Seite:Die Gartenlaube (1887) 804.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

hat auch den Kochunterricht übernommen. In der neu eingerichteten Unterrichtsküche werden die ältesten Mädchen vorläufig wöchentlich einmal Unterricht im Kochen erhalten. Die Bedürfnisse der Arbeiterküche werden dabei streng im Auge behalten, und um ein anschauliches Maß für die nöthigen Mengen von Viktualien zu geben, soll stets für 5 Personen, die Durchschnittszahl einer Familie, gekocht werden. Es ist vorgesehen, daß von den etwa 15 Mädchen, welche jährlich das Kochen lernen sollen, abwechselnd 5 Köchinnen und 10 Gehilfinnen sein werden, und daß, um das Urtheil der Mädchen bezüglich des Kochgeschäftes zu klären, die Köchinnen am Schlusse der Arbeit das Gekochte auch selbst essen sollen. Ueber alle Ausgaben, die dabei gemacht werden, wird sorgfältig Buch geführt, und so dürften die Ergebnisse des ersten Unterrichtsjahres einen recht wichtigen Beitrag zu der Frage der rationellen Volksernährung bilden. Wir sehen mit Spannung dem ersten Jahresbericht dieser Unterrichtsküche entgegen und werden nicht versäumen, ihn an dieser Stelle zu veröffentlichen. Vielleicht aber tragen diese Zeilen dazu bei, daß auch an anderen Orten ähnliche Anstalten zum allgemeinen Besten ins Leben gerufen werden. *     

Merkwürdige Lehensbräuche. Gar seltsame Bedingungen waren in früheren Jahrhunderten oft an Belehnungen geknüpft und werthvolle Besitzungen wurden oft um Kleinigkeiten: Falken, Schwerter, mit Pfeffer gefüllte Handschuhe etc. verliehen, wodurch offenbar nur das Abhängigkeitsverhältniß der Lehensempfänger angedeutet werden sollte. Der Besitzer eines adeligen Gutes in Franken mußte z. B. zu Martini seinem Lehensherrn einen Zaunkönig darbringen, ein österreichischer Edelmann dagegen zwei Maß Fliegen liefern. Ein Graf v. Hohenlohe gab 1245 dem Bürger Otto Begenhaar seine Hofstätte zu Augsburg unter der Bedingung zu Lehen, daß er und seine Familie, so oft sie in die Stadt kamen, bei Begenhaar Herberge nehmen dürfen und ihm jedesmal ein Paar Corduan-Kniestiefel gereicht werden müssen. In der Bretagne mußten die Vasallen, wenn die Gemahlin des Lehensherrn im Kindbette lag, die Frösche durch Schlagen des Sumpfwassers zum Schweigen bringen, damit ihr Gequake der gnädigen Frau nicht beschwerlich falle. Andere Vasallen mußten in Harlekinskleidern bei der Hochzeitstafel der Tochter des Lehensherrn Aufwärterdienste thun, wofür sie dann das ganze Tafelservice an sich nehmen durften. Ein Vasall mußte der Gemahlin seines Lehensherrn alljährlich ein Liedchen vorsingen, und die Herren von Dymerode mußten dem Kaiser, wenn er nach Thüringen kam, einen Heerwagen mit Schüsseln präsentiren. Einige Vasallen des Hauses d’Argenton waren verpflichtet, an einem bestimmten Tage ihrem Herrn eine Lerche auf einem mit Ochsen bespannten Wagen zu überbringen. Dem Frauenkloster zu Remiremont hatte das Dorf St. Maurice am ersten Pfingsttage zwei Schüsseln voll Schnee zu liefern; kam dasselbe dieser Verpflichtung nicht nach, so mußte es dafür einen mit zwei weißen Ochsen bespannten Wagen geben. „Es fehlt demselben aber,“ schrieb ein alter Schriftsteller, „auch in der größten Hitze nicht an Schnee.“ Ein Vasall des Königs von England war verpflichtet, den König, wenn er über das Meer ginge, zu begleiten und ihm den Kopf zu halten, wenn er seekrank werden sollte. Dem Könige Eduard I. soll dieser Lehendienst wirklich geleistet worden sein.

Der Zauberer vom Kilima-Ndjaro. Unter diesem Titel hat C. Falkenhorst „Adler’s Kriegs- und Jagdabenteuer“ der reiferen Jugend erzählt (Leipzig, F. A. Brockhaus). Der Verfasser hat sich schon durch seine Erzählung „In Kamerun“ einen Ruf als gewandter Jugendschriftsteller verschafft, welcher aus den neuesten Reisebeschreibungen, die unsere kolonialen Besitzungen behandeln, phantasievolle Erzählungen zu gestalten weiß, in denen an einem Faden bunter Abenteuer Natur- und Landschaftsbilder und die Bilder von Volkssitten in durchaus ansprechender Weise gereiht sind und so Unterhaltendes und Belehrendes zu freundlicher Wirkung verknüpft ist. Die Umgegend des hochragenden Schneebergs Kilima-Ndjaro, unsere hoffnungsvolle Zukunftskolonie, wird mit den lebendigsten Farben geschildert und außerdem durch zahlreiche Bilder aus der Pflanzen-, Thier- und Menschenwelt illustrirt. Die Reisewerke von H. H. Johnston: „Der Kilima-Ndjaro“ und von Thomson: „Durch Massailand“ liegen der Erzählung zu Grunde, soweit es die Darstellung von Land und Leuten gilt. Der freierfundene Held der Erzählung selbst ist ein Doktor Adler, der von Sansibar aus eine Expedition ins Innere des Landes nach dem afrikanischen Mont-Blanc macht. Durch allerlei chemische Experimente, Bilder, die er als Geistererscheinungen auf die Leinwand zaubert, durch Aufstellung merkwürdiger Instrumente und durch eine zur rechten Zeit die Schwarzen erschreckende und verscheuchende Feuerwerkerei weiß sich Doktor Adler den Ruf eines großen Zauberers zu verschaffen und besonders dem König Mandara, der in der Erzählung eine Hauptrolle spielt, zu imponiren. Dieser König ist nicht ohne Humor geschildert; einzelne von Johnston angeführte Anekdoten werden durch freie lustige Erfindungen ergänzt. Ueberhaupt kommt der groteske Zug, welcher der afrikanischen Menschheit eigen ist, zu seinem vollen Rechte. Die Landschaftsschilderungen sind stimmungsvoll; die Darstellung der Kämpfe und Schlachten ist sehr lebendig. Mit Geschick ist Vieles benutzt und ersonnen, was auf die Phantasie der Jugend eine anregende und bestrickende Wirkung ausüben muß. Der Kilima-Ndjaro hat aber außerdem noch den Reiz des Tagesinteresses; erst vor Kurzem wurde sein Gipfel zum ersten Male von einem Deutschen, Dr. Hans Meyer, bestiegen. †     

Jenny Lind, welche am 2. November in London gestorben ist, war wohl die gefeiertste Sängerin der neueren Zeit. Mit welcher Schwärmerei wurde die schwedische Nachtigall begrüßt; Jahrzehnte hindurch, nachdem schon ihre Glanzzeit längst vorüber war, brachten die Blätter noch Nachrichten über sie, Bulletins über ihr Befinden. Die letzteren lauteten zuletzt ungünstig, bis die Kunde von ihrem Tode eintraf. Jenny Lind, am 6. Oktober 1820 zu Stockholm geboren, war schon früh am dortigen Theater engagirt, studirte dann in Paris bei Garcia; ihr Ruf wurde erst seit ihrem Berliner Aufenthalt 1844 ein europäischer. Die nächsten Jahre waren ihre Glanzepoche: da sang sie bei den Festen am Rhein, vor dem König von Preußen und der Königin von England, dann in London und Wien. In der ersteren Stadt trat sie im Mai 1849 zum letzten Male auf der Bühne auf. Man mochte dies um so mehr bedauern, als ihre dramatische Darstellung einen großen Zug hatte und keineswegs hinter ihrem Gesang zurückstand. Seitdem bereiste sie als Koncertsängerin Amerika, wo sie sich mit dem Pianisten Otto Goldschmidt verheirathet hatte. Später lebte sie in Dresden, dann in London, wo sie nur selten in Koncerten auftrat.

Man kann den Triumphzug der jugendlichen Jenny Lind nur mit demjenigen des jugendlichen Franz Liszt vergleichen, was den Enthusiasmus betrifft, den er hervorrief. Keine spätere Sängerin, kein späterer Klavierspieler hatte gleiche Erfolge zu verzeichnen. Die vormärzliche Kunstbegeisterung nahm das ungetheilte Interesse des deutschen Volkes in Anspruch. Seitdem hat die „Hexe Politik“ dasselbe in erster Linie in ihre Kreise gezogen, so daß der Kunst nur eine zweite Stelle bleibt. Der Tod der Jenny Lind brachte uns dies wieder in lebhafte Erinnerung: es giebt ja auch jetzt hervorragende und berühmte Sängerinnen, aber „Phänomene“, wie in vormärzlicher Zeit, giebt es nicht mehr, trotz alles Zeitungslärms: dazu gehört eben der alleinseligmachende Glaube einer nur für die Kunst schwärmenden Zeit. Auch haben sich neuerdings zu viele Sterne als Sternschnuppen erwiesen. †     


Allerlei Kurzweil.


Bilder-Räthsel.


Magisches Quadrat.

In die leeren Felder des nebenstehenden Quadrats sind die noch fehlenden Zahlen der Reihen 188 bis 212 so einzutragen, daß die Summe jeder wagerechten, senkrechten und diagonalen Reihe 1000 ist. (Die bereits eingeschriebenen Zahlen bleiben in ihren Feldern stehen.)


Auflösung des Ziffer-Räthsels auf S. 788.
„Feld, Fell, Elfe, Fee, Edel, Elf.“



Kleiner Briefkasten.

L. R. in Köln. Die Düsseldorfer denken daran, Heinrich Heine ein Denkmal zu errichten. Ein Aufruf ist von einem Komité erlassen, an dessen Spitze der Oberbürgermeister steht. So gut wie Geibel, Hebbel und Gutzkow verdient auch Heine ein Ehrendenkmal auf deutschem Boden, zumal sein Grab auf dem Pariser Kirchhof Montmartre an Schlichtheit und Poesielosigkeit nichts zu wünschen übrig läßt.



Inhalt: Die Geheimräthin. Novelle von Hieronymus Lorm (Fortsetzung). S. 789. – Eine schwierige Sitzung. Illustration. S. 789. – Skizzen von einer Sängerfahrt nach Amerika. Von Herm. Mohr. 1. New-York. S. 792. – Ein Ehrenthurm für Friedrich Fröbel. Von Friedrich Hofmann. Mit Illustration. S. 796. – Der Unfried. Eine Hochlandsgeschichte von Ludwig Ganghofer (Fortsetzung). S. 796. – Vom Nordpol bis zum Aequator. Populäre Vorträge aus dem Nachlaß von Alfred Edmund Brehm. Land und Leute zwischen den Stromschnellen des Nil (Schluß). S. 799. – Taubenfütterung. Illustration. S. 801. – Erbarmt euch der darbenden Vögel! S. 802. – Blätter und Blüthen: Friedrich Haase als Richelieu. S. 803. Mit Illustration S. 793. – Kochunterricht für arme Mädchen. S. 803 – Merkwürdige Lehensbräuche. S. 804. – Der Zauberer von Kilima-Ndjaro. S. 804. – Jenny Lind †. S. 804. – Allerlei Kurzweil: Bilder-Räthsel. S. 804. – Magisches Quadrat. S. 804. – Auflösung des Ziffer-Räthsels auf S. 788. S. 804. – Kleiner Briefkasten. S. 804.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1887, Seite 804. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_804.jpg&oldid=- (Version vom 21.11.2023)