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Darstellung der hl. Teresia von Jesus

eine starke Anhänglichkeit an irdische Güter gefesselt sind. Und wenn sie für ihren guten Willen öfters durch Tröstungen belohnt werden, so sind das noch ganz natürliche Regungen: Tränen der Reue, andächtige Rührung, Freude an den verrichteten guten Werken.

Das bisher Geschilderte zeigt uns den natürlichen und normalen Weg der Seele zu sich selbst und zu Gott. Damit soll nicht etwa gesagt sein, daß bis hierher nichts Übernatürliches mitspiele. Im Gegenteil, jede Anregung, die den Menschen zur Einkehr bei sich selbst bewegt und auf den Weg zu Gott bringt, ist als eine Wirkung der Gnade anzusehen, auch wenn dabei natürliche Ereignisse und Beweggründe als Werkzeuge benützt werden. Aber was die Seele bisher von Gott und seinem Verhältnis zu ihr weiß, das stammt aus dem Glauben, und den Glauben hat sie vom Hören. Gespürt hat sie von der Gegenwart Gottes in ihrem Innern bisher nichts. Und erst wenn das geschieht, wird von außerordentlichem oder mystischem Gnadenleben gesprochen. Es beginnt in der vierten Wohnung.

Anstelle der Tröstungen, die „in unserer Natur ihren Ursprung haben und in Gott enden“[1] – Gefühlen, die sich nicht wesentlich von dem unterscheiden, was irdische Vorfälle in uns auslösen –, treten Süßigkeiten, die „ihren Ursprung in Gott haben“; sie „werden jedoch auch von unserer Natur empfunden, die ebensosehr, ja noch mehr ihre Wonne darin findet wie in besagten Tröstungen“. Die Heilige nennt sie auch Gebet der Ruhe, weil sie sich ganz ohne eigenes Bemühen einstellen.

Die Tröstungen gewinnen wir „durch Nachdenken, wobei wir uns des Geschaffenen bedienen und den Verstand ermüden“[2]. Sie werden mit Wasser verglichen, das durch Röhren unter viel Geräusch in einen Behälter geleitet wird. Der andere Brunnen (die Seele im Gebet der Ruhe) nimmt das Wasser unmittelbar von der Quelle selbst, die Gott ist, in seinen Behälter auf, und darum geschieht es, wenn es Seiner Majestät gefällt, der Seele eine übernatürliche Gnade mitzuteilen, im höchsten Frieden, mit größter Ruhe und Süßigkeit, ganz in unserm Innern selbst, ich weiß nicht, wo und wie. Die Freude und Wonne wird nicht, wie die irdischen, gleich anfangs im Herzen empfunden, erst später füllt dieses Wasser alles an und ergießt sich


  1. a.a.O. S. 67.
  2. a.a.O. S. 78.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Die Seelenburg. Editions Nauwelaerts, Louvain 1962, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Welt_und_Person.pdf/43&oldid=- (Version vom 31.7.2018)