederic the Second, King of Prussia.“ that die Zeitschrift sodann ihren ersten Schritt. Sie präsentirte sich in Folioformat und Fracturschrift und erschien darauf wöchentlich dreimal.

Seine Mitarbeiter hatte sich Joseph Lehmann zunächst unter seinen Collegen gesucht, bald aber gelang es ihm auch Professoren von Universitäten, bedeutende Lehrer von Gymnasien und geistvolle Schriftsteller wie Wilibald Alexis, Hesekiel, Mundt u. A. zu gewinnen, sodaß das Ansehen des „Magazins“ rasch stieg. Leider bestand damals noch nicht die gute Sitte, die Artikel mit dem Namen des Autors zu zeichnen; man kann daher bei vielen Beiträgen heute nicht mehr angeben, von wem sie herrühren.

Nach dem Rücktritte Philipsborn’s vom Curatorium und dem Rückgange der „Staats-Zeitung“ stellte sich das „Magazin“ 1843 auf eigene Füße und ging dabei in den Verlag der Firma Veit u. Comp. über, mit der es auch 1849 von Berlin nach Leipzig übersiedelte.

Von 1859 ab erschien es sodann, wie noch heute, nur einmal wöchentlich, und von 1864 ab, in welchem Jahre es wieder nach Berlin zurückkehrte, da es von F. Dümmler’s Verlagshandlung erworben worden war, in Groß-Quart. Dieses Format besitzt es auch noch jetzt, nachdem es abermals (am 1. Januar 1879) nach Leipzig gewandert ist, um fortan die Flagge der Verlagshandlung Wilhelm Friedrich zu tragen. Doch hat es mit dem neuen Ortswechsel sein Programm erweitert, indem es jetzt auch die Erzeugnisse der deutschen Literatur in den Kreis seiner Besprechungen zieht. Dem entsprechend nennt es sich jetzt „Magazin für die Literatur des In- und Auslandes.“ Außerdem änderte es noch sein Kleid, indem es die Fracturschrift mit der Antiquaschrift vertauschte. Seit dem 1. October 1881 ist es – last not least – officielles Organ des „Allgemeinen deutschen Schriftstellerverbandes“ geworden.

Von Joseph Lehmann wurde es bis zu dessen 1874 erfolgtem Tode redigirt; alsdann waren Stadtgerichtsrath Lehfeldt, Oberpostdirector Fischer, Dr. L. Homberger und auf kurze Zeit der jetzige Verleger Wilhelm Friedrich als Redacteure thätig, bis zum 1. October 1879 Dr. Eduard Engel in Berlin die Redaction übernahm. Mit ihm ist offenbar ein neuer frischer Zug in das Blatt gekommen, und wir dürfen hoffen, daß es unter seiner äußerst tüchtigen Leitung auch weiterhin ein treuer Spiegel der Weltliteratur sein wird.

Ludwig Salomon.






In der Kurischen Nehrung. (Mit Abbildung S. 53.) „Contre“ ist er nicht, der Tanz, welchen Meister Rentel mit so lebenstreuen Strichen auf unserem heutigen Bilde dargestellt hat. Die biederen Fischer kennen augenscheinlich noch nicht die von der alles gleichmachenden Mode vorgeschriebenen Sprünge und „Pas“; sie tanzen nach alter Sitte, frei und ungebunden, wie da draußen im Spiel der Winde die Wogen der Salzfluth schäumen und tosen, um den vielumworbenen und vielumstürmten Strand mit Perlen durchsichtigen Bernsteins zu überstreuen. Der verfeinerte Culturmensch würde freilich an diesem lärmend-fröhlichen Festgelage, in dieser primitiven Schenke, mitten unter diesen dicken Tabaksqualmwolken, die der Sonnenschein nur mit Mühe durchdringt, und in der Gesellschaft dieser oft allzu geradherzigen Leute keine richtige Freude haben. Aber auch dem Fischer von der schmalen ostpreußischen Nehrung, welcher im Saus und Braus der Seewinde die vielen Stunden seiner Arbeit dahinlebt, würde die Salonluft der Städte gar zu dünn vorkommen, wenn er zu seiner Erholung in derselben eine Quadrille oder sogar eine Polonaise bedächtig hertanzen sollte. „Jedem das Seine“ lautet der Wahrspruch des preußischen Staates, und so mögen denn diese Altpreußen nach ihrer Façon vergnügt bleiben in dieser schweren Zeit, da dem Alles umfassenden Zollstab auch die Fische des Meeres, grün oder geräuchert, unterthan bleiben müssen. Wahrlich, gönnen kann man diesen Fischern das Vergnügen; denn der Zollstab und der Steuerzettel sind lange nicht das Schlimmste, was sie zu ertragen haben. Das Land, auf dem sie leben, ist schon an und für sich nichts weniger als ein Paradieswinkel der Erde. Die Kurische Nehrung bildet, wie ihre Zwillingsschwestern, die „Frische“ und „Pommersche“, einen gar schmalen Streifen Landes, der viele Meilen weit in die See hineinragt; sie trennt das Kurische Haff von der Ostsee. An ihrer ganzen Länge ziehen sich gewaltige Sanddünen hin, die mächtigsten, die in dem alten Europa zu schauen sind, und die hier und dort bis zu 65 Meter Höhe sich aufthürmen. Wo aber viel Sand ist, da ist in der Regel wenig Segen, und auch hier ist der Sand kein Freund der Cultur. Hat man doch ausgerechnet, daß, wenn in der Ostsee alles beim Alten bleibt, das Kurische Haff binnen 300 bis 500 Jahren versandet werden und eine Art Sahara des Nordens bilden wird. Gegen diesen Sand muß nun der Fischer in der ostpreußischen Nehrung ebenso ankämpfen, wie der friesische Bauer gegen die Sturmfluthen; denn während an der Nordsee das nasse Grab des Meeres Länderstriche und menschliche Wohnstätten verschlingt, werden hier an der Ostsee die Dörfer versandet.

Doch was der Friese vermochte, das wird auch der Ostpreuße noch zu Wege bringen: über kurz oder lang wird der bösen Undine, die da im krystallenen Palaste auf dem Grunde der Ostsee hauset, nachdrücklichst bedeutet werden, daß ihr weißer Flugsand nicht auf die Felder gehört, auf denen „die holde Ceres lachen“ kann, und die Cultur wird dem Vorwärtsdringen der feindlichen Dünenlinie ein gewaltsames und entschiedenes Halt! gebieten. Das wissen wohl die Fischer der Nehrung, Alt und Jung, und darum lassen sie sich in ihrem Tanz nicht stören, unbekümmert darob, was da der morgende Tag bringen wird.




Kleiner Briefkasten.


Fr. M. in Osnabrück. Herr Richard Hofmann gehört der Redaction unseres Blattes nicht an, sondern fungirt als „verantwortlicher Redacteur“ der „Allgemeinen Anzeigen zur ‚Gartenlaube‘“, eines Annoncenblattes, das in gar keinem inneren Zusammenhange mit unserem Journale steht und demselben nur beigelegt wird. Die Adresse Ihres Briefes war also eine durchaus irrthümliche.

Zwei sich streitende Abonnenten. Vergleichen sie den Artikel „Die Bändigung der drei Unbezwinglichen“, Jahrgang 1878, Nr. 5 der „Gartenlaube“!

Anna W. in Paschkowitz. Verfasser der „Neuen deutschen Zeitbilder“ und unserer fesselnden Criminalgeschichten ist der jüngsthin verstorbene, hochverdiente J. D. H. Temme.

F. S. in Bukarest. Das geflügelte Wort stammt von Schleiermacher.

H. v. K. in Potsdam. Beruhigen Sie sich! Uns ist die schriftstellerische Thätigkeit des genannten Herrn gleichfalls völlig unbekannt.

Anonymus in Dresden. Sie stehen mit Ihrem Urtheile so allein da, daß wir aus demselben nur eine persönliche Rancune gegen den sehr talentvollen Künstler herauslesen können. Der Schleier der Anonymität, in den Sie sich hüllen, bestärkt uns in dieser Auffassung. Es ist in der That sehr hübsch, aus sicherem Versteck heraus ehrliche Leute mit dem Koth der Straße zu bewerfen.

Abonnent W. K–l. Die Adresse lautet: Leipzig, Weststraße 89.





Zur Beachtung!

Für den Jahrgang 1881 der „Gartenlaube“ empfehle ich geschmackvolle

reich vergoldete Einbanddecken

zum Preise von 1 Mark 30 Pfennig, welche durch alle Buchhandlungen zu beziehen sind. Bei Bestellungen bitte ich genau zu bezeichnen, ob Decken nach „altem“ oder „neuem“ Muster gewünscht werden.

Ernst Keil


Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_056.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)