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Leipziger Bierbrauerei, Riebeck & Comp.,
Aktien-Gesellschaft in Leipzig-Reudnitz.

Wem ist wohl der ungeheure Aufschwung unbekannt geblieben, den die Brauindustrie in den letzten Jahrzehnten genommen hat? Noch vor 30–40 Jahren waren größere Brauereien eine Rarität. Der Bedarf wurde in kleineren, teils kommunalen, teils Privatbrauereien hergestellt, deren es freilich in jedem deutschen Städtchen, sogar meist mehrere gab. Denn die Produktionsfähigkeit dieser Brauereien mußte selbstverständlich in Berücksichtigung verschiedener Umstände, namentlich wegen Mangel an geeigneten Maschinen (damals war noch im Braugewerbe die Handarbeit vorherrschend) und die Unvollkommenheit der Transportmittel – das Eisenbahnnetz war zu jener Zeit noch sehr ungenügend – eine sehr beschränkte sein. In der Regel produzierten die kommunalen oder privilegierten Privatbrauereien soviel, als für den Bedarf ihres Ortes und vielleicht der nächsten Umgebung nötig war. Der Bierversand war in jener Zeit nur auf wenige hervorragende Sorten beschränkt und die Quantität des versandten Bieres verhältnismäßig gering. So war die Lage der Brauindustrie vor Beginn und im Anfang der Dampfperiode. Noch früher waren die Verhältnisse der Bierproduktion und Bierkonsumtion freilich noch viel primitivere.

Wir wollen uns gestatten, hier einen kleinen Rückblick auf die Geschichte der Entstehung und Entwickelung der Bierbrauerei zu werfen.

Im Allgemeinen ist im bierkonsumierenden Publikum der Glaube verbreitet, daß Gambrinus, König von Flandern, der Erfinder des Bieres sei. Dies ist offenbar ein Irrtum, denn lange, bevor König Gambrinus lebte – um das Jahr 1200 n. Chr. – war das Bier ein beliebtes Getränk vieler Völker. Welcher Deutsche wüßte nicht, daß seine Urvorfahren aus grauer Vorzeit „Lethe“ tranken, ein berauschendes, dem Biere ähnliches Getränk? Auch den Römern ist die Bereitung des Bieres schon frühe bekannt gewesen. Sie nannten es Cerevisia – Gabe der Ceres – und hatten die Kenntnis der Bierbereitung jedenfalls auf einem Kriegszuge in Egypten erworben und in ihre Heimat verpflanzt. Aus Egypten stammen denn auch die ältesten Nachrichten, welche wir über die Bereitung des Bieres besitzen. Infolge dessen muß auch die Erfindung des Bieres den Egyptern, dem intelligentesten Volke des Altertums zugeschrieben werden. – Der König Osiris, der um 960 v. Chr. lebte, stellte zuerst ein Getränk aus Gerste und Weizen her, welches berauschende Kraft besaß; er nannte es Zuthum oder Carmum. Dieser König ist also jedenfalls als der Erfinder des Bieres zu betrachten, während dem flandrischen König Gambrinus offenbar das Verdienst einer erheblichen Vervollkommnung der Bierbereitung zuerkannt werden muß. Von dieser Zeit an nimmt das Bier an Verbreitung und Beliebtheit zu. Noch war die Bereitung des Bieres bis ins späte Mittelalter hinein Sache der einzelnen Haushaltungen. Die Hausfrau hatte für Herstellung des Bedarfes an Bier zum Haushalt zu sorgen. Erst später bildete sich mit der fortschreitenden Arbeitsteilung das Brauergewerbe heraus, das zunächst, wie schon Eingangs erwähnt, privilegiert war, und

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1892, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_1.pdf/243&oldid=- (Version vom 23.2.2020)