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16) Freitag. Der dritte Band von Steins Leben ist höchst bedeutend. Der Charakter des Mannes, der Zoll für Zoll ein Mann, ein deutscher Mann ist, tritt ebenso scharf ausgeprägt, wie seine außerordentliche, tiefeingreifende Wirksamkeit in jener großen Zeit schlagend, unwiderleglich nachgewiesen in diesem Abschnitt des Buches hervor.

21) Mittwoch. Brief an Wigand auf die Post gebracht und am Zwinger mich umgesehen, wobei ich mit Vergnügen bemerkte, daß Anstalt gemacht wird zur Wiederherstellung der zerstörten Theile, auch am Museum tüchtig gearbeitet worden ist. Nur am Wall, wo die Freitreppe errichtet werden soll, ist noch nichts geschehen.

22) Donnerstag... Gegen Abend bringt Gaber einen Abdruck der vortrefflich gelungenen Platte „Die Aufopferung Isaacs“. Der Schnitt ist unter den bis jetzt gelieferten Arbeiten vielleicht der gelungenste...

24) Samstag... Wie ich höre, hat Rietschel sich zuvorkommend erboten, das Modell in der mich treffenden Zeit zu besorgen.

25) Sonntag. Gang nach der Ausstellung... Wittigs lebensgroße Statue eines Jägers, die er in Rom gefertiget und welche Rietschel herkommen lassen, hat viel Verdienst und zeugt namentlich von ernstem Studium; dennoch macht sie auf mich keinen ganz günstigen Eindruck... Gustav Königs Karton „Die Verkünder des Christenthums in Deutschland im 8. Jahrhundert“ ist sehr schön. Meines Schülers Joh. Zumpe Karton „Die Verfolgung der Christen unter Saulus“, den ich so viel hundertmal gesehen, macht mir heute mehr Freude als jemals... Ehrhardts Porträt seiner Frau ist sehr ähnlich und sehr schön durchgeführt. Gonnes Bild „Der Gefangene“ ist ein sehr ansprechendes Bild. Es ist in der Empfindung so eigenthümlich, so rein, einfach und doch stark, daß man sogleich in Stimmung versetzt wird. Vor dem Bilde Prof. J. Hübners „Die große Babylon auf dem siebenköpfigen Drachen“ kann man vieles sagen, manches rühmen (glänzendes Kolorit), nur nicht daß es eigenthümlich, rein, einfach und stark in der Empfindung sei, daß es anspreche. Die Holzschnitte nach meinen biblischen Zeichnungen ausgestellt zu sehen, macht mir einen demüthigenden Eindruck. Sie erscheinen so schwach, so ungünstig, daß ich mich nicht entschließen kann, sie genau zu betrachten. Und ferne ist’s von mir, diesen Eindruck den Holzschneidern zur Last legen zu wollen. Die Originalzeichnungen würden mir nicht besser gefallen. Der große Raum, die großen Bilder, die bunten Farben, die Uebersicht von fernem Standpunkt - alles wirkt außer den wirklichen Mängeln nachtheilig. So wird man mit kalten Umschlägen bedient, wenn man hofft, Ehre zu ernten. Schöne Landschaften sind da von Schirmer, Schleich und anderen. Herrn Ed. Steinles „Guter Hirte, der das Verlorne sucht und aufnimmt“, durch die Lithographie der Handzeichnung bekannt, hier aber als großes Oelbild ausgeführt, ist ein sehr schönes Gemälde, das gegenüber dem leeren Mach- und Farbenwerk in seiner Anspruchlosigkeit bei großer Tiefe und Reinheit der Empfindung auf mich einen äußerst wohlthuenden Eindruck macht. Von anderem sei ein andermal die Rede, nur das will ich noch bemerken, daß Gonnes Bild, das ich ein Stimmungsbild nennen möchte, mich an Peter de Hooghe und namentlich an das in München in der Leuchtenbergschen Sammlung befindliche schöne Bild erinnert hat.

26) Montag... Einen unerwarteten Besuch erhalte ich aus London. Nämlich ein Sohn[1] meines Jugendfreundes Heinrich Göschen sucht mich auf. Er studirt die Rechte zu Oxford und ist nur auf Besuch in Deutschland, wohnt für einige Wochen in Hohenstädt bei Grimma... Am Abend erfreut mich noch ein lieber Brief von Passavant, welcher von meiner Krankheit gehört hat und nun mir einen kurzen Bericht über seine spanische Reise giebt, um mich zu unterhalten und zu erheitern. So eine Erweisung der Freundestreue thut wohl. Vergelte ihm Gott seine Liebe!

28) Mittwoch... Bei der heutigen Gelegenheit besehe ich mir auch die neue Villa Herrmann [in Loschwitz], die unvergleichlich liegt und schön gebaut ist.

31) Samstag... Wislicenus bringt einen kolossalen Christuskopf mit der Dornenkrone, welchen er, angeregt durch die von Bethmann-Hollweg gestellte Preisaufgabe, in der letzten Zeit gezeichnet hat. Er will ihn nach Berlin zur Ansicht schicken, obwohl er als Konkurrent nicht auftreten kann, da eine ganze Figur bedungen ist... Dieser einzelne Kopf ist ein neuer Beweis von dem ganz eminenten Talent des jungen Künstlers. Ich kenne keinen schöneren Christuskopf. Kirchbachs Karton „Der Theatervorhang“ ist nun auf der Ausstellung und auch in Beziehung auf Wirkung vortrefflich durchgeführt.

August.

3) Dienstag. Direktorialversammlung des Kunstvereins in den Lokalitäten der Ausstellung... Die Arbeiten meiner Schüler Kirchbach und Zumpe finden allgemeinen Beifall. Ein glückliches Zusammentreffen hat Gust. Königs Karton (aus dem Cyklus seiner Kirchengeschichte) neben jene Kartons gebracht. Jägers großes Bild „Magdalena salbt die Füße des Herrn“ ist auch angekommen. So vereinigen sich auf eine recht schöne Weise alte und neue Schüler und zeigen ein gleiches Streben und die schönsten Erfolge auf dieser Ausstellung.


  1. Der nachmalige englische Schatzkanzler.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/214&oldid=- (Version vom 19.5.2024)