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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Wir rüsten uns sofort zur zweiten Aufnahme. Wir fassen den rechten oberen Knopf, ziehen an ihm einen Stift empor und schieben ihn wieder hinein; dadurch wird im Innern des Apparates die vorhin belichtete Platte in das sogenannte untere Magazin hineinschoben und aus dem oberen eine frische in die Mitte vor die Objektivlinse geschoben. Zweier Griffe hat es nur bedurft, und wir sind zur zweiten Aufnahme bereit. So können wir dieses einfache ABC 24 Mal wiederholen.

Und die Photographien? Sie sind ebenso groß wie die der Stirnschen Kamera, nur daß sie viereckig sind, kleine Quadrate von 4 cm Breite. Sind die Aufnahmen gelungen, so gewähren die kleinen Bildchen viel Freude, sie lassen sich aber bei Benutzung entsprechender Apparate um das Mehrfache vergrößern.

Wir alle haben heutzutage sogenannte Reisealbums, Sammlungen von Photographien, die wir an Orten gekauft, welche wir bereist haben. Sie bereiten uns viel Freude; mehr Vergnügen wird aber derjenige empfinden, der über ein selbstgemachtes Reisealbum verfügt. Solche Albums sind heutzutage keine Seltenheit mehr.

Die Geheimkameras aber stehen keineswegs ausschließlich im Dienste der Unterhaltung, sind nicht allein zum Zeitvertreib da.

Sie sind auch für den ernsten Reisenden, der wissenschaftliche Zwecke verfolgt, von hoher Bedeutung; sie ermöglichen ihm, auch in solchen Gegenden Aufnahmen zu machen, wo die Bevölkerung nicht „sitzen“ will und vor dem photographischen Apparat Reißaus nimmt. Die Geheimkameras sind auch für Künstler von großem Werth, die ihre Mappen mit leichter Mühe mit trefflichsten Motiven bereichern können. Ernsten Zwecken überhaupt verdanken sie ihre Entstehung.

Die großen verstellbaren Apparate, von denen wir in unserem Artikel „Die Amateurphotographie“ berichtet haben, können sie nicht ersetzen. Aber sie bedeuten einen wesentlichen Fortschritt und werden mit der Zeit sicher noch mehr vervollkommnet werden. „Noch mehr?“ ruft vielleicht die Leserin, die mir bis jetzt geduldig gefolgt ist. Nun, sie, die ihres reizenden Gesichtchens sich nicht mehr sicher dünkt, möchte ich doch beruhigen. Zu Momentaufnahmen ist heller Sonnenschein oder wenigstens ein lichter Tag nöthig. Im Zwielicht kann uns keine Geheimkamera etwas anthun; und im Dunkeln ist gut munkeln, dabei bleibt’s noch immer – trotz aller schwarzen Bädeker und Momentphotographen.

C. Falkenhorst.     

Blätter und Blüthen.

Reiterstatue des Generalfeldmarschalls Prinz Friedrich Karl von Preußen. (Mit Illustration S. 573.) Wir geben hier eine Abbildung dieser Reiterstatue, welche auf dem Friedrich-Karl-Platz zu Steglitz bei Berlin errichtet werden soll und zu welcher in diesem Frühjahr bereits das Granitpostament gelegt worden ist, so daß die Enthüllung des Denkmals wohl in nicht zu ferner Zeit zu erwarten ist. Der zu früh verstorbene Feldmarschall, der tapfere und sieggewohnte Reitergeneral, der in den Feldzügen von 1866 und 1870/71 als Heerführer so glänzende Lorbeeren geerntet, ist hier dargestellt in Husarenuniform, den Feldmarschallstab in der Hand, auf hoch sich bäumendem Rosse, welches über eroberte Kriegstrophäen hinwegsetzt, ein Bildwerk, welches den ganzen feurigen Schwung athmet, der sich mit der Gestalt dieses kühn vordringenden, kampfesmuthigen Helden verknüpft, der zugleich seiner Armee ein kundiger Führer war.

Der Schöpfer des Kunstwerkes, der schon vorher vortreffliche Porträtbüsten des Prinzen geliefert, ist der Bildhauer Steiner in Berlin, ein hervorragender Künstler, mit dem sich die Presse weniger beschäftigt hat, weil er Ausstellungen selten beschickte, da er meistens bestimmte Aufträge auszuführen hatte. Doch den Besuchern der Paläste, der Parks, der Rathhäuser sind seine Werke nicht fremd geblieben.

Bildhauer Emil Steiner.

Wir erwähnen die Porträtbüsten deutscher Heerführer in Marmor, Bronze etc. im Parke zu Babelsberg, im Kadettenhause zu Lichterfelde, in Hohenschwangau, Darmstadt, im Hohenzollernmuseum, in den Forts zu Straßburg, in den Offizierkasinos zu Köln, Posen, Stettin, Breslau oder in den Rathhäusern vieler Städte. Was den Statuenschmuck der Façaden großer Paläste anbelangt, so brauchen wir nur auf die Riesen am Palaste Pringsheim in Berlin hinzuweisen, die nach Steiners Modellen gemeißelt wurden und durch Nachbildungen weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt geworden sind. Dasselbe gilt von den Statuen am Rathhause zu Stettin, am Kriminalgericht Moabit, am Ministerium der öffentlichen Arbeiten und am Reichspostgebäude in Berlin. So war es begreiflich, daß der Vorsitzende des Centralkomités für das Prinz-Friedrich-Karl-Nationaldenkmal sich an den Künstler wandte, dessen Entwurf des Denkmals den Beifall der Mehrzahl der beisteuernden Fürstlichkeiten in hohem Grade gefunden hatte.

Doch auch Steiners freie Phantasieschöpfungen, denen die Kritik Sicherheit der Formbehandlung und echt plastischen Stil nachrühmt, zeugen für des Künstlers Meisterschaft: sein Abadonna, eine Gestalt, die er zuerst für die Plastik erobert, sein graziöses Rosenmädchen Atthis, seine schöne Gruppe Rheingold. Er beabsichtigt, nächstens ein Skizzenbuch herauszugeben, welches alle diese freigeschaffenen Gestalten enthält. Auch als Dichter und kulturgeschichtlicher Schriftsteller ist Steiner aufgetreten.

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Verloren gegangen. Die „Gartenlaube“ hat schon so oft mit Erfolg Verlorene gesucht, die der Strom des Lebens fortgerissen, daß sie den Augen der Zurückbleibenden entschwanden, um, an ferne Küsten verschlagen, von der Heimath sehnsuchtsvoll zu träumen, daß ich hoffe, sie leiht nicht allein Menschen, sondern auch einem verloren gegangenen Meisterwerke aus deutscher Hand ihren Beistand. Es handelt sich nämlich in diesem Falle um eine räthselhaft verschwundene Geige des Geigenerfinders Tieffenbrucker, den man bekanntlich italienisirt und in der Musikgeschichte Duiffopruggar genannt hat. – Es war vor wenigen Wochen, als ich in der Werkstatt des ebenso bescheidenen wie tüchtigen Geigenbauers Völker zu Hannover, der auch durch wunderbaren Zufall, über Holland, ist den Besitz eines Receptes des altitalienischen leuchtenden Geigenlacks gerieth, eine nach alten Zeichnungen und Maßen von ihm mit höchster Feinheit und Sorgfalt gefertigte Kopie der berühmtesten der fünf Geigen Tieffenbruckers sah. Das Original selber aber ist zuverlässigen Mittheilungen zufolge zuletzt im Besitze eines alten Musikers in Aachen gewesen, der es nur Sonntags zur musikalischen Messe im alten Dom zu spielen pflegte. Auf dem Boden dieses hochinteressanten Instrumentes war unten das aus verschiedenen Holzarten kunstvoll geschnittene und eingelegte Bild einer Stadt zu sehen, oben die Form der ersten Geigen mit ihrem Bogen, eingefaßt von Zweigen, die sich wie ein Kranz um die Zeichnung legen. Die Zargen tragen die sinnreiche Inschrift: „Viva fui in sylvis, dum vixi tacui, mortua dulce cano.“ („Ich lebte damals in Wäldern – als ich lebte, schwieg ich, jetzt, da ich todt bin, singe ich lieblich.“) Die herrliche Schnecke aber zeigt den schön geschnittenen, ausdrucksvolle Kopf eines bärtigen Mannes, nach aufgefundenen Notizen das Selbstporträt des Tieffenbruckers. Der Ton eben dieser Geige soll von wahrhaft zauberischer Schönheit gewesen sein. Vier der andern Geigen dieses deutschen Geigenerfinders sind nachweisbar in Privatbesitz – wohin ist nun diese fünfte, allem Anschein nach vollkommenste gerathen? Sie verschwand spurlos mit der Gestalt des alten Musikers in Aachen. Wer hilft sie suchen? –

Elise Polko.     

Auch ein Opfer der Ueberschwemmungen. Fällt das Hochwasser, so läßt es auf Wiesen oft breite Tümpel und Lachen zurück, die im Lauf des Sommers allmählich austrocknen. Viele derselben beherbergen eine große Zahl von Jungfischen, die ohne Dazwischenkunft des Menschen dem sichern Untergange geweiht sind. Der oberpfälzische Kreis-Fischereiverein hat ist diesem Jahre mit Zustimmung der betreffenden Besitzer die Tümpel in den Donauwiesen bei Regensburg ausfischen lassen und bis Ende Juni gegen 15 000 Stück Fischbrut gerettet und wieder in die Donau gebracht. Da in diesem Jahre in so vielen Gegenden Deutschlands Ueberschwemmungen stattgefunden haben, so kann man annehmen, daß auch in anderen Gegenden die Verhältnisse ähnlich liegen wie bei Regensburg, und die „Deutsche Fischerei-Zeitung“ empfiehlt allen Interessenten, sofort in ihren Bezirken Nachschau zu halten. Wir möchten unsere Leser auf diesen Umstand aufmerksam machen, damit künftig die Fischbrut, auch ein Opfer der Ueberschwemmungen, gerettet werde.

Eine Blume. (Mit Illustration S. 569.) Eine reizende Menschenblume, bei der einem wohl der Ausdruck Heines einfallen mag: „Die Blumen, deine Schwestern,“ und der man eine Blüthe als Symbol wie von selbst in die Hand denkt. Wir würden freilich eine andere als die der Tulpe wählen, hätten wir eine so anmuthige Zeitgenossin symbolisch auszustaffiren. Allein die Holländer des 17. Jahrhunderts dachten über die Tulpe anders als wir; sie war ihr Blumenideal, der Gegenstand äußerster Bewunderung, Pflege, Verschwendung. Giebt es eine passendere Blume für die schlanken Finger einer Mädchenschönheit aus jener Zeit? Man ließ sich in der That damals wohl mit einer Tulpe in der Hand malen, und das hat Meister Beyschlag der Zeit abgelauscht, deren Kostüm er für die Studie wählte.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 579. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_579.jpg&oldid=- (Version vom 23.3.2023)