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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

ihrem Hause eine Zeichnungsschule für arme junge Mädchen eingerichtet, wo sie zeichnen, Muster anfertigen, Holzschnitte machen und dergl. Dinge lernen, und sie zeigte mir verschiedene schöne Arbeiten dieser Kinder. Andere gute Anstalten für Frauenzimmer hatte sie ebenfalls zu Stande zu bringen gesucht. Aber sie war verdrießlich über die Theilnahmslosigkeit, worauf sie besonders von Seiten der Frauenzimmer stieß. Sie sagte: „Diese Damen wollen ihrem Geschlecht nicht zur Seite stehen.“ Sie meinte, so wie die Welt jetzt stehe, könnte man allen neugebornen Mädchen keinen größeren Dienst erweisen, als wenn man sie ins Wasser werfe. Ich lächelte über diesen sonderbaren Liebesbeweis, konnte aber der warmherzigen Frau nicht so ganz Unrecht geben; nämlich wenn die Welt in diesem Punkte nicht gerechter und aufgeklärter werden sollte als sie es jetzt ist. Aber in Amerika scheint man mir wenig Ursache zu haben, daran zu zweifeln, und folglich ganz und gar keinen Grund, kleine Mädchen zu ertränken.

Ich habe hier blos Abends Besuche angenommen, aber eine ganze Menge Leute gesehen, von denen mich Mehrere interessirten. Gestern schenkten mir einige anmuthsvolle junge Mädchen einen frisch ausgeschlagenen Riesencactus von der Art, wie er blos alle 30 Jahre blüht. Man kann sich keine herrlichere Schöpfung des Sonnenlichtes denken. Die Sonne hat in dieser Blume sich selbst abspiegeln wollen.

Hier erhielt ich Deinen Maibrief, meine Agatha. Schön, daß Ihr endlich ein bischen Frühlingswetter in Stockholm habt und daß ihr beide, Mama und Du, gesund seid. Als Du davon sagtest, ob wir wohl in Marstrand zusammentreffen würden, wandelte mich just eine kleine Versuchung an einzupacken und auf und davon zu geben. Aber es wäre eine Thorheit von mir, mein liebes Herzchen, jetzt nach halbverrichteter Arbeit,

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/61&oldid=- (Version vom 4.8.2020)