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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

ihre ganze Kindheitsmusik für sie neues Leben gewann, und mit ihr, wie es schien, auch die Welt ihrer Kindheit. Sie spielte mir vor und ging mit sichtbarem Vergnügen[WS 1] von einem kleinen Stück auf das andere über, und dabei wurde ihr Gesicht so lieblich und unschuldig heiter, wie das eines glücklichen Kindes. Sie wird vermuthlich nie wieder vollkommen gesund und stark an Seelenkräften werden; aber sie lebt jetzt ein glückliches, harmloses Leben in der Musik aus ihren Kinderjahren.

Mehrere Frauenzimmer, besonders die jüngeren beschäftigten sich damit, künstliche Blumen zu machen, und schenkten mir ihrer verschiedene, die sehr gut gearbeitet waren. Die Männer beschäftigen sich viel mit Landarbeit und Gartenbau. Eine Bruderstochter des großen Washington war hier, eine schöne alte Dame, deren Gesichtszüge merkwürdig dem Präsidenten gleichen, und die eine würdevolle, vornehme Art zu sein hat. Sie war sehr blaß, und man sagte, sie sei mehr schwach als eigentlich gemüthskrank. Die Menge schöner, lebendiger Blumen, zumal Rosen, war außerordentlich, und auch die unheilbaren[WS 2] Kranken finden sich, wenn sie einen Augenblick zum Verstand kommen, von Rosen umgeben. Während mein Begleiter, ein gefälliger und humoristischer Quäcker, einer der Direktoren der Anstalt, mit großer Aufmerksamkeit und sichtbarer Theilnahme den Mittheilungen einer alten Frau über ihre wichtigen Geschäfte in Jerusalem lauschte, flüsterte eine andere mir ironisch zu: — „Ein prächtiger Ort das hier, nicht wahr? just ein Paradies, finden Sie nicht auch?“ — Dann fügte sie scheu und leise hinzu: „Es ist eine Hölle! ich versichere Sie! Hier geschehen entsetzliche Dinge!“ Ach, die armen Unglücklichen können wohl nicht immer blos mit Musik und Blumendüften behandelt werden, und man muß manchmal zu Zwangsmitteln greifen. Genug, daß die erstgenannten

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Verguügen
  2. Vorlage: unheilbareu
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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/24&oldid=- (Version vom 12.12.2022)