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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1

Alphons Karr und die Wespen.


„Schreibt Nostradamus, der die Zeit beschwören
Und aus den Sternen konnte prophezei’n:
Im Jahr zweitausend wird von Jubelchören
Das glückliche Paris durchtönet sein.“

Adalbert von Chamisso


Wo die Partheien so ins Handgemenge gekommen sind, wie in Paris, da wirst man das breite Schwert von sich, und greift zum kurzen, spitzen Dolche. In Deutschland streitet man mit Büchern gegen einander; in Frankreich mit Brochüren. In dieser hastigen Jagd des Pariser Lebens hat man nicht Zeit, eine Meinung durch ein ganzes Buch lang anzunehmen. Was man zu sagen, hat, soll in raschen kurzen Sätzen geschehen, man hört im Fluge an, und man muß im Fluge sprechen. Darum diese ungeheure Fluth kleiner Brochüren und Pamphlete, mit welchen Frankreich überschwemmt ist, und deren Zahl und Macht mit jedem Tage sich vergrößert.

Einer der furchtbarsten und fruchtbarsten Pamphletistcn ist ohnstreitig Alphons Karr. Wir Deutschen haben kaum einen Maaßstab für ein sochcs Schriftstellerthum. Wir haben nie einen Schriftsteller gehabt, der über seinen Geist, wie über eine sichere Rente, dieponiren und sagen konnte: jeden Montag gebe ich so und so viel Witz aus, oder jeden Monat schneide ich so und so viele Coupons von meinem Kapitale ab. Wir haben keinen Schriftsteller, der sagen kann, ich werfe mein Buch, mein Blatt ins Volk, und kann sicher sein, daß eine Million Hände gierig darnach greifen.

Dieses aber ist der Fall bei Alphons Karr. Wie Jules Janin jeden Montag die Messe bezieht, so erscheint Karr mit seinen Wespen jeden Monat, und der seltenere Gast ist immer der gesuchtere. Die Regierung hat an Karr einen nicht minder glücklichen Fund gemacht, als das Theater Francais an Dem. Rachel. Die Regierung, wie die klassische Tragödie, können beide nicht über allzugroße Popularität sich beklagen, sie brauchen der ausgezeichneten Talente, um sich einigermaßen welche zu verschaffen.

In Betreff des schweren Geschützes hatte zwar die Regierung immer die Oberhand über ihre Gegner, und das Journal des Debats, die Presse u. s. w., sind bei weitem an Talent und Beredsamkeit den Oppositionsjournalen überlegen. Aber in Bezug des Kleingewehrfeuers stand die Opposition immer im Vortheil, und der Charivari, der Corsaire, und ähnliche kleine

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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1. Herbig, Leipzig 1841, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/91&oldid=- (Version vom 31.7.2018)