Seite:Friedrich Bauer - Christliche Ethik auf lutherischer Grundlage.pdf/148

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

religiöser Gleichgültigkeit, oder in Genüge an äußerer Gesetzlichkeit und im Vertrauen darauf, aus dem Leben ins ewige Verderben;

 b. wenn der erweckte und bekehrte Christ die Heiligung unterläßt und nicht eifrig vorwärts trachtet in seinem Christentum. Wer aber nicht vorwärts kommt, kommt rückwärts. Es ist solches häufig ein unscheinbarer Rückgang. Man gewöhnt sich allmählich wieder an die Sünde, stumpft sein Gewissen ab, fällt in Unbußfertigkeit und Sicherheit. Dies ist ein Sinken in Weltförmigkeit, das ebenso sicher zum Verderben führt, als der Fall. Es erstirbt allmählich das geistliche Leben und es tritt wieder ein geistlicher Tod ein.

 3. Es kann aber der Mensch auf eine plötzliche und augenfällige Art aus seiner Bahn, aus dem Gnadenstande geworfen werden. Dies geschieht, wenn der Mensch in der Versuchung zum Bösen unterliegt, in dem Fall. Mit demselben tritt der Verlust der Gnadenwirkungen (nicht auch schon der Gnade selbst) ein, und das Gewissen bezeugt den Zwiespalt mit Gott, cf. Davids und Petri Fall. Aus jedem Sündenfall kann man wieder aufstehen durch Buße, und es soll so schnell als möglich geschehen: „mitten im Sündigen niedergekniet und gebetet“ rät Luther (cf. David und Petrus und worin beide unterschieden sind). Doch gibt es häufig Rückfälle, die, je öfter sie vorkommen, desto gefährlicher sind: „Rückfall ist ein böser Gast.“ Auch daraus kann man aufstehen durch Buße; aber der Mensch traut am Ende selber dem Ernste seiner Buße nicht mehr und sinkt zurück in die Herrschaft der Sünde. Der Fall und Rückfall ist um so gefährlicher, je höher der Mensch zuvor in Gnaden gestanden. Aber immer ist doch noch ein Widerstand da wider das Böse, wenn er auch immer geringer wird.

 4. Es kann aber auch die völlige und bleibende Hingabe an das Böse erfolgen, was natürlich nicht anders geschehen kann, denn mit Willen und Bewußtsein. Da wird einer entschieden im Bösen und es wird das Böse zur Fertigkeit, zur Gewohnheit, zum Charakter; von Gewohnheitssünden und Charaktersünden, die da geschehen (cf. Ahitophel, Isebel), geht es zum Laster (Gegensatz zur Tugend). Es sind nicht mehr Schwachheits-, sondern Bosheitssünden. Es geht Glaube und Gewissen, Ehre und guter Name auch bei den Mitmenschen zu schanden. Man betrübt fortwährend den heiligen Geist und mißhandelt sein Gewissen, wenn es nicht schweigen will; dagegen tritt die göttliche Reaktion ein, Gott verblendet, verhärtet und verstockt den Menschen zur Strafe (Jes. 6; Joh. 12, 39–40). Eine