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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

glücklichsten, wenngleich die Finanzen des Prinzen wie die ihrigen oft höchst ungeordnete waren. Georg begegnete ihr voll Achtung, gab ihr freilich noch immer manchen Grund zur Eifersucht.

Ein Vorfall, der scheinbar keinen Bezug darauf haben konnte, trübte die guten Beziehungen; eine Freundin Mary Anne’s, Lady Horatia Seymour, ging nach Italien, um ihre gebrochene Gesundheit wieder herzustellen, und übergab ihre kleine Mary Georgiana der Obhut von Mary Anne. Die Oheime des Kindes forderten dasselbe, als es etwa sechs Jahre zählte, zurück, Mary Anne verweigerte die Auslieferung, aber die Oheime wurden im Mai 1806 in Folge einer Bill zu Vormündern bestellt. Man traute Mrs. Fitzherbert als Katholikin nicht, denn man fürchtete, sie würde dem Mädchen katholische Grundsätze beibringen. Sie wandte sich an das Oberhaus und verlangte die Vormundschaft nicht für sich, sondern für die nächsten Verwandten der Kleinen, die Familie Hertford, für die auch der von dem Kinde entzückte Prinz sprach, worauf die Peers auf Antrag des Kanzlers den Hertfords die Vormundschaft übertrugen. So kam Georg oft mit der Marquise Hertford zusammen, die auf ihn viel Einfluß gewann. Inzwischen begann die Gesundheit von Mrs. Fitzherbert zu leiden; der Prinz vernachlässigte sie und setzte sie bei Hoffesten und dergleichen hintan. Die königliche Familie verzögerte immerfort den Bruch, doch erfolgte er um 1806, und die Gatten sahen sich nie wieder. Mit welchen Gefühlen mag sie schon früher seine Thronbesteigung und den skandalösen Scheidungsproeeß gegen ihre Nachfolgerin verfolgt haben! Georg IV. gab sich jetzt alle Mühe, die Briefe und Papiere zurückzuerhalten, die in Mary Anne’s Händen lagen und die er als vernichtende Beweise seiner Schuld fürchtete. Einmal kam in seinem Auftrage Sir William Knighton zu ihr, den sie gar nicht kannte, sie lag krank darnieder, er erzwang den Zutritt, doch gelang es ihr, den Lästigen zu entfernen, ohne ihm die Papiere einzuhändigen. Als Georg IV. seine ruhmlose Regierung beschloß, sprach er im Todeskampfe viel von Mary Anne’s Bild; sie schrieb ihm, erhielt aber kein Gegenzeichen alter Gesinnungen.

Zum dritten Male Wittwe, siedelte sie nach Brighton über, wo der neue Monarch Wilhelm IV. sie alsbald besuchte. Diesem biederen Seemannskönige unterbreitete sie ihren Ehepakt und wichtige Briefe, ihn zu Thränen rührend. Wilhelm sprach ihr sein Erstaunen darüber aus, daß sie solche Dokumente besessen, aber trotz Demüthigung und Leid nicht benutzt habe, er bot ihr an, sie in jeder Weise zu unterstützen, und wollte ihr den Titel einer Herzogin verleihen, sie aber lehnte die Rangerhöhung mit dem stolzen Worte reinen Bewußtseins ab: „Ich will bis zum Grabe den fleckenlosen Namen Mrs. Fitzherbert führen.“ Der König bestand hingegen darauf, daß sie für seinen Vorgänger Trauer anlege, kam ihr, als sie ihren Gegenbesuch im Pavillon von Brighton abstattete, an den Wagen entgegen, war ihr bei dem Aussteigen selbst behilflich, führte sie bei seiner Familie ein und stellte ihr alle Mitglieder besonders vor. Er erwies ihr dauernd Aufmerksamkeiten wie keiner anderen Unterthanin, als sie von einer Pariser Reise zurückkehrte, schmückte er sie mit Juwelen; oft kam sie im vertrautesten Zirkel mit der Königsfamilie zusammen; diese Ehren wurden ihr erwiesen, weil Wilhelm und die Seinen in ihr die gekränkte Gemahlin und Wittwe Georg’s IV. erblickten. Ueber ihre Papiere verfügte sie für den Fall ihres Todes, denn sie fürchtete einen Mißbrauch derselben. Ihr hoher Sinn duldete nicht, daß fremde Blicke in ihr Allerheiligstes eindrängen; wie viel Tausende hätten die Papiere, untrügliche Beweisstücke, den Augen des neugierigen Publikums vorgelegt! Sie stand ehrenhaft davon ab.

Sie rief den Herzog von Wellington, Britanniens Wehr, und Lord Albemarle zu sich und verbrannte vor ihren Augen die Korrespondenz mit Georg und ihrem treuen Berather, dem Herzoge von York, behielt nur einen kleinen Theil ihrer Papiere, um ihren Ruf gegen Anfechtung schützen zu können, und versicherte den beiden Zeugen, weiter habe sie nun keine Briefe und Dokumente; was daher an solchen nach ihrem Tode auftauchen sollte, sei falsch und von ihnen als Fälschung zu bezeichnen. In Gegenwart Wellington’s und Sir William Knighton’s, welche die Nachlassenschaft Georg’s IV. vertraten, und der Lords Albemarle und Stourton[WS 1] legte sie die wenigen letzten Dokumente im Juni 1833 bei dem bekannten Banquier Coutts nieder, von dem sie später an Mr. Edward Southwell-Keppel gelangten; vergebens gab sich Lord William Stourton’s Bruder, Mr. Charles Langdale, Mühe, sie im seinen Besitz zu bringen, um durch ihre Veröffentlichung das Andenken einer theuren Freundin von den Verdächtigungen zu reinigen, welche Lord Holland in den 1854 erschienenen Memoiren der Whig-Partei auf sie wälzte.

Mrs. Fitzherbert lebte in Brighton in sehr guten Verhältnissen, von Seiten des Königs mit 6000 Pfund Sterling Jahresrente ausgestattet. In ihren letzten Jahren steigerten sich ihre körperlichen Leiden, sie suchte 1833 in Aachen Heilung, fand sie jedoch nicht und überwinterte in Paris. Sobald sie anlangte, begrüßte sie der Herzog von Orleans, durch seines Vaters, Ludwig Philipp’s, Hände war einst 1785 die Korrespondenz des Prinzen von Wales mit der seinen Huldigungen auf den Kontinent entfliehenden Mrs. Fitzherbert gegangen. König Ludwig Philipp und Königin Maria Amalie empfingen die alte Freundin mit aufrichtiger Herzlichkeit, sie lehnte alle Festlichkeiten ab, bewegte sich jedoch in der Königsfamilie, als sei es ihre eigene, und Ludwig Philipp überbot sich in Aufmerksamkeiten. Im Jahre 1834 kehrte sie nach England zurück, wo Wilhelm IV. seine Auszeichnungen in reichem Maße erneuerte. Sie sah viele Freunde und Freundinnen ins Grab sinken, längst waren die unglückliche Gemahlin ihres Gemahls und seine einzige Tochter dahin geschieden, als der Tod wie ein lange ersehnter Freund auch an sie herantrat und am 29. März 1837 im einundachtzigsten Jahre ihres Lebens ihre Leiden endete.

Nicht allein ihre Schönheit hatte auf Georg gewirkt; aus ihrem Geiste sprang auch mancher Gedanke in den seinen hinüber; sie gab ihm manchen Rath in der Politik, ohne je die Rolle einer leitenden Favoritin zu erzielen oder auch nur zu erstreben. Sie war das Opfer einer fürstlichen Laune, alle Blüthen ihres Lebens konnten die Dornen nicht verdecken, die in ihrem Wege lagen, und nie durfte sich Mary Anne, weder als junge Frau noch als Greisin, verhehlen, daß sie auf schwankendem Boden stand, ihre Stellung ungewöhnlich und der Mißdeutung ausgesetzt war. War auch die Royal Marriage Act nach Lord Brougham’s Ausspruch „die unseligste aller Akte, das schlechteste aller menschlichen Gesetze“, ja nach Wilberforce geradezu „verfassungswidrig und ein Hohn gegen die Majestät des britischen Reiches“, so bestand sie doch zu Kraft, und Englands Prinzen mußten ihre persönlichen Neigungen ihr zum Opfer bringen, thaten sie dies nicht, so handelten sie als Egoisten und versetzten ihre Gattin lebenslänglich in eine schiefe Stellung.

Ich will die Leser nun noch an zwei Gräber führen, welche zwei Wesen bergen, die das Leben einander feindlich gegenüberstellte und durch denselben charakterlosen Wüstling züchtigte, das eine liegt in England, das andere in der mütterlichen Erde Deutschlands. In der katholischen Kirche zu Brighton erhebt sich Mary Anne Fitzherbert’s Denkmal, gesetzt von jenem Kinde, das konfessioneller Haß von ihrem Herzen riß und das nun zu einer Mrs. Dawson Damer herangewachsen war; die bescheidene Inschrift lautet nur „Mary Fitzherbert“, aber die Hand der Statue trägt drei Ringe, um zu bezeugen, daß Mary Anne ebenso das Weib des Königs gewesen sei wie das ihrer ersten Gatten. Hier in Deutschland aber im Dome zu Braunschweig steht in der Welfengruft ein Sarg, mit verblichenem Purpur überzogen; die drinnen dem jüngsten Tage entgegenschläft, sprach als heißesten Scheidewunsch aus, sie ferne von England, daheim, zu bestatten und die Worte über ihre Hülle zu setzen: „Hier ruht Karoline von Braunschweig, die mißhandelte Königin von England.“ Lord Byron aber rief dem nichtswürdigen „ersten Gentleman“ Europas, als er in Windsor an der Asche Heinrich’s VIII. und Karl’s I. stand, die Georg überdauernden Verse, des Sängers Fluch, zu:

„Ein Heinrich seinem Weib, ein Karl der Nation,
Vereint er Beid’ in einziger Person.
Umsonst, daß sie Justiz und Tod zu Staub gemacht,
Ein Königsvampyr stirbt, ein anderer erwacht.
Was hilft das Grab? Der Beiden Blut und Staub spie’s aus
Und machte den Regenten Georg daraus.“



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Lord William Stourton; Vorlage: Nourton
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_027.jpg&oldid=- (Version vom 16.1.2023)