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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

Mädchen wollte nicht gehen. Sie bat innig: „Lieber Vater, heute nicht!“ und sie weinte. Der Vater befahl ihr zornig, das Haus zu verlassen. Er stand allein auf und gieng schwankenden Tritts nach dem gewöhnlichen Platze. Hier war inzwischen eine sonderbare Scene vorgegangen, die sich ohne eine geheime höhere Einwirkung schwer erklären läßt. Die Zechbrüder saßen bereits bei den gefüllten Flaschen beisammen, als einer von ihnen sagte : „Es ist doch sehr närrisch von uns, daß wir hier sitzen und uns ruiniren, blos um dieses Schwein da zu mästen.“ (Er meinte den Wirth.) Die Andern stimmten ein. Einer sagte: „Bedenkt einmal, wenn wir von heute an keinen Tropfen mehr tränken!“ Ein Wort gab das andere. Die Männer schlossen schnell einen Bund und setzten eine Schrift auf, worin sie sich eidlich verpflichteten, starken Getränken gänzlich zu entsagen. Und als Hawkins in die Kneipe herein kam, traten ihm die Zechbrüder mit dem Nüchternheitsplacat entgegen und riefen: „Unterschreib! Unterschreib!“ Ueberrrascht, überwältigt, beinahe außer sich, setzte er seinen Namen zu den andern. Ohne einen Tropfen Branntwein genommen zu haben, eilte er jetzt wie in einer neuen Art von Rausch nach Hause. Er fand seine Frau und seine Tochter beisammen. Er warf sich auf einen Stuhl und konnte blos rufen: „Es ist geschehen! es ist geschehen!“ Seine Blässe und seine verwirrte Miene erschreckte sie; sie fragten, was er gethan habe. „Ich habe das Nüchternheitsgelübde unterzeichnet,“ rief er endlich. Hannah und die Frau warfen sich an seinen Hals. Alle drei weinten Freudenthränen.

Von diesem Punkt, von dieser Kneipscene aus gieng die Bewegung, die sich sofort mit Blitzesschnelligkeit durch die Vereinigten Staaten verbreitete, hunderttaussende von Menschen mit sich zog, und zu einem gewaltigen Bollwerk gegen die Völlerei anwuchs, die gleich einem überschwellenden See seit einiger Zeit unter Personen

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/146&oldid=- (Version vom 4.8.2020)