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 Wenn wir die Stellen der Genesis in Kap. 1 ansehen, so finden wir, daß über die Beschaffenheit des göttlichen Ebenbildes selber nichts gesagt ist. Wir können aus den Stellen nur entnehmen, daß die Herrschaft über die Erde zum Inhalt dieses Begriffes gehöre. Zum Herrschen aber über die Kreatur ist der Mensch fähig, eben durch seine Verschiedenheit von den Tieren, daß er im Unterschied von ihnen Persönlichkeit ist. Es liegt in der Schrift die Thatsache vor, daß der Ausdruck „Gottesebenbildlichkeit“ im allgemeinen, äußerlichen, aber ziemlich inhaltsleeren Sinn gebraucht wird. 1. Kor. 11, 7; Jac. 3, 9. Hier wird vom Menschen auch in seinem dermaligen Zustand, als einem nach dem Bilde Gottes gemachten, geredet; Gen. 9, 6: Im Menschen wird durch den Mörder das Ebenbild Gottes zerstört; hier will diese Bezeichnung nur im formalen Sinn gefaßt sein: was unverlierbar zum Wesen des Menschen gehört, nämlich seine Persönlichkeit.

 Nun gibt es aber auch andere Stellen, nach welchen der Begriff „Gottesebenbildlichkeit“ ethisch erfüllt, und dieselbe als sittliche Beschaffenheit des Menschen erscheint Eph. 4, 24; Col. 3, 10. Die erste Stelle erinnert an die Schöpfung: Das, wozu der Mensch durch Gottes Gnade wiederhergestellt wird, muß er, der Anlage nach wenigstens, in der Ursprünglichkeit gehabt haben. So ist uns durch die heilige Schrift der Unterschied nahe gelegt, und das Recht zu einer Unterscheidung nachgewiesen, nämlich zur Unterscheidung des Ebenbildes: 1. im substantiellen und 2. im ethischen Sinn.

 Das erste, was zum Wesen des Menschen gehört, ist trotz des Falles geblieben, das zweite, die sittliche Rechtbeschaffenheit des Menschen, kraft welcher er ein Abbild der göttlichen Vollkommenheit war, ist ihm verloren gegangen. Ebenbild im substantiellen und ethischen Sinn, ist insofern unzertrennlich, als in der substantiellen Seite die Möglichkeit alles sittlichen Handelns gegeben ist, nämlich die Persönlichkeit und damit die sittliche Freiheit und Verantwortlichkeit. Das Ebenbild im substantiellen Sinn ist die Voraussetzung, Grundlage und Form für ethische Beschaffenheit und ethisches Verhalten. Wäre der Mensch nicht ein persönliches, freies, für sein Handeln verantwortliches Wesen, so könnte von einem sittlichen Verhalten und einer Rechtbeschaffenheit des Menschen keine Rede sein. Indem wir nun sagen, das Ebenbild Gottes im substantiellen Sinn besteht in der Persönlichkeit des Menschen, fassen wir darin zusammen, was im folgenden niedergelegt wird. Er ist Gottes Ebenbild als wollendes, erkennendes,