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I. Jahrgang          1892          Nr. 3.


Von diesen Blättern erscheinen jährlich 3 bis 4 Nummern im Umfange von 1 bis 2 Bogen. Bestellpreis für den Jahrgang 3 Mark. Die Vereinsmitglieder erhalten die Blätter unentgeltlich zugesandt.


Goethe in Dresden.
Vortrag, gehalten am 11. April 1892
von
Dr. Woldemar Freiherrn von Biedermann,
Geh. Rath a. D
.

Ein unlängst hier verstorbener bedeutender Mann, Gelehrter von großem Ruf und höchstgestellter Staatsbeamter, hat die Deutschen ermahnt, drei Männer als leuchtende Vorbilder immer vor Augen zu haben: Luther, Goethe, Bismarck – Symbole protestantischen Glaubens, klarsten Erkennens und deutschkräftigen Handelns. Wenn ein ganzes Volk stolz ist auf seine großen Männer, so geziemt es wohl auch den Bewohnern einer Ortschaft, sich an dem Abglanz zu sonnen, der von dem Ruhme solcher Größen auf ihre engere Heimath fällt. Und wo fände die Feier solchen Ruhms geeignetere Stätte, als in einem Ortsgeschichtsverein! Geleitet von diesen Gedanken, will ich Sie von Beziehungen Goethe’s zu Dresden unterhalten. Diese Beziehungen sind aber so zahl- und umfangreich, daß sie Stoff zu einem starken Buche abgeben würden, sodaß also auf deren erschöpfende Behandlung in einem Vortrage innerhalb der üblichermaßen dazu bestimmten Zeit nicht zu denken ist, und wenn mir also eine Zeitgrenze gesetzt ist, muß ich mir eine Inhaltsgrenze ziehen. Deshalb beschränke ich mich auf den Theil dieser Beziehungen, der einem Verein für Ortsgeschichte am meisten oder wenigstens zunächst gemäß sein dürfte: Goethe’s Aufenthalt in Dresden – also seine Beschäftigungen hier während der mehreren Male, daß er in Dresden weilte, und den Verkehr, den er am Orte mit verschiedenen Personen gepflogen hat, wobei ich über diese Personen selbst soviel beizubringen haben werde, als zur Verdeutlichung des Verkehrs mit ihnen nöthig ist. Freilich wird hierdurch mein Vortrag etwas kaleidoskopartig ausfallen oder dem Vorzeigen von Guckkastenbildern ähneln, die nur dadurch in Zusammenhang stehen, daß sie sich alle in demselben Guckkasten befinden; so meine Bilder dadurch, daß sie sich alle auf Goethe beziehen.

Wenn aber gerade heute Veranlassung genommen ist, über Goethe zu sprechen, so geschieht es, weil zwischen dem vorigen und dem heutigen Vereinsabende ein Goethe-Gedenktag fiel: es sind am 22. vorigen Monats gerade 60 Jahre verflossen gewesen, seit Goethe die Augen geschlossen hat, die über 80 Jahre lang so hell die Welt beschauten.

Goethe hatte eben erst das sechzehnte Lebensjahr zurückgelegt, als er zu Michaeli 1765 nach Leipzig kam, um dort die drei üblichen Universitätsjahre hindurch dem Studium der Rechtsgelehrsamkeit obzuliegen. Das war die väterliche Bestimmung, seinerseits nahm er sich aber vor, unbeschadet dieses Hauptzwecks, seinem frühen Drange, sich in der Kunst auszubilden, zu folgen. Schon als Knabe zeichnete er nicht nur mit Geschick und selbständig schaffend, sondern hatte auch Gelegenheit, Maler in Ausübung ihrer Kunst zu beobachten, was er, obgleich erst zehnjährig, doch mit Verständniß that. Diese Gelegenheit kam ihm dadurch, daß während des siebenjährigen Kriegs die Franzosen Frankfurt besetzten und der Befehlshaber der Besatzung – Lieutenant du roi nach seiner amtlichen Bezeichnung – der Hauptmann von Thoranc ein Kunstfreund war, der die Frankfurter Maler Hirt, Schütz, Trautmann, Nothnagel und Junker, sowie den hessischen Hofmaler Seekatz im nahegelegenen


Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/39&oldid=- (Version vom 30.4.2024)