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Ob hier die Fehler absichtlich oder unwillkürlich begangen sind, wird schwer zu entscheiden sein, aber gewiss ist, dass sie dem hohen Werte der Gemälde keinen Abbruch thun. Ebenso verhält es sich mit dem Arm von Böcklins Nymphe, welcher die Schlange umschlingt; mag er auch verzeichnet sein – sicher bringt er keine störende Wirkung hervor und konnte wohl, nach der gewählten Situation, nicht länger ausfallen. Bei diesem, wie bei jedem andern Werke, kommt es lediglich in Frage, ob es überwiegende Vorzüge besitzt, oder nicht. Hiernach bestimmt sich sein Wert. Dass es daneben auch seine Gebrechen haben wird, kann von vornherein, im Hinblick auf die Unvollkommenheit alles menschlichen Schaffens, als gewiss angenommen werden.

Böcklin, der schon so viel Herrliches hervorgebracht, steht in der Blüte seiner Kraft, und sicher lässt sich von ihm noch viel Vortreffliches erwarten. Wären meine Räumlichkeiten nicht völlig angefüllt, so würde ich, da Genelli, Schwind und Feuerbach heimgegangen sind, meine Sammlung noch vor allem mit seinen Bildern vermehren; denn diejenigen, die ich bereits von ihm besitze, sind mir eine unerschöpfliche Quelle immer neuen Genusses. Aber so hoch ich die Werke dieses Meisters stelle, so ablehnend verhalte ich mich gegen die Imitationen derselben, denen man jetzt nicht selten begegnet. Böcklins hohe Originalität bekundet sich eben auch darin, dass er sich nicht nachahmen lässt und dass alle nach dieser Richtung hin gemachten Versuche nur ein mitleidiges Lächeln hervorrufen, dagegen seine Vortrefflichkeit in ein desto helleres Licht stellen.





VII.


Früh lernte ich den trefflichen C. von Piloty kennen, der von damals bis vor kurzem, in inniger Liebe für die Kunst, und in unermüdeter Sorgfalt für die Ausbildung und das Wohl junger Künstler thätig, an der bayerischen Akademie als deren Direktor wirkte. Er malte ein höchst glänzendes, lebensgrosses Porträt von mir, das auf der Ausstellung vom Jahre 1863 allgemeine Bewunderung erregte und sich jetzt im Besitze meines Bruders befindet. Grosses Aufsehen hatte schon, als ich in München eintraf, Pilotys Bild „Wallenstein und Seni“ gemacht, welches eine Zierde der neuen Pinakothek bildet, und an dieses reihten sich bald andere, überall mit hoher Anerkennung aufgenommene Gemälde. Meine Galerie durfte nicht ohne ein Werk von seiner Hand bleiben; und trotz seiner Ueberhäufung mit Arbeiten erbot er sich auf meinen Wunsch, ein grösseres Bild eigens für mich zu malen. Ich wählte eine früher von ihm entworfene Skizze, an der ich lebhaftes Gefallen fand. Das Gemälde, das er hiernach mit virtuoser Meisterschaft vollendete, stellt Columbus auf dem Schiffe vor, wie er die Küste der neuen Welt erblickt. Der Moment ist glücklich erfasst; in dem ernst bewegten Antlitz des Columbus spiegelt sich, was in seiner Seele vorgeht. Nach langen Jahren der Mühsal und des Ringens hat er nun das Ziel erreicht, das ihm schon seit seiner Jugend in jeder Stunde vorgeschwebt; was als Traum, als eitles Hirngespinst von aller Welt verlacht wurde, wird Wahrheit. Vor ihm steigt die längst versunken geglaubte Atlantis auf; Wunder werden nun in die Wirklichkeit treten, grösser als Marco Polo sie in Indien erblickt. Himmelhohe Berge, vor denen die Alpen wie Hügel versinken, werden im Morgenrote eines neuen Welttags vor ihm strahlen, und immergrüne Thäler sich vor ihm aufthun, deren Frieden seit der ersten Erdenfrühe nicht gestört worden ist. An Riesenströmen und donnernden Wasserstürzen, im Urwalddickicht und unter dem Schatten mächtiger Palmen wird er dort der sorgengequälten Menschheit ein Asyl bereiten, wohin sie aus den Stürmen der in Trümmer sinkenden alten Welt flüchten kann.

Die überlebensgrosse Gestalt des Columbus ist von würdiger majestätischer Haltung. Der Nachthimmel mit dem Bilde des Orion, und die doppelte Beleuchtung durch den Lampenschein und das Sternenlicht, macht einen in hohem Grade überraschenden Effekt. Man hat mir vorgeworfen, ich sei ein Feind des Realismus; ich bin aber vielmehr ein Feind der Willkürlichkeit, mit welcher dergleichen Stichworte gebraucht werden. Für einen leeren, gedankenlosen Realismus freilich habe ich ebensowenig Sympathie, wie für einen hohlen, verblasenen Idealismus; wenn aber der Realismus sich in den Dienst höherer Ideen begibt, wenn er echt künstlerische Zwecke verfolgt, wie in dem Bilde Pilotys, so weiss ich ihn hochzuschätzen.

Noch sehr jung und fast gar nicht bekannt war vor zwanzig Jahren der jetzt als grösster Porträtmaler Deutschlands berühmte Franz von Lenbach. Ich sah zuerst eine unübertreffliche Kopie, die er nach einem Bilde des Rubens in der Münchener Pinakothek gefertigt hatte, und machte ihm, infolge hiervon, den Vorschlag, nach Italien zu gehen und verschiedene Gemälde für mich zu kopiren, für die ich seit langer Zeit eine besondere Vorliebe hegte. Von der überaus erfolgreichen Thätigkeit dieses Künstlers in der Nachbildung vorzüglicher Meisterwerke der alten Kunst kann ich erst später sprechen, wenn von den Kopien die Rede sein wird, die zu den grössten Schätzen meiner Sammlung gehören. Andere Originalbilder Lenbachs, als Porträts, sind in äusserst geringer Zahl vorhanden; doch war ich so glücklich, mehrere derselben an mich zu bringen. Der Hirtenknabe ist eines der frühesten, die er überhaupt gemalt hat; und da es in seiner Art meisterhaft genannt werden muss, erregt es Erstaunen, wenn man denkt, dass es die Arbeit eines Anfängers ist. Die Richtung, welche er später einschlug, als er sich in begeisterter Anschauung der alten Kunst gebildet, erkennt man darin noch nicht. Es ist in realistischer Weise behandelt, und der oberflächliche Beschauer wird besonders die naturgetreue Wiedergabe der Wirklichkeit bewundern. Doch die erste nähere Betrachtung ergibt sogleich, dass der Jüngling, der dies in seiner Art einzige Bild schuf, schon damals weit über den gewöhnlichen Realismus hinaus war. Wie ist das Leben und Weben der Natur an einem glühenden Sommermittage, das Wimmeln und Sich-Bewegen in Gräsern und Kräutern hier aufgefasst; wie das Tote und Seelenlose hier lebendig gemacht und vergeistigt! Wir glauben den sengenden Brand, die blendende Glut der Sonne zu sehen und zu fühlen, möchten uns mit dem Knaben, der sich in göttlicher Faulheit dahinstreckt, von den Mittagsstrahlen durchwärmen lassen! Kaum hat Murillo Schöneres in dieser Art hervorgebracht. – Ein weibliches Porträt (Fräulein Schubart, die spätere Gattin des Dichters Paul Heyse vorstellend), zeigt Lenbach schon auf einer ganz anderen Bahn, auf welcher er dann mit so überraschendem Erfolge weitergewandelt ist. Hier erkennt man in jedem Pinselstriche das Studium der grossen Meister dieses Fachs; aber es ist keine Nachahmung, sondern eine selbstschöpferische Kunst, die sich an den Mustern