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und Geberden mehr auf die Schule des Palma als auf die Art des Giorgione hinweisen; doch kann ich es nur bedauern, wenn dieselben hinzufügen, daß sie das Bild weder dem Giorgione noch dem Palma geben könnten und daher genöthigt wären, es dem Cariani zuzuschreiben, zumal die auf dem Sacke der Rahel gezeichneten Initialbuchstaben G. B. F. sich ganz gut als Giovanni Busi fece deuten ließen[1].

Vor allem muß ich hiergegen bemerken, daß Cariani niemals sich Busi bezeichnet hat, sondern stets Joanes Carianus [2]. Andererseits ist Cariani klotziger in seinen Formen, schwärzer in den Schatten, er faßt die Landschaft ganz anders als Palma auf und erscheint überhaupt


  1. Band II, 555.
  2. So im Bilde „Christi Auferstehung“ im Hause Marazzi zu Crema, vom Jahre 1520; so im Bilde „Madonna mit dem Kinde zwischen den hh. Hieronymus und Franciscus“ im Besitze des Herrn Frizzoni-Salis zu Bergamo; so auf dem schönen Porträt in der Lochis-Carrarasammlung, ebenfalls in Bergamo; so auf dem Madonnenbilde bei Herrn Francesco Baglioni daselbst, vom Jahre 1521 u. s. f. – Und hätte Cariani auf italienisch sich signiren wollen, was übrigens zu jenen Zeiten nicht gebräuchlich war, so würde er Zuan de Busi, nicht aber Giovanni Busi geschrieben haben. Die Initialen G. B. sollen in der Absicht des Betrügers, der sie darauf setzen ließ, keineswegs Giovanni Busi, an den man schwerlich damals dachte, sondern augenscheinlich Giorgio Barbarelli bedeuten. Die Herren Cr. und Cav. scheinen überhaupt die zwei Schüler des Palma vecchio, den Bergamasken Cariani und den Veronesen Bonifazio, sehr oft mit einander zu verwechseln; ich sehe unter anderm in ihrem Kapitel über Cariani, daß sie auch die zwei großen Bilder in der Belvederegalerie zu Wien (Erdgeschoß, 1. Zimmer, No. 7 und 11), „Amor’s Triumphzug“ und „Sieg der Keuschheit über die Liebe“, dem Cariani zuschreiben (II, 557), während dieselben doch ohne allen Zweifel dem Bonifazio angehören. Auch sind diese Bilder schon von Carlo Ridolfi (Vite dei Pittori, I, 376) als Werke Bonifazio’s beschrieben. – Ein ander Mal nehmen die Herren den Previtali für den Cariani (das waren wenigstens Kinder des nämlichen Bodens), wie in der Freskolunette über der Seitenthüre der Kirche Santa Maria Maggiore in Bergamo.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/200&oldid=- (Version vom 31.7.2018)