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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1

Aachen mit Lüttich verbinden sollen, flüchtig zu besehen. Nach ersterer Stadt zu herrscht große Thätigkeit, aber die Arbeiten rücken nur langsam vorwärts, so viel Tunnel gibt es zu durchbrechen, und so viel Erdwälle auszuwerfen, auf dem, bei jedem Schritte, sich hebenden oder senkenden Boden. Aber im Weze-Thal, und hauptsächlich jenseits Verviers, wo dieses große Werk mit einem eben so löblichen Eifer gefördert wird, ist es noch viel schlimmer bestellt. Dieß ganze reizende Land ist von oben bis unten umgewandt. Es hat hier die Eisenbahn den Kopf darauf gesetzt, nur nach vorgängigem Kampfe von der geraden Linie abzuweichen. Alle Augenblicke sieht man sie unter einem Felsen verschwinden, oder auf Brücken über einen Waldstrom setzen, die eben so riesenhaft sind, als die Blöcke, die man zu ihrer Erbauung aus dem nämlichen Felsen gebrochen hat. Man stelle sich eine Nadel in einem Korkzieher vor, so hat man die Eisenbahn von Lüttich nach Verviers.

Fenelon hat in seinem Telemach den Lärm und das Gewühl einer im Bau begriffenen Stadt geschildert. Ich wollte eine Feder, wie die seinige (wenn es noch eine solche gibt), versuchte es, den Anblick eines Thales, wie dieses, darzustellen, wie es den Mardern und Bibern der Industrie Preis gegeben ist. Wenn die Marder ihr Loch gemacht haben, kommen die Biber und bauen Brücken und ziehen Viaducte mit den Felsen-Brosamen, die sie so mühsam abgenagt und herausgeworfen haben. Man hört nichts als Hammerschläge, das Rollen von Eisen auf Eisen, den Knall sich entladender Minen in den Steinbrüchen und den völligen Umsturz aller dieser abgesonderten, und von der Natur zu einem so harmonischen Ganzen vereinten Linien. Das Thal wird vielleicht an malerischem Reiz verlieren, aber welche entzückende Aussichten wird man von dieser Eisenbahn herab entdecken, die sich bald unter der Erde verliert, bald hoch über einem rauschenden Gewässer hängt und immer das Thal an seinen schönsten Puncten wieder erreicht! Man braucht solche Hindernisse nur anzuführen, um die Langsamkeit, womit dieser Theil der Belgisch-Rheinischen Eisenbahn vorrückt, begreiflich zu machen. Mehr als zwei Jahre werden noch verstreichen, ehe sie der Benutzung frei gegeben werden kann, aber welches Wunder, wenn sie vollendet ist, und wie trifft es sich für die Ingenieure, die bisher, so zu sagen, auf dem ganz fertigen Boden von Flandern und einem Theile von Brabant die Schienen nur hinzulegen brauchten, daß sie am Ende dieser Linie gerade auf den felsigsten, romantischsten und launischsten Landstrich gestoßen sind, den vielleicht noch je ein eisernes Wagengeleis zu durchschneiden hatte.

E. R.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1. Herbig, Leipzig 1841, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/86&oldid=- (Version vom 31.7.2018)