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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

ihn hastig in seiner roten Faust. Er bückte sich und tat, als ob er noch suchte.

Ein lauter Freudenruf des jüngeren Professors scheuchte die Leute auf. Er stand vorgebeugt mit glänzenden Augen an der Grube, an welcher die Baroneß Marga und Darthe gearbeitet hatte. „Vorsichtig, um Gottes willen, vorsichtig!“ rief er. „Ein menschlicher Fußknochen!“

Alles drängte an die Grube heran. Mit einem kühnen Satz sprang der Professor hinein.

„Es ist richtig!“ rief er. „Wahrhaftig ein Fußknochen – alle fünf Glieder unversehrt! – Bitte, hier weiter graben!“ rief er in fieberhaftem Eifer. „Hierher, nach links, und vorsichtig, ja vorsichtig!“

Darthe ergriff ihre Schaufel und schob sich durch die Reihen.

„Fort du!“ herrschte sie Grendsche-Jehkab an[WS 1]. „Wer goldene Schätze verschmäht, der soll auch nicht nach morschen Knochen graben!“

Er spie in die Hände, faßte den Spaten fester und arbeitete tapfer darauf los. Sein hübsches Gesicht troff von Schweiß. Noch nie hatte er Darthe so gut gefallen. Gleichzeitig hatten einige Arbeiter, darunter der Dumpje-Wirt, ein paar Fuß weiter, da, wo der Professor den Kopf vermutete, zu graben begonnen. Schweigend und fieberhaft arbeiteten sie weiter. Eine dumpfe, erwartungsvolle Stille lag über der Versammlung. Die beiden Professoren beobachteten gespannt die zunehmende Höhlung der Grube.

  1. Vorlage: un
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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 230. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/226&oldid=- (Version vom 1.8.2018)