Erkenntnis und Herrlichkeit, geradeso wie eine Braut am Tage ihrer Verlobung“[1]. Sie tritt ein „in einen Stand des Friedens, der Wonne mit Süßigkeit der Liebe“ und weiß nun nichts anderes mehr zu tun, „als die Großtaten ihres Geliebten aufzuzählen und zu besingen....“ Sie erfährt in den Ekstasen der Liebe, was der hl. Franziskus mit den Worten sagen wollte: „Mein Gott und mein alles“. Gott ist nun in der Tat für die Seele alles, das Gute aller Geister, und so findet sie in den Geschöpfen ein Bild Seiner Vollkommenheiten. Jede dieser wunderbaren Vollkommenheiten ist Gott und alle miteinander sind Gott. „Und da die Seele in dieser Ekstase sich mit Gott vereinigt, so hat sie das Gefühl, alle diese Dinge seien Gott“, wie es der hl. Johannes erfuhr, als er sprach: „Was gemacht ward, war in Ihm Leben“[2]. Das bedeutet nicht, daß die Seele die Geschöpfe in Gott sähe, „wie man die Dinge im Licht erblickt, sondern besagt nur, daß sie im Besitz Gottes das Gefühl hat, alle Dinge seien Gott“. Das ist auch nicht etwa die klare und wesenhafte Anschauung Gottes. Es ist wohl „eine mächtige und überreiche Mitteilung“, aber doch nur „ein schwacher Schimmer von dem, was Er in sich ist“[3]. Durch diesen schwachen Schimmer werden der Seele die Vollkommenheiten der Geschöpfe enthüllt.
Das Gebirge mit seiner ragenden Höhe und dem Liebreiz seiner duftenden Blumen hat etwas von der Erhabenheit und Schönheit des Geliebten. In Seinem Frieden ruht die Seele wie in einem kühlen und stillen einsamen Waldtal. Eine wunderbare neue Welt geht ihr in der Gotteserkenntnis auf – wie dem Seefahrer in fernen Inselreichen. Gleich einem Strom, der überflutet und alles unter Wasser setzt, alle Tiefen füllt und mit seinem Getöse jeden andern Schall übertönt, so wird die Seele „vom Strome des Geistes Gottes .... mächtig ergriffen und derart überwältigt, daß die Wasser aller Ströme der Welt über sie hereinzubrechen scheinen“. Aber das bereitet ihr keine Pein, denn es sind Ströme des Friedens, und ihr Überfluten „erfüllt sie ganz mit Frieden und Herrlichkeit“. Es füllt mit seinem Wasser die Tiefen ihrer Demut und die Leere ihres Begehrens aus, und im Brausen der Ströme vernimmt sie „eine geistige Stimme, die .... alle anderen Stimmen verstummen macht und jeden Klang der Welt übertönt.... Es ist eine innere Stimme mit unermeßlichem Schall, welche die Seele mit Macht und Kraft
Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/218&oldid=- (Version vom 6.1.2019)