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Bin ich nicht in einer vorgefaßten Meinung befangen, so geht selbst aus diesem synchronischen Briefe deutlich hervor, daß Melzi zwar gemalt habe, jedoch nur als Dilettant. Aus dem Miniaturmaler des Lomazzo und dem Dilettanten des Bendedei entstand nun später der Maler Francesco Melzi, der natürlich als Edelmann noch obendrein als der vorzüglichste unter den Schülern Lionardo’s uns vogestellt werden mußte. Endlich kamen die Sammler, die nach den Werken dieses seltenen Malers fahndeten, und bald darauf erschienen, wie das in der Sache selbst liegt, auch die Fälscher, die unter irgend ein beliebiges Bild der mailändisch-lombardischen Schule aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts den Namen des Melzi setzten. Solcher Fälschungen sind mir etliche zu Gesicht gekommen, ja eine davon, vielleicht die plumpste, befindet sich selbst im Hause des Herzogs Lodovico Melzi d’Eril zu Mailand. Es ist dies das Porträt, Brustbild, eines jungen Mannes mit einem Papagei in der rechten Hand und mit der Aufschrift: FR. MELZIVS; ein gar einfältiges Machwerk irgend eines Florentiners aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Von hohem Interesse dagegen für die Lösung unserer Frage dürfte eine kleine Röthelzeichnung sein, die in der Ambrosiana zu Mailand unter den Handzeichnungen des Lionardo aufgestellt ist. Wir sehen auf derselben den Kahlkopf eines ältern Mannes im Profil dargestellt und lesen oben auf dem Blatte: 1510 a di 14 Augusto, cavata de relevo, folglich nach einer Büste kopirt, ein Beweis, daß Melzi damals noch nicht nach der Natur zeichnete und somit noch Anfänger war. Unten auf dem Blatte steht: Francescho da Melzo de anni 17 (Melzi wäre somit im Jahre 1493 geboren).

Dieser Kopf ist durchaus Lionardisch, sowohl dem Charakter als auch der Formbildung des Ohres nach. Es scheint daher wahrscheinlich, daß der siebzehnjährige Melzi diesen Kopf etwa nach einem in Wachs formirten Modell des Lionardo kopirt habe, worauf das „per cavata de rilievo

Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 476. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/495&oldid=- (Version vom 31.7.2018)