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Eine Veranlassung zu grimmigen Judenverfolgungen, insbesondere in der Zeit vom zwölften bis zum siebzehnten Jahrhunderte, gaben die Kindermorde, deren man die Juden bald da bald dort beschuldigte.[1]

Im Jahre 1144 sagte man den Juden in England nach, sie hätten in der Passionswoche einen Knaben, Wilhelm von Norwich, eingefangen und grausam hingerichtet. Im Jahre 1171 wurden die Juden in Frankreich beschuldigt, sie hätten in Blois zur österlichen Zeit einen Christenknaben hingeopfert; zur Strafe wurden von dem Grafen Theobald eine Anzahl Juden dem Feuertode übergeben. Im Jahre 1179 sollen die Juden in Paris den Knaben Richard von Pontoise gekreuzigt haben. Dem französischen Könige Philipp August erzählten Hofleute, schon zu seines Vaters Zeiten hätten die Juden alljährlich einen Christenknaben zur Verhöhnung des Christentums abgeschlachtet.

Im Jahre 1198 krönten die Juden zu Brienne in Frankreich einen Bauern, der nicht zahlen konnte, und einen Juden getötet hatte, mit Dornen, trieben ihn so durch das Dorf und henkten ihn mit Erlaubnis der Gräfin Berry dann auf. Diesen Frevel mußten zweiundachtzig Juden mit dem Feuertode büßen. König Philipp II., dessen Unterthan der Gehenkte gewesen war, ließ den Ort umstellen und die Juden, die sich nicht taufen lassen wollten, töten. Wir erwähnen diesen Fall, weil er dazu beitragen mußte, die Christen im Glauben zu bestärken, daß die Juden durch Christenmorde auch ihren religiösen Haß zu befriedigen suchen, indem sie den Bauern zuerst mit Dornen krönten und dann am Galgen aufhenkten.

Im Jahre 1255 wurde der neunjährige Knabe Hugo zu Lincoln in England von den Kinderspielen weg in das Haus des Oberrabbiners Joppinus gelockt und mußte dort sechsundzwanzig Tage Hunger leiden; er wurde gegeißelt, und die Oberlippe wurde ihm abgeschnitten, die Zähne wurden ihm eingeschlagen und die Nasenflügel aufgeschlitzt; dann wurde er am ganzen Körper mit Nadeln durchstochen und zuletzt durch eine Wunde getötet, die man ihm mit einer Lanze beibrachte. Der Leib wurde in einen Brunnen geworfen, von den Christen aber gefunden; Wunder, welche daselbst geschahen, bestärkten den Verdacht, der sich auf die Juden geworfen hatte. Der Oberrabbiner Joppinus gestand auch unter der Folter die That mit allen Einzelnheiten ein, worauf er mit noch achtzehn bei der Hinopferung des Knaben beteiligten Juden von Pferden zu tot geschleift wurde.

Im Jahre 1287 kam Werner, ein Jüngling von vierzehn Jahren, nach Oberwesel am Rhein, um sich dort Arbeit und Verdienst zu suchen. Er bekam Arbeit bei einem Juden, dem er Schutt aus dem Keller wegschaffen mußte. Nachdem Werner eines Tages die heilige Kommunion empfangen hatte, kamen mehrere Juden in den Keller, ergriffen Werner und henkten ihn auf mit dem Kopf nach unten, damit er die genossene Hostie wieder von sich gebe. Als dies mißlang, marterten und töteten sie ihn. Den Leichnam warfen sie, etwas entfernt vom Ort, in Dorngesträuch. Die Sache wurde aber


  1. cf. Görres, christl. Mystik, IV. 2.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/35&oldid=- (Version vom 31.7.2018)