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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Die Jungfer Liselein Federspiel, welche besonders tiefsinnig war, grübelte auch nach und ward zum ersten Mal inne, daß sie ihr Wohl und Wehe, ihre Tugend und ihren Fall in der eigenen Hand trage, und indem sie nun die Waage hielt und diese verantwortliche Freiheit erwog, ward sie eben so traurig darüber. Wie sie nun dastand, kam jener verwegene Rothrock und sagte unverweilt: Federspiel, ich liebe Dich! Worüber sie durch eine sonderbare Fügung plötzlich ihren vorigen Gedankengang änderte und in ein helles Gelächter ausbrach.“

„Jetzt laß mich fortfahren!“ rief der Alte, welcher erhitzt nachgelaufen kam und dem Jungen über die Schulter las, „es paßt mir nun eben recht!“ und setzte die Geschichte folgender Maßen fort:

„Da ist nichts zu lachen! sagte Jener, denn ich verstehe keinen Spaß! Kurz, es kam, wie es kommen mußte; wo das Wäldchen auf der Höhe stand, saß mein Federspiel im Grünen und lachte noch immer; aber schon sprang der Ritter auf seinen Schimmel und flog so schnell in die Ferne, daß er durch die platzgreifende Luftperspektive in wenig Augenblicken ganz bläulich aussah. Er verschwand, kehrte nicht mehr zurück; denn er war ein Teufelsbraten!“

„Ha, nun ist's geschehen!“ schrie Litumlei und warf die Feder hin, „nun habe ich das Meinige gethan,

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/126&oldid=- (Version vom 31.7.2018)