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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Blätter und Blüthen.

Der welsche Sackpfeifer. (Illustration S. 493.) Der Künstler unserer Illustration, Genremaler Conrad Grob, ist, wie er selbst kein Jüngling, auch unsern Lesern kein Neuling mehr. Schon im Jahrgang 1860 der „Gartenlaube“ (Seite 653) brachten wir von ihm ein „Gefängniß in Neapel“ und im folgenden Jahrgang (Seite 173) die Festung „Gaeta“, dann seine „Maler aus der Studienreise“ 1873 (Seite 467). In den beiden ersten Bildern zeigte der Künstler sich noch in den Jahren seiner Entwickelung, im letzten bereits auf der Höhe seiner Leistungen. Conrad Grob ist ein Schweizer, 1828 zu Andelfingen im Canton Zürich geboren, eines Bauern Sohn. Seine Künstlerlaufbahn wurde ihm nicht leicht gemacht. Nachdem er drei Jahre lang, von 1842 bis 1845, in Winterthur einen guten Grund in der Kunst hatte legen können, war er genöthigt, die Mittel, die ihm die Thore einer Kunstakademie öffnen sollten, sich selbst zu erwerben. Er griff muthig zum Wanderstab und ging ohne Weiteres nach Italien, wo er nun seine doppelte Aufgabe, zu lernen und zu gleicher Zeit zu verdienen, mit aller Beharrlichkeit verfolgte. Dennoch war es ihm erst 1885 vergönnt, in München sein Ziel zu erreichen; er ward Zögling der Akademie und Schüler des Professors Arthur von Ramberg. Außer den obengenannten Bildern werden von seinen späteren Erzeugnissen hervorgehoben: „Die gefangene Maus“, „Italienische Bettelkinder“, „Die Portraitirung eines Bauernmädchens“, „Der Besuch auf der Leiter“, „Sonntagnachmittag in der Schweiz“, „Vater Pestalozzi“ etc. Wie schon diese kurze Auszählung andeutet, sucht Conrad Grob am liebsten seine Stoffe in den ländlichen Volkskreisen, die er voll Leben und Anmuth darzustellen weiß. Ein wahrhaft herzerfreuendes Beispiel dafür ist das vorliegende Bild seines italienischen Sackpfeifers. Diese Kindergruppen können der lieblichsten Erscheinung im Leben nicht sorgfältiger abgelauscht werden, und wie zart und sinnig hat er in der Scene, die nur einen freudigen Eindruck auszuüben bestimmt ist, auch eine stille und doch deutlich genug sprechende Klage angebracht: der traurige Blick, den das arme welsche Kind auf den dickbackigen Knaben wirft, der mit so sichtlichem Behagen in sein großes Butterbrot beißt. An der Tracht des großen Mädchens oben auf der Treppe erkennt man, daß dieses Stückchen Kinderlust auf Schweizerboden spielt.




Neuer Versuch zur Enthüllung eines alten Geheimnisses. Die „Gartenlaube“ hat im Jahrgang 1863 (S. 300 u. 309) in dem illustrirten Artikel „Ein geheimnißvolles Grab“, ferner 1866 (S. 379) in dem Artikel „Zwei fürstliche Geheimnisse neuerer Zeit“ und endlich 1867 (S. 416) in der Notiz „Ein Ruck am Schleier des Geheimnisses“ die unheimliche Geschichte von dem Menschenpaar erzählt, das über ein Menschenalter lang in tiefster Abgeschlossenheit von aller Welt erst in, dann bei Hildburghausen in einem Dorfschlosse (Eishausen) lebte, das zwar nunmehr längst, die Frau 1837, der Mann 1845, gestorben ist, aber durch den mächtigen Reiz des Geheimnißvollen einen förmlichen Sagenkreis hinterließ und eine Reihe von poetischen und von historisch untersuchenden Schriften veranlaßte, die das Dunkel, welches über dem jahrelangen Erlebniß schwebt, eher vermehrten als aufhellten.

Wir sind in Folge unserer Nachforschungen damals zu der Ansicht gelangt, daß diese Abgeschlossenheit von aller Welt weder von Seiten des Mannes noch der Frau eine freiwillige, daß sie vielmehr eine nothgedrungene, ja ängstlich gehütete war, und daß wir in dem weiblichen Wesen eine Bewachte, in dem Manne aber den Wächter derselben erkennen mußten. Da der Letztere, der sich Vavel de Versay nannte, als reicher, vornehmer Herr auftrat, so wurde er – man weiß nicht wann und von wem zuerst – der „Herr Graf“ genannt und die Dame die „Frau Gräfin“; seinen Namen „Vavel“ machte das Landvolk in und um Eishausen sich mundgerecht, indem es ihn „Pfaffel“ hieß. Erst nach dem Tode der Frau ward es bekannt, daß sie nicht seine Gemahlin gewesen, in der kirchlichen Todtenliste steht sie als „Sophie Botta, ledig, bürgerlichen Standes, aus Westfalen, 58 Jahre alt“. Von dem Manne aber ward es später bekannt, daß er neben dem genannten Namen auch den eines „Leonardus Cornelius van der Balck“ führte.

Von der „Gräfin“ weiß man, daß sie während der dreißig Jahre ihres Gefangenenlebens nur zweimal mit einem anderen Menschen, als dem „Grafen“ gesprochen hat, und zwar in deutscher Sprache. Der „Graf“ stand vierzehn Jahre lang mit dem Geistlichen von Eishausen (dem Vater des als Director der Musterschule in Frankfurt a. M. berühmt gewordenen Pädagogen Kühner) in tagtäglichem brieflichem Verkehr und hat doch jede persönliche Berührung mit ihm vermieden, nie ein Wort mit ihm gesprochen. Im Nachlaß der „Gräfin“ fand man die feinste Pariser Garderobe, in dem des „Grafen“ eine ausgewählte und reichhaltige Bibliothek wissenschaftlicher Werke in verschiedenen Sprachen. Sind diese wenigen Andeutungen nicht schon hinreichend, immer frischen Eifer zur Enthüllung dieser geheimnißvollen und noch so nahen Vergangenheit zu erwecken?

Dies ist in der That geschehen. Vor uns liegt der erste Theil eines neuen Werkes: „Der Dunkelgraf von Eishausen. Erinnerungsblätter aus dem Leben eines Diplomaten von R. A. Humann, Dr. jur. et phil. Mit Abbildungen des Portraits des Dunkelgrafen und des Schlosses von Eishausen.“ (Hildburghausen, Kesselring, 1883.) Da dieser erste Theil sich vorzugsweise mit dem „Grafen“ beschäftigt und erst der zweite die Nachforschungen über die „Gräfin“ enthalten wird, so versparen wir unsere Mittheilungen über das Resultat der fleißigen und geistvollen Arbeit für später, empfehlen aber das interessante Buch Allen, die der Reiz des Geheimnißvollen anlockt.




Ein deutsch-amerikanisches Jubiläum in Philadelphia. Die ersten Jahrzehnte nach dem Dreißigjährigen Kriege sind mit Recht für unser deutsches Vaterland als die Periode seines tiefsten geistigen und materiellen Verfalles bezeichnet worden; verlor Deutschland doch auch in jener Zeit alle politische Initiative und sank zum ohnmächtigen Schleppenträger des Auslandes herab. Erst ein volles Menschenalter nach dem westfälischen Frieden wagte das gedrückte Volk seine scheuen Blicke behufs Verbesserung seiner elenden Lage in die Ferne zu richten, und als unter Pastorius im Jahre 1683 die erste größere Auswanderung nach Amerika stattfand, war sie nicht der Ausdruck nationalen Könnens und Wollens, sondern weh- und demüthige Unterordnung unter die Macht Englands. Jetzt ist dies nun allerdings anders geworden; Deutschland nimmt gegenwärtig im Rathe der Völker eine leitende Stellung ein, und seine im Auslande lebenden Söhne können in vieler Hinsicht stolz aus ihr altes Vaterland sein. In diesem Sinne soll denn nun auch am 6. Oktober 1883 in Philadelphia die Wiederkehr des zweihundertsten Jahrestages gefeiert werden, wo deutsche Auswanderer zuerst in größerer Anzahl über den Ocean gingen und den Grund legen halfen für die große transatlantische Republik.

Nach längeren Berathungen hat sich eine Anzahl deutscher Vereine in Philadelphia dahin geeinigt, daß die geplante Feier eine möglichst öffentliche sein soll, die sich vor den Augen des amerikanischen Volkes abspielt und an der sich das deutsch-amerikanische Element in Masse betheiligen kann. Es soll den nichtdeutschen Bürgern der Vereinigten Staaten anschaulich gemacht werden, was das Deutschthum im Laufe der Zeit für die Union gewesen ist, zugleich aber soll auch dargethan werden, daß die jetzige Generation der Deutsch-Amerikaner sich des Ruhmes ihrer Vorfahren würdig bewiesen hat und stets würdig beweisen wird zur Ehre und zum Heile der Republik. Die Deutschen Philadelphias betrachten sich gewissermaßen als die Repräsentanten des gesammten Deutschthums in den Vereinigten Staaten und wollen sich bestreben, durch ihre Feier allen ihren Stammesgenossen im Lande Ehre zu machen. Andererseits geben sie sich der Hoffnung hin, daß auch in anderen Städten der Union ihre Stammesgenossen eine ähnliche Feier veranstalten oder sich wenigstens an dem Feste in Philadelphia betheiligen.

Concerte, Processionen und Pickniks sind zwar nichts Neues, aber sie sind und bleiben wohl noch lange die einzigen Feierlichkeiten, welche irgend ein Fest zu einem allgemeinen Volksfest gestalten können. Und dies erscheint als die Hauptsache bei dem geplanten Jubiläum. Das Concert soll das künstlerische Wesen der Deutschen, ihr Wirken in Musik und Gesang vorführen. Der historische Umzug wird ein Bild dessen geben, was sie in Krieg und Frieden geleistet haben: der Vereinszug ein Bild ihres geselligen Lebens und der Gewerbezug ein Bild ihres großartigen Antheils an der Industrie der Union. Das Picknik endlich vereinigt Alle zur lebhaften Betheiligung an dem fröhlichen Feste. Man ist auch der Frage näher getreten, ob sich aus der beabsichtigten Feier nicht der Grund zu irgend einem dauernden Monumente oder zu einer Stiftung zum steten Gedächtnisse an den historischen Tag erzielen läßt. Doch soll die Entscheidung über diese Frage bis nach dem Ablauf der Jubelfeier verschoben werden.

R. D.




Das Mädchen aus der Fremde. Das „liebliche Räthsel“, welches Schiller in dem genannten Gedichte dem deutschen Volke geschenkt hat, scheint noch heutzutage die Gemüther der aufmerksamen Leser unseres großen Dichters lebhaft zu beschäftigen. Das beweisen uns u. A. auch drei Briefe, die wir in letzter Zeit erhalten haben und in welchen eine und dieselbe Frage an uns gestellt wird: „wen Schiller in diesem Gedichte mit der Persönlichkeit des Mädchens gemeint hat?“ Den Neugierigen könnten wir einfach den Rath ertheilen, in dem Werke: „Schiller’s lyrische Gedichte. Erläutert von Heinrich Düntzer“ (Leipzig, Ed. Wartig 1874) den betreffenden Abschnitt nachzuschlagen. Da wir aber nicht annehmen können, daß dieses rein wissenschaftliche Werk Jedem leicht zugängig ist, so glauben wir den Inhalt der Düntzer’schen Erklärung hier in aller Kürze wiedergeben zu dürfen.

Das Gedicht erschien demnach auf dem ersten schon Ende Juli 1796 abgedruckten Bogen des Musenalmanachs aus 1797, und ist wahrscheinlich während Goethe’s Anwesenheit zu Jena, im Anfange des Monats, entstanden; das Mädchen repräsentirt die Dichtkunst, und diese Beziehung hat Schiller selbst dadurch angedeutet, daß er mit „dem Mädchen aus der Fremde“ die erste Sammlung seiner Gedichte eröffnete. Wie in einem anderen Gedichte Schiller’s der Frühling als schöner Jüngling auftritt, so hier die Dichtung als ein Mädchen, dessen höheren Ursprung der erste Theil (Strophe 1 bis 3), wie der letzte ihre lieblichen Gaben darstellt, die sie jedem gern darbietet. Das Ganze wird märchenhaft eingekleidet, als eine Sage aus vergangener Zeit.




Inhalt: Heiße Stunden. Von Wilhelm Kästner, S. 481. – Im Congoland. Von Dr. Pechuel-Loesche. 2. Europäische Handelsplätze in der Congoniederung, S. 484. – Mit Illlustration: Schwimmende Inseln und die Hochlande des Congo, gezeichnet von Prof. A. Goering, S. 485. Zur Erinnerung an Hedwig Reicher-Kindermann, S. 488. Mit Portrait, S. 489. – Wo kommen unsere gefiederten Hausfreunde her? Von Dr. Karl Ruß, S. 491. – Ein Gründer des sechszehnten Jahrhunderts. Von Dr. Roderich Irmer, S. 494. – Blätter und Blüthen: Der welsche Sackpfeifer (Mit Illustration auf S. 493). – Ein Versuch zur Enthüllung eines alten Geheimnisses. – Ein deutsch-amerikanisches Jubiläum in Philadelphia. – Das Mädchen aus der Fremde, S. 496.



Für die Redaction bestimmte Sendungen sind nur zu adressiren: „An die Redaction der Gartenlaube, Verlagsbuchhandl. Ernst Keil in Leipzig“.


Unter Verantwortlichkeit von Dr. Friedrich Hofmann in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 496. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_496.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2024)