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Seite:Friedrich Bauer - Christliche Ethik auf lutherischer Grundlage.pdf/133

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Lehre von der Prüfung und Versuchung.

 Zunächst wird es gelten, den Unterschied zwischen Prüfung und Versuchung resp. Anfechtung festzustellen. Von Luther und von der heiligen Schrift werden diese Ausdrücke promiscue gebraucht. Im Interesse der Klarheit des dogmatisch-ethischen Sprachgebrauchs ist eine Abgrenzung der einzelnen Begriffe versucht worden und in der Lehre von Kreuz und Leiden haben wir weitere Ursache, auf diese beiden Ausdrücke einzugehen. Prüfung ist eine von Gott über den Menschen verhängte Versuchung, bei der es Gott abgesehen hat auf die Bewährung des Menschen im Guten. Dieser Art ist z. B. die Prüfung Abrahams, wo Luther übersetzt hat „nach diesen Geschichten versuchte Gott den Abraham“. Diese Prüfung stellt vor Gottes Augen sozusagen, aber sicher vor der Menschen Augen den sittlichen Befund des Menschenlebens, das was in ihm als guter Schatz des Herzens vorhanden ist an Glaube, Gehorsam, Treue und Liebe zu Gott, heraus. Früher lag das Glaubenswerk latent in der Gesinnung Abrahams, nun aber ist es eine von der Person Abrahams losgelöste Thatsache geworden. So versucht Gott das Volk Israel durch das Gesetz, Ex. 16, 4. Er gab ihm dadurch Gelegenheit, seinen Gehorsam gegen Gottes Gesetz an den Tag zu legen. Solche Bewährungen sind oft für den Christen Grundlage neuer Gnadenbeweise, zumal zur Berufung im Reiche Gottes.

 Davon ist nun verschieden die Versuchung im engeren Sinne, d. h. die von Gott allerdings zugelassene (ja unter Umständen verhängte), aber vom Teufel ausgehende Reizung zum Bösen. In diesem Sinn wird von Jak. 1, 13 die Versuchung als nicht von Gott ausgehend bezeichnet. Hier ist es nicht als wie bei jener Prüfung auf die Bewährung des Christen im Guten, sondern auf eine Reizung abgesehen, die ihn zu Fall bringen soll, die die Persönlichkeit von Gott hinweg, zur Sünde hinüber, in den Kreis des Teufels ziehen soll. In Luthers großem Katechismus kommt für Versuchung der Ausdruck „Bekörung“ vor. Das hängt zusammen mit „küren“ und heißt, einen vor die Wahl stellen, ob man sich für Gott oder für die Sünde entscheiden wolle.

 Das Wort Anfechtung wird auch von Luther promiscue mit Versuchung zur Übersetzung von πειρασμός gebraucht, z. B. Jak. 1, 12. Soll ein Unterschied sein – und der Sprachgebrauch macht ja einen – zwischen Versuchung und Anfechtung, so kann man den auf verschiedene