Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1 | |
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Das Leben und Treiben in den freien Städten Deutschlands ist gewiß der Aufmerksamkeit
dessen würdig, der an den Angelegenheiten Deutschlands ein warmes Interesse
nimmt. Gewöhnlich werden ihre Verhältnisse da, wo von deutschen Zuständen
die Rede ist, nur zu wenig in Erwägung gezogen. Es ist doch wahrlich eine interessante
Erscheinung in einem Staatenbunde, dessen Grundprincip, nach den Ansprüchen
seiner Grundgesetze, das streng monarchische sein soll, der Art, daß jede Beschränkung
der fürstlichen Souveränität nur als Ausnahme von der Regel anzusehen ist, vier
Städte zu sehen, bedeutend durch ihren Reichthum, ihre Cultur und ihre Handelshegemonie,
welche durch ihr Dasein schon die faktische Geltung jenes Princips in Abrede
stellen. Sie strafen das Princip Lügen, daß die Volks-Souveränität in Deutschland
keine Basis haben könne, da in allen vier Städten das reine democratische Element vorherrscht.
In Hamburg befindet sich sogar die gesetzgebende Gewalt der Art in den
Händen des Volks, daß jeder einzelne Bürger seine Stimme zu geben hat. Da ist es
nun die Frage: Welche Nüancirung erhalten die deutschen Zustände durch die Existenz
dieser politischen Abnormitäten? Wer die Verhältnisse kennt, der weiß, daß der politische
Gesammtzustand Deutschlands dadurch kaum berührt wird. Das Handelsinteresse
tödtet in diesen Republiken jede andere Tendenz, sobald sie eine mehr als untergeordnete
Geltung anstrebt. Sie sind alle streng deutsch gesinnt, waren vom tödlichsten Haß
gegen die Fremdherrschaft ergriffen, und dehnten die Wirksamkeit dieses Hasses sogar
auf den größten Theil der wahrhaft nützlichen und zeitgemäßen Reformen aus, die sie
von der Fremdherrschaft überkommen haben. Die Regierungen (nicht die Bürger)
dieser Staaten verhalten sich in Angelegenheiten von allgemein deutschem Interesse immer
so passiv, daß man oft mehr die Regierten, als die Regierenden in ihnen sehen
muß. Drei von diesen Staaten haben überdieß ihre Blicke immer nur nach Außen
gerichtet. Frankfurt allein, als Binnenstadt, theilt die Interessen des eigentlichen Deutschlands.
Allein die Selbsterhaltung ist eine große Pflicht, zumal in Handelsstädten, wo
man baaren Vortheil liebt! Zudem fühlt sich Frankfurt, als Sitz des Bundestages,
mit einem gewissen Stolze als den Centralpunkt Deutschlands.
Abgesehen von dem materiellen Vortheil den es aus der Beherbergung einer glänzenden Diplomatie zieht, hat es auch eine patriotische Motivirung, jede dem Bundestagsprincip
Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1. Herbig, Leipzig 1841, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/106&oldid=- (Version vom 31.7.2018)