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Maler ein epochemachendes Gemälde, ein Bildhauer eine graziöse Statuette, ein anderer Künstler einen stilvollen Luxusartikel geschaffen, so ist dieses Original lediglich das Modell für tausende gleichschöner, aber bedeutend billigerer und deshalb absatzfähigerer Nachbildungen, an denen sich ebenso viele einzelne Besitzer erfreuen können.

Man kann deshalb eine Firma, die, wie B. Grosz in Leipzig-Reudnitz, die Vervielfältigung von Ölgemälden, sowie die Herstellung geschmackvoller Rahmen als Spezialität betreibt, mit vollem Rechte als einen Pionier für Kunst und für modernes Kunstverständnis bezeichnen.

Das gewaltige Etablissement, das heute circa zweihundert Arbeiter innerhalb seiner Mauern und weitere hundert außer dem Hause beschäftigt, ist, wie so viele, aus ganz kleinen Anfängen emporgewachsen.

Im Jahre 1875 begann B. Grosz mit dem Einrahmen von Bildern, wozu er die Leisten gleich fertig kaufte. Später kaufte er auch Bilder fest an, die er dann mit Rahmen versah und wieder in Handel brachte. Schon nach zwei Jahren fand er den Mut, mit den leistungsfähigsten Fabriken für Öldruckbilder feste Abschlüsse zu machen und ihnen gegen Gewährung des alleinigen Verkaufsrechtes einen bestimmten Jahresumsatz zu sichern.

Inzwischen gewann auch das bloße Rahmengeschäft größere Ausdehnung, sodaß er schon im Jahre 1885 seine Goldleisten sich selbst aufertigte und ein Personal von 36 Köpfen beschäftigte. In diesem Jahre trat auch sein bisher im Geschäft mitthätiger Bruder Sigmund Grosz als Teilhaber in die Firma ein. Das Prinzip der beiden Brüder, nur künstlerisch Wertvolles zu dem äußersten Preise zu bieten, vergrößerte ihnen sehr schnell den Kundenkreis. Die vorhandenen Räume wurden zu eng, sodaß sie sich im Jahre 1886 entschließen mußten, das heutige, nach eigenen Angaben erbaute Fabriketablissement zu errichten. Indes schon heute wieder sind in demselben, wie bereits bemerkt, nicht nur alle Plätze besetzt, sondern ein Drittel der Arbeiterschaft ist außer dem Hause thätig. Auch der Wirkungskreis der Firma hat sich bedeutend erweitert. Heute erwirbt sie die Originale renommierter Künstler und fertigt ihre Öldrucke selbst an, die dann mit geschmackvollen Rahmen versehen, in alle Weltteile versandt werden. Holz, Papier, Kreide, Leim und verschiedene Harze – als Rohmaterialien – das ist, neben Originalentwürfen, das Einzige, was die Firma ankauft.

Deutschland gilt als das Heim für Öldruckbilder und Goldleistenfabrikation, aber es besitzt keine einzige Fabrik, die alle Teile eines kompletten Bildes selbst und im eigenen Hause herstellte.

Die Fabrikate der Firma B. Grosz sind heute Öldruckbilder mit und ohne Rahmen, Goldleisten, Glaschromos, Photographierahmen, Spiegel und verwandte Artikel. Von Dampfkraft bewegt, gehen in dem Etablissement 3 Kehl- und 3 Fraismaschinen, 5 Kreissägen, 3 Beleg-, 6 Grundier- und 10 Rahmenschneidemaschinen (Stanzen). Der Umsatz beläuft sich auf eine Million Mark und erstreckt sich nach allen Weltrichtungen, über Deutschland, Österreich, Belgien, Holland, Griechenland, Indien, Nord- und Süd-Amerika und Australien.

Die mächtigen Exportkisten geben am besten Aufschluß hierüber. Hier wird ein buntfarbiger Hausaltar in Dutzenden nach einem südamerikanischen Platze versandtfertig gemacht, dort sind farbenprächtige Öldruckbilder in Barockrahmen zur Reise nach Montevideo bereit; Genrebilder und Landschaften in Öldruck wandern nach allen vier Himmelsgegenden. Die Thatsache, daß die Firma das Reproduktionsrecht hochkünstlerischer Schöpfungen sich erwirbt, daß sie ihnen das Kleid eines geschmackvollen Rahmens verleiht und daß sie überhaupt die Erzeugnisse ihrer Rahmenfabrik den seit Jahren gepflegten Vertrieb chromo-lithographischer Bilder vollständig anpaßt, das ist es, was ihr die Konkurrenz auf dem Weltmarkt so leicht macht.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1892, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_1.pdf/151&oldid=- (Version vom 23.2.2020)