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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Funkelnd mit leisem Plätschern schaukelten die Wellchen um den Bug des winzigen Passagierdampfers. In einer halben Stunde sollte das fauchende kleine Ungetüm abfahren. In seiner protzigen heisern Stimme, die so wenig im Einklang zu seinem stolzen Namen „Bojarina“ stand, verkündete es prustend und zitternd seine ernstgemeinte Absicht, die kurländische Hauptstadt Mitau zu verlassen.

Eine kühle Septembersonne schien aus halbbewölktem Himmel über das Prunkstück des Städtchens, das rosenrot getünchte, ehe­malig herzogliche Schloß, blitzte nachdenklich um den hochaufragenden Trinitatiskirchturm, streifte die welken Kastanienblätter des Schloßparks und verlor sich zitternd in den kleinen unruhig hüpfenden Wellchen des Aaflusses.

Am Landungsplatz tummelten sich geschäftig lettische Gepäck­träger, schrien und zeterten ein paar Gemüsehändlerinnen auf einen jüdischen zerlumpten Burschen ein, der ihnen die halbwegs

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)