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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1

Die Presse ist eine Macht, die sich von allen den Mächten nährt, die sie verschlungen hat.

Die Preßfreiheit ist durch das Blut aller andern Freiheiten fett geworden. Sie leidet an Unverdaulichkeit und Vollblütigkeit.

Man glaubt an Nichts, sagt Ihr, weil man nicht an die heilige Streichkraft glaubt, weil man Ludwig Philipp nicht bittet, die Kröpfe anzurühren — Man glaubt Nichts — weil man nicht an unsere alten Mährchen mehr glaubt!

Ihr sagt, es gebe keinen Glauben mehr, so wie die alten Weiber sagen, daß es keine Galanterie und keine Liebe mehr gebe.

Man glaubt an Nichts! Glaubt man nicht an die Journale?

Man glaubt an die Erzählungen von hundertjährigen Greisen, von Kälbern mit zwei Köpfen, von bettelnden Millionären, die Euch immer von Neuem aufgetischt werden, — wenn gerade keine Kammersitzungen sind, oder kein einigermaßen schauderhaftes Verbrechen vorgefallen ist.

Man glaubt an Nichts! Habt Ihr nicht dem Temps geglaubt, als er Euch erzählt, daß die Spanier die Victorieuse mit Beschlag belegt hätten, und als er den widersprechenden Artikel des Ministeriums aufnehmen mußte, glaubtet ihr ebenfalls, was er Euch den folgenden Tag erzählte.

Man glaubt an Nichts mehr, aber als der National sagte: „Herr Pauchet, Mitglied des Generalraths der Eure-et-Loire, hat gegen den neuen Census gestimmt“ antwortete man ihm: Herr Pauchet hat nicht dagegen gestimmt, weil er schon seit einigen Monaten gestorben ist. Und Ihr habt geglaubt, was Euch der National am folgenden Tage aufgetischt hat.

Man glaubt an Nichts, und Ihr habt geglaubt, der Herzog von Bordeaux sei gestorben, weil der Moniteur Parisien — es gesagt hat.

Man glaubt an Nichts. Aber der Siecle sagt: Die Wiederaufnahme des Census beginnt in Paris, wir werden uns dem nicht unterwerfen, und unsere Thüren verschließen. Man antwortet: Aber, Verehrtester, Sie haben sich schon vor vier Monaten dem neuen Steuerausschlag unterworfen, sich selbst, Ihre Druckereien und Ihre Bureaux — und am folgenden Tage las't Ihr den Siecle, und glaubt, was er sagt.

Man glaubt an Nichts — und Ihr glaubt an den Froschregen, an die Seeschlangen, an die Gespenster, an den colossalen Kohlkopf, an Alles, was die Zeitungen Euch vorlügen.

Sie sagen, es finde an der Porte St. Denis ein Aufstand statt. Ihr wollt ihn sehen, während er nicht existirt. Die Polizei ist eben so naiv, wie Ihr, sie kommt, meint, Ihr wäret die Unruhestifter, und steckt Euch ein.

Es gibt keinen Glauben mehr. Nennt mir in irgend einer Religion,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1. Herbig, Leipzig 1841, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/100&oldid=- (Version vom 1.5.2018)